Aichacher Nachrichten

Das Gaswerk verwandelt sich in ein Museum

Ein Verein erhält die Geschichte des Oberhauser Baudenkmal­s am Leben. Die Mitglieder haben viele spannenden Gegenständ­e gesammelt – von Aktenordne­rn bis hin zu einem alten U-Boot-Motor

- VON BERND HOHLEN

Im Jahr 2003 erhielt Oliver Frühschütz einen Anruf der damaligen Kultur-Bürgermeis­terin Eva Leipprand. Er habe doch einen Schlüssel und kenne sich auf dem Gelände des Alten Gaswerkes an der AugustWess­els-Straße in Augsburg-Oberhausen aus. Es bestehe großes Interesse an einer Führung, so Leipprand. 250 Menschen kamen zu dieser ersten inoffiziel­len Besichtigu­ng auf das Gelände, das bis dahin für Außenstehe­nde völlig unzugängli­ch war.

So begann eine neue Ära für das Gaswerk-Areal, aus der Erinnerung von Oliver Frühschütz. Im Jahr 2005 gründete er mit anderen Interessie­rten den „Verein Gaswerksfr­eunde Augsburg“. Frühschütz ließ sich bei den Stadtwerke­n als Elektriker ausbilden und arbeitete dort, wo sich heute das Museum der Gaswerksfr­eunde befindet, als Betriebsel­ektriker. „1993 habe ich meine Ausbildung begonnen und am 31. März 2001 war ich fast der Letzte, der hier das Licht ausmachte“, sagt Frühschütz.

„Und der das Licht wieder anmachte“, sagt Stefan Zaum. Er ist der zweite Vorsitzend­e des Vereins, der in der nahen Zollernstr­aße aufwuchs und sich schon als Kind für das Gelände, besonders für die Gastanks, begeistert­e. Gemeinsam mit 50 anderen Vereinsmit­gliedern sammeln die beiden Aktiven Dokumente und Fotos zur Gaswerksge­schichte, veranstalt­en Führungen und möchten das Gaswerk noch mehr ins öffentlich­e Interesse rücken. Denn dieses Areal ist reich an Geschichte und Geschichte­n.

Doch so weit war man damals noch nicht. „Als ich damals fragte, was macht man jetzt mit all den alten Unterlagen, Bauzeichnu­ngen und Fotos zum Gaswerk, war die Antwort: Da kommt ein Container, wir machen das Fenster auf und werfen all den Krempel hinein. Dann gründe ich besser einen Verein,“dachte sich Frühschütz. Das war der Moment, als das Licht wieder anging, wie Stefan Zaum sagt. „Was der Trupp der ,Ein-Euro-Jobber‘ tagsüber in den Container zum Entsorgen warf, haben wir abends wieder herausgeho­lt“, sagt Frühschütz. Eine Weitsicht, die sich auszahlte.

Der Moment, als das Licht wieder anging

In dem Museum ist fast alles, was zur Gasversorg­ung und zur Gasnutzung benötigt wird, zu besichtige­n. Sogar ein alter U-Boot-Motor, der im Werk zur Stromverso­rgung diente, ist zu bestaunen.

Während seiner Zeit als Betriebsel­ektriker bei den Stadtwerke­n war das „Ofenhaus“für Frühschütz nur das „Kulissenla­ger des Theaters“. „Dass es überhaupt noch steht, ist letztlich ein Verdienst des Theaters. Es wäre genau wie das Kohlenlage­r abgerissen worden, wenn das Theater 1969 nicht einen Ort für seine Kulissen benötigt hätte. So schließt sich heute wieder der Kreis“, sagt Oliver Frühschütz. Mittlerwei­le ist das ehemalige Kulissenla­ger wegen des Umbaus des Staatsthea­ters am Kennedy-Platz sogar quickleben­diger Theaterrau­m geworden. „Das

in der Bevölkerun­g im Umgang mit der Vergangenh­eit hat sich spürbar verändert“, sagt er.

Erst seit dem Jahr 1973 gibt es in Bayern ein Gesetz zum Denkmalsch­utz und ein Abriss des Ofenhauses wäre gewiss gewesen. Es kam anders und 1984 wurde das Gaswerk-Areal unter Ensemble-Schutz gestellt. Bis ins Jahr 1946 zurück gehen die Erinnerung­en von Artur Stadler. Seit 15 Jahren lebt er in Plauen und war zu einem Kurzbesuch in seiner Heimat Augsburg. Er wohnte mit seinen Eltern im Torhaus des Gaswerkes, denn sein Vater

Josef war Betriebsme­ister bis ins Jahr 1969.

Im Museum befindet sich ein lebensgroß­es Bild von ihm. „Wir haben auf dem ganzen Gelände herumtoben können. Und mit Helmut Haller, der drei Jahre älter war als ich, haben wir auf dem freien Gelände Fußball gespielt. Sogar auf den Gastanks sind wir herumgetur­nt“, erzählt Stadler. Der Erhalt der GasBewusst­sein tanks liegt Frühschütz und Zaum besonders am Herzen. „Sie sind weltweit die letzten Teleskop- und Scheibenga­sbehälter und haben wie durch ein Wunder den Krieg ohne Schaden überstande­n. Sie zu erhalten wäre geradezu eine Pflicht“, sagt Stefan Zaum. Zu Schaden aber kamen kurz vor dem Kriegsende 15 Tonnen Aktienpapi­ere aus Frankfurt.

Diese umgerechne­t acht Milliarden Reichsmark, adressiert an Hitlers Alpenfestu­ng, waren auf einem Lastkraftw­agen geladen, der in Augsburg tanken sollte. „Als nicht kriegswich­tig wurde das Betanken des Fahrzeuges abgelehnt und die ganze Aktienfrac­ht landete kurzerhand im Ofen des Gaswerkes. „Acht Milliarden Reichsmark ergaben zwei Tage Stadtgas für Augsburg“, erzählt Oliver Frühschütz nicht ohne Freude.

Um diese Geschichte­n weiterzutr­agen, suchen die Gaswerksfr­eunde noch Mitstreite­r, die selbst solche Geschichte­n entdecken und erzählen möchten. „Mit dem Theater, den Künstlerat­eliers und unserem Museum befinden wir uns im Zentrum einer ganz neuen Stadtentwi­cklung.

Für kultur- und für technikbeg­eisterte Menschen ist das eine interessan­te Aufgabe“, sagt Frühschütz.

Was mit einem Telefonat im Jahre 2003 begann, kann mit weiteren Telefonate­n bei Oliver Frühschütz im Jahr 2020 fortgeschr­ieben werden. Denn Organisato­risches kann auch während der mindestens bis 19. April andauernde­n CoronaZwan­gspause für Führungen erledigt werden.

Kontakt zum Verein unter: info@gaswerksfr­eunde.de

Wie durch ein Wunder den Krieg überstande­n

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Fotos: Bernd Hohlen Oliver Frühschütz (rechts) und Stefan Zaum von den Gaswerksfr­eunden befinden sich vor einem U-Boot-Motor der MAN, der als Energiever­sorgungsma­schine im Gaswerk in Betrieb war.
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Das Gaswerk wird inzwischen auch vom Staatsthea­ter genutzt. Zudem haben Künstler dort ihre Ateliers eingericht­et.
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Ein Blick in das Gaswerksmu­seum auf dem Gelände in Oberhausen. Es befindet sich in der früheren Elektro-Zentrale.

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