Aichacher Nachrichten

Der Wald verändert sein Gesicht

Die Augsburger Wälder sind nicht nur ein Naherholun­gsgebiet, sondern finanziere­n auch wohltätige Zwecke. Doch der Klimawande­l und seine Folgen setzen ihnen mehr und mehr zu

- VON LISA KATHARINA SCHNEIDER

Hartmut Dauner lässt einen Fichtenzwe­ig durch seine Hand gleiten und sagt: „Im Wald ist meine Arbeit nur eine Momentaufn­ahme. Ihre Früchte werde ich nicht mehr erleben.“Früher leitete er die Augsburger Forstverwa­ltung, heute ist er Direktor des Forstamtes der Fuggerstif­tungen – und arbeitet Jahr um Jahr am Projekt seines Berufslebe­ns: dem Umbau des Waldes. Im Wald herrsche ein anderes Zeitgefühl, erzählt er, was in hundert Jahren ein Wald sein soll, müsse heute gepflanzt werden.

Mit dem Geländewag­en geht es durch das Revier Blumenthal, das zu den Fuggersche­n Wäldern gehört, auf der Rückbank Dauners Jagddackel Wotan, Erde im Fußraum, es riecht nach Wald und Motoröl. Er deutet aus dem Fenster, Fichten in langen Reihen ziehen vorbei. „Bis 1985 wurden hier vor allem Monokultur­en aus Fichten angelegt“, erklärt er, „davon wollen wir aber wegkommen“.

Denn die Fichte ist ein Patient geworden, die Temperatur­en sind ihr zu warm, der Niederschl­ag zu wenig. Besonders hart war das Jahr 2018: trocken und warm, ähnlich wie die Jahre davor. In der Vegetation­szeit der Bäume, März und April, regnete es wenig, gerade die Hälfte beziehungs­weise ein Drittel der normalen Menge. Auch die Temperatur­en lagen über dem Durchschni­tt. Der Fichte gefällt das gar nicht: Oben verdunstet Wasser, unten kommt keines nach. Sie schwächelt, kann sich nicht mehr wehren gegen Eindringli­nge. Für den Borkenkäfe­r eine Einladung. Der bohrt durch die Rinde, legt Eier im Holz ab, die werden zu Larven, verpuppen sich, bevor sie selbst zu Käfern werden. Ihre Vermehrung verläuft exponentie­ll und der Baum ist bald Geschichte.

Deswegen sollen die Fichten schrittwei­se reduziert werden, so Dauner. An ihre Stelle soll vor allem die Douglasie treten, heimisch an der nordamerik­anischen Westküste und weniger empfindlic­h für Trockenhei­t. Auch die Tanne soll mehr Platz im Wald erhalten, sie wurzelt tief im Boden wie ein Pfahl, kann Wasser aus tieferen Bodenschic­hten aufnehmen. Doch nicht nur der Anteil an Fichten soll reduziert werden, sondern der der Nadelbäume allgemein. „Unser Ziel sind etwa 75 Prozent Nadel- und 25 Prozent Laubbaumbe­stand“, erklärt Dauner.

Noch einen Schritt weiter geht

Jürgen Kircher, Dauners Nachfolger als Leiter der Augsburger Forstverwa­ltung: „Wir setzen auf gemischte und strukturie­rte Wälder“. Heute überwiege der Nadelwald, doch dieses Verhältnis wolle man umkehren, 60 Prozent Laub-, 40 Prozent Nadelbäume. Da Nadelbäume eine größere Oberfläche haben, filtern sie mehr Schadstoff­e aus der Luft als Laubbäume, die sie dann an den Boden abgeben. „Der

Augsburger Stadtwald ist ein Trinkwasse­rschutzgeb­iet. Da wollen wir weniger Schadstoff­e im Boden, also setzen wir auf Laubbäume“, erzählt Kircher. „Da haben wir aber schon das nächste Problem“– er zeigt auf eine Esche, ihre Krone ist seltsam kahl, keine verflochte­nen jungen Triebe, nur ein paar dünne Äste – das Eschentrie­bsterben. Der Übeltäter ist ein Pilz, das Falsche Weiße Stengelbec­herchen. Eingeschle­ppt aus Asien hält er sich dank des milderen Klimas auch in Europa, und rafft so die Eschen dahin. „Es tut weh, das zu sehen.“Er bricht einen Zweig einer jungen Esche ab, er ist morsch, wie ausgetrock­net. „Unsere Hoffnung ist, dass vielleicht fünf Prozent der Eschen das überleben, weil sie resistent sind, und es dann in hundert Jahren wieder größere Population­en geben wird.“Hundert Jahre sind eine lange Zeit, doch im

Wald sind sie gerade mal eine Baumgenera­tion. Auf dem von Nadeln und Blättern bedeckten Boden liegt eine Esche, Kirchers Waldarbeit­er haben sie gefällt. Ein dicker Stamm, zersägt in drei Teile, im Anschnitt wird der Stress sichtbar, dem sie aufgrund des Pilzes und der Trockenhei­t ausgesetzt war. Das Kernholz, dunkler als die restlichen Ringe, sollte sich wie ein Zylinder durch den Baum ziehen, ein gleichmäßi­ger Kreis. Stattdesse­n ist es verzogen, blutet aus in die äußeren Holzschich­ten.

Auch die Fuggersche­n Wälder leiden unter dem Eschentrie­bsterben. Kircher und Dauner haben noch eine weitere gemeinsame Sorge: Windwürfe. Die Stürme Sabine und Bianca, die im Februar durch Bayern zogen, haben Schneisen in die Wälder gerissen. „Vor allem geschwächt­e Bäume, wie die Fichte, die sich noch nicht von den trockenen letzten Jahren erholt hat, werden einfach entwurzelt“, erzählt Dauner.

Die Zeiten für den Wald sind schwierig, nicht nur wegen des Klimas und der Krankheite­n, die ihm folgen. Auch wirtschaft­lich lohnen sie sich heutige weniger als zuvor. Infolge der trockenen Jahre und der beiden Stürme im Spätwinter, gibt es ein Überangebo­t von Holz. Das wirkt sich auch auf den Preis aus. Momentan bekomme er noch etwa 62 Euro für einen Kubikmeter Holz, erzählt Dauner, früher hätte er fast doppelt so viel erhalten. Damit könne er die Aufarbeitu­ngskosten, das Fällen und aus dem Wald holen, decken, aber keinen Betrieb. In Deutschlan­d werden pro Jahr etwa 55 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen, alleine durch Bianca seien aber etwa 10 Millionen Kubikmeter Holz außerplanm­äßig auf den Markt gekommen. Im Jahr 2019 seien als Folge des trockenen Jahres 2018 und des darauffolg­enden Käferbefal­ls 110 Kubikmeter beschädigt­es Holz angefallen. Für Dauner durchaus ein Problem: Die Wälder der Fuggersche­n Stiftung finanziere­n ihre Sozialproj­ekte, unter anderem auch die Fuggerei. Sinken die Einnahmen aus dem Forstgesch­äft muss das anderweiti­g kompensier­t werden.

Der Augsburger Stadtwald dient dagegen vor allem dem Trinkwasse­rschutz und als Naherholun­gsgebiet, die Prioritäte­n sind anders gesetzt. Wirtschaft­licher Erfolg sei daher eher zweitrangi­g, so Forstverwa­ltungschef Jürgen Kircher. Pessimismu­s sei generell nicht angebracht, lacht er: „Der nördliche Teil des Stadtwalds gehört seit 1602 zu Augsburg. Nennen Sie mir eine Aktie, die so lange überdauert hat!“Der Wald wird bestehen, wenn auch in veränderte­r Form.

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Die Augsburger Wälder sind ein wertvoller Schatz. Sie leiden aber auch unter dem Klimawande­l und müssen daher zum Teil „umgebaut“werden. Symbolfoto: Anne Wall
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Fotos: Lisa Katharina Schneider Im unteren Teil des Stammes ist das Kernholz noch rund und gesund, oben ist es sichtbar geschädigt.
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Die Larven des Borkenkäfe­rs haben Gänge durch die Rinde gefräst.
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