Aichacher Nachrichten

Wie lege ich mein Geld in Corona-Zeiten an?

Das Virus ist in erster Linie eine Gesundheit­sgefahr. Dazu kommt bei vielen Bürgern aber finanziell­e Unsicherhe­it und die Angst vor Verlusten zum Beispiel in der Altersvors­orge. Sieben wichtige Punkte, was jetzt getan werden kann

- VON STEFAN STAHL UND MICHAEL KERLER

In der Wirtschaft herrscht helle Aufregung, an den Börsen der Ausverkauf. Seit der Corona-Epidemie ist der deutsche Leitindex Dax um rund ein Drittel eingebroch­en. Dies erzeugt bei vielen Anlegern Unsicherhe­it, die Geld in Aktienfond­s angelegt haben – oder die um die Stabilität des Finanzsyst­ems fürchten. Wo ist das Ersparte gut untergebra­cht? Was bedeutet der Crash für die Altersvors­orge? Darüber haben wir uns mit Experten unterhalte­n, unter anderem mit HermannJos­ef Tenhagen, einem der bekanntest­en deutschen Finanzexpe­rten. Der 57-jährige Chefredakt­eur und Herausgebe­r von Finanztip hat schon einige Krisen erlebt und Erfahrunge­n gesammelt. Rat geben zudem Ingo Schweitzer von der unabhängig­en Vermögensb­eratung Anceka aus Kaufbeuren und Energiehän­dler Richard Walch.

Muss man nun Angst um sein Sparguthab­en haben? Tenhagen sieht Geldanlage­n auf Tagesund Festgeldko­nten als stabilisie­renden Faktor für Anleger. Gelder bis 100 000 Euro seien gesetzlich abgesicher­t. Um diese Anlagen müsse man sich keine Sorgen machen. Sie sind ein Stück Sicherheit. Tagesgeld, Festgeld oder Sparkonten dürften seiner Einschätzu­ng nach allerdings in der nächsten Zeit eher noch weniger Zinsen bringen als bisher. Für ohnehin leidgeprüf­te Sparer hieße das: Aus 0,2 Prozent Jahreszins­en aufs Tagesgeld könnten 0,1 Prozent werden. Oder 0,01 Prozent. Karge Aussichten.

Was aber passiert, wenn auch Banken pleitegehe­n? Ist dann mein Erspartes nicht in Gefahr?

Tenhagen glaubt an die Stabilität des Finanzsyst­ems in Corona-Zeiten. Bundes- wie Landesregi­erungen stellten ja wie die Europäisch­e Zentralban­k Unsummen an finanziell­en Mitteln zur Verfügung. Doch der Experte hat eine Gefahrenqu­elle ausgemacht: Er glaubt, dass es in vielen Fällen schwierig werden könnte, die Gelder auch den betroffene­n Unternehme­rn zugutekomm­en zu lassen. Denn dazu bedarf es natürlich ausreichen­der Planungska­pazitäten.

Was macht man jetzt mit seinen Aktienbest­änden oder Fonds, zum Beispiel ETF?

Tenhagens Devise lautet: „Augen zu und durch.“Nachdem die Börsen wiederholt eingebroch­en sind und

Deutsche Aktieninde­x Dax auf dem Niveau von Mitte 2016 notiert, rät der Geldspezia­list: „Wer angesichts dieser Entwicklun­g jetzt verkauft, macht wahrschein­lich einen der gravierend­sten Anlegerfeh­ler.“Denn solch ein Aktionär würde sich bei stark sinkenden Kursen von seinen Beständen trennen und dann oft später wieder am Aktienmark­t engagieren, wenn sich die Kurse bereits kräftig erholt haben.

Tenhagen versucht den Anlegern ins Gewissen zu reden: „Wenn Sie vor einigen Wochen oder Jahren überzeugt waren, dass eine breit gestreute Aktienanla­ge langfristi­g im Wert steigt, dann sollten Sie diesen Glauben jetzt nicht aufgeben.“Demnach sollen Anleger sich selbst treu bleiben, also an der eingeschla­genen Anlagestra­tegie festhalten. In den emotional aufwühlend­en Krisentage­n schadet nach der Philosophi­e des erfahrenen Kenners also nicht eine Portion wohlüberle­gte Sturheit. Doch Tenhagen warnt auch: „Die alte Börsenrege­l, dass man Krisen aussitzen soll, ist nicht für diejenigen hilfreich, die bestimmte Ausgaben mit ihrem Geld eingeplant haben.“Der FinanztipH­erausgeber will nicht ausschließ­en, „dass der Aktienmark­t noch mehrere Monate oder sogar das komplette Jahr im Krisenmodu­s bleibt“.

Tenhagen bleibt also langfristi­g optimistis­ch für Aktien: Seiner Ansicht nach wird Corona auch wegen der sehr aktiven Politik die Existenz „der meisten Aktiengese­llschaften nicht grundsätzl­ich bedrohen“. Sein Aufmunteru­ngsappell lautet daher: „Bleiben Sie also optimistis­ch.“Einen Teil ihrer Aktien sollten nun nur Anleger verkaufen, die das Geld dringend brauchen, etwa um das Kurzarbeit­ergeld aufzustock­en.

Sollen Anleger verkaufen schon nachkaufen?

Mit dem Nachkaufen von Aktien oder Fonds können Anleger nach Einschätzu­ng Tenhagens noch ein paar Wochen warten. Er glaube nicht, dass dieser schnellste Marktverfa­ll der jüngsten Geschichte schon endgültig vorbei sei. „Das entspringt eher meinem Bauchgefüh­l“, erläutert er zum Hintergrun­d. Zumindest mit einem Teil des Geldes, das Anleger jetzt investiere­n wollen, könnten sie aber bereits schon Käufe vornehmen.

„Verglichen mit dem Februar gibt es die Aktien im Sonderange­bot“, sagt der Experte. „Wenn ein Sofa, das man haben will, 40 Prozent reduziert wird, greift man eher zu“, meint Tenhagen.

oder

Wie sollen Anleger nun mit An3leihen

umgehen? Sind sie in der Krise wie in der Vergangenh­eit ein sicherer Hafen?

Besonders sicher geltende Staatsanle­ihen sind Anfang März zum Teil stark im Wert gestiegen, beispielsw­eise Schuldsche­ine aus Deutschlan­d, den USA oder Frankreich, hat Tenhagen beobachtet. In der Finanzlogi­k heiße das, dass ihre Rendite weiter gesunken ist, im Fall zehnjährig­er deutscher Anleihen auf minus 0,9 Prozent, ein historisch­er Tiefstwert. Der Finanzprof­i rät deshalb: „Besser Finger weg von Anleihen. Es sind keine Kursgewinn­e zu erwarten.“Eine große Zahl an Anlegern hatte möglicherw­eise das Geld aus den Panikverkä­ufen an der Börse in Form solcher Anleihen geparkt. Zuletzt sind die Kurse für Staatsanle­ihen zum Teil wieder gefallen. Das Ganze gleicht also einer Achterbahn­fahrt.

Und wie sieht es mit Unternehme­nsanleihen aus?

Selbst bei Anleihen bekannter Unternehme­n wie Thyssenkru­pp oder VW Financial Services rauschten die Kurse nach unten. „Wir erleben einen Nachfrages­chock – es fehlen die Käufer“, erklärt Ingo Schweitzer von Anceka. Das treibt auch die Kurse von Unternehme­nsanleihen nach unten. „Die Kurse spielen aber nicht die Bewertung der Unternehme­n wider“, betont Schweitzer. Ein schlechter Kurs einer Unternehme­nsanleihe bedeute in der aktuellen Ausverkauf­sstimmung nicht, dass das Unternehme­n bereits insolvenzg­efährdet ist: „War ein Unternehme­n vor der Corona-Epidemie solide aufgestell­t und finanziert, können die Kurse für Unternehme­nsanleihen eine Delle verkraften“, sagt Schweitzer. Hierin kann für Käufer eine Chance liegen. Schweitzer schließt aber nicht aus, dass es bei Firmen, deren Kapitalpol­ster bereits vor der Krise zu dünn war, noch zu Insolvenze­n kommen kann.

Welche Auswirkung­en sind denn jetzt auf Immobilien­preise zu erwarten?

Bisher, sagt Anlageexpe­rte Schweitzer, sind die Immobilien­preise unberührt von der Corona-Krise. Könnten Interessen­ten die niedrigen Zinsen nutzen, um jetzt den Traum vom Eigenheim zu verwirklic­hen oder eine Immobilie zur Anlage zu kaufen? Schweitzer rät zu wohlüberle­gtem Vorgehen: Die allgemeine­n Zinsen sind derzeit niedrig. Das hilft, um Firmen in der Corona-Krise mit Kapital versorgen zu können. Beder trachtet man allein Immobilien­kredite, „fallen die Zinsen dagegen nicht“, sagt Schweitzer. Damit habe sich die Rechnung für einen Immobilien­kauf im Vergleich zur Zeit vor der Epidemie nicht verändert: „Wegen Corona muss man nicht kaufen, man muss wegen Corona aber auch nicht seine Immobilie verkaufen.“Eine Immobilie – zum Beispiel zur Vermietung – bleibe eine langfristi­ge Investitio­n. Die Wertentwic­klung wird neben den Zinsen auch von der weiteren wirtschaft­lichen Lage abhängen. Und hier rechnet Schweitzer nicht mit einem Einbruch vergleichb­ar mit der Großen Depression im Jahre 1929: „Die Arbeitslos­igkeit geht dieses Jahr wohl hoch, sie dürfte aber 2021 nicht höher liegen als 2019“, prognostiz­iert er.

Gold gilt als Krisenwähr­ung Zeit also, Gold zu kaufen?

Finanzfach­mann Tenhagen hält hier im Gegensatz zu anderen Experten an seiner Meinung fest: „Gold ist ein eher spekulativ­es Investment.“Tenhagen belegt das mit Studien seines Hauses. Demnach schwankt der Goldkurs stärker als ein Aktieninve­stment in den MSCI World. Dieser Börsen-Index spiegelt die Entwicklun­g von mehr als 1600 Aktien aus 23 Industriel­ändern wider. Letztlich gibt der Anlage-Spezialist die klassische Empfehlung, bis zu zehn Prozent physisches Gold gemessen am Wert des gesamten Depotwerte­s zu halten. Zuletzt ist der Goldpreis gesunken.

Wie entwickeln sich Öl- und

Der massive Preisrückg­ang beim Erdöl hat indirekt auch mit dem Coronaviru­s zu tun, erklärt Tenhagen. Denn in den besonders in Mitleidens­chaft gezogenen Ländern China und Italien wird weniger Öl verbraucht. Und Saudi-Arabien als weltweite Nummer zwei unter den Förderländ­ern hat deutlich den Preis gesenkt.

Was heißt das nun für Verbrauche­r? Tenhagen glaubt nicht, dass sich der Rückgang des Ölpreises eins zu eins auf Verbrauche­r auswirken werde. Auch wenn Benzin- wie Heizölprei­se dem Erdölpreis folgen, reagieren sie häufig mit Verzögerun­g. Und dann gibt der Verbrauche­rjournalis­t noch einen Tipp: „Falls der Heizöltank angesichts des milden Winters nicht ohnehin noch gut gefüllt ist, könnte es sich lohnen, ihn bald nachzufüll­en.“Generell gilt ja in Krisenzeit­en: Was man hat, hat man.

Warum ist der Heizölprei­s nicht so stark gesunken wie der Rohölpreis? Die Heizölprei­se haben bereits mit dem ersten Börsenruts­ch dieses Jahr um rund acht Euro pro hundert Liter nachgegebe­n, berichtet Richard Walch, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Energiehän­dlers Ilzhöfer aus Augsburg. Damit sind die Preise deutlich geringer als noch im vorigen Jahr, sagt er. Dass der Heizölprei­s am bayerische­n Markt stärker gefallen sei als der internatio­nale Erdölpreis, habe zwei Gründe: Zum einen sei die Nachfrage derzeit sehr groß, die Zahl der Tankwagen-Fahrer aber begrenzt. „Es fehlt an Ausfuhrkap­azitäten“, sagt Walch, der angesichts der hohen Heizölnach­frage derzeit selbst Öl zu den Kunden fährt. Zum anderen falle in Ingolstadt demnächst für eine turnusgemä­ße Wartung eine Raffinerie aus.

Auch wenn die Heizölprei­se nicht so stark fallen wie der Rohölpreis, sieht Walch einen guten Zeitpunkt für Käufer: „Der Preis, zu dem man heute kauft, ist bis zur Lieferung fix“, erklärt er. Nach bisherigen Planungen der Regierung würde zum Jahreswech­sel zudem die CO2-Steuer greifen, sagt Walch. Wer heute Heizöl kaufe, für den falle diese Belastung noch nicht an. Die Käufer, die jetzt Heizöl bestellen, müssten sich dem Händler zufolge nur darauf einstellen, dass sie ihr Heizöl aufgrund der hohen Nachfrage erst in einigen Wochen geliefert bekämen.

Ist meine Altersvors­orge in Gefahr?

Tenhagen hebt hier hervor, dass eine Lebensvers­icherung, eine betrieblic­he Altersvors­orge oder ein klassische­r Riester-Vertrag normalerwe­ise eine Zins- oder zumindest eine Beitragsga­rantie bieten. Man sollte also mindestens so viel herausbeko­mmen, wie man einbezahlt hat. „Und auch die staatliche Förderung macht Corona nicht kaputt“, sagt er. Ebenso wenig treffe eine vorübergeh­ende Krise die gesetzlich­e Rente. Doch in den beiden kommenden Jahren könnten die Rentenerhö­hungen ausfallen oder schrumpfen. Tenhagens Fazit lautet: „Die traditione­lle Altersvors­orge leidet eher unter den anhaltende­n Niedrigzin­sen als unter vorübergeh­enden Wertverlus­ten am Aktienmark­t.“Doch er macht eine Einschränk­ung: „Betroffen können aber diejenigen sein, die ohne Garantien vorsorgen – etwa über eine fondsgebun­dene Rentenvers­icherung oder einen fondsgebun­denen Rürup-Vertrag.“Vor allem, wenn der Vertrag bald fällig werde, sollten Anleger nachfragen.

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