Augsburg, eine Geisterstadt
Nachdem der Freistaat das öffentliche Leben weiter einschränkt, blieben die Straßen und Plätze der Stadt am Wochenende leer. Viele Menschen äußern Verständnis für die Maßnahmen, die zu eindrücklichen Szenen führen
Es ist ein Satz, den man in diesen Tagen so oft hört wie nie. „Bleiben Sie gesund“, sagt die Kassiererin in der Tankstelle zu einer Kundin, die gerade gezahlt hat. „Und bleiben Sie gesund“, heißt es beim Bäcker zum Abschied. „Bleib gesund“, sagen die Leute in Augsburg nun nach Telefonaten. Oder sie rufen es sich auf der Straße zu, wenn sie aneinander vorbeigehen, kurz grüßen und dabei darauf achten, Abstand zueinander zu halten, sich nicht zu nahe zu kommen. Doch das ist eine seltene Szene. Augsburg ist vorübergehend eine Geisterstadt geworden.
Seit der Nacht auf Samstag ist das öffentliche Leben in Bayern weiter eingeschränkt, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Menschen dürfen ihre Wohnung nur noch mit triftigem Grund verlassen: zum Einkaufen, zum Arztbesuch, um zur Arbeit oder spazieren zu gehen – das allerdings nur alleine oder mit Familienmitgliedern, Lebenspartnern oder Mitbewohnern.
Die Folgen waren in der Stadt nicht zu übersehen: Sie blieb weitestgehend leer, am Samstag wie am Sonntag. Sonst belebte Orte wie der Rathausplatz oder der Königsplatz waren verwaist, wer durch die Innenstadt ging, traf teils minutenlang niemanden. Straßenbahnen und Busse transportierten nur vereinzelte Kunden, der geringe Autoverkehr sorgte für eine Stille, die es in einer Großstadt sonst nicht gibt.
Ausnahmesituation in jeder Hinsicht, mit der die Menschen in Augsburg allerdings offenbar größtenteils gelassen umgingen. Die Polizei, die an vielen Orten der Stadt präsent war, um die neuen Verordnungen durchzusetzen, berichtet am Sonntag, dass „die aufenthaltsbeschränkende Anordnung mittlerweile überwiegend eingehalten wird“, auch wenn sie einige Bußgeldverfahren gegen Personen einleitete, die sich nach Angaben der Ermittler ohne triftigen Grund im Freien aufhielten oder als Gruppe zusammen waren. So trafen die Beamten einer Polizeistreife in der Nacht auf Sonntag gegen 5 Uhr morgens auf dem Gelände einer Tankstelle in Augsburg etwa 15 Personen, die eng beieinander standen und sich unterhielten, so die Polizei. Beim Anblick der Beamten
die Personen in verschiedene Richtungen davon, drei junge Leute konnten die Polizisten noch aufgreifen, sie erwartet ein Bußgeldverfahren.
Doch das war ein Ausnahmefall. Wer am Wochenende unterwegs war, wollte sich in der Regel die Beine vertreten, etwas vom Bäcker holen, Geld abheben, den Hund rausführen. Was Menschen eben so machen. Manche Familien waren draußen, manche Jogger. Alle hielten Abstand, nahmen Rücksicht. Es herrschte teils auch eine eher bedrückte Stimmung, viele Menschen huschten geradezu mit gesenktem Blick durch die Straßen. Es gab Situationen, die unter anderen Bedingungen undenkbar wären: ein beinahe menschenleerer Rathausplatz am zwar kalten, aber sonnigen Sonntag zum Beispiel, auf dem leEine diglich ein einziger Mann einsam auf seine Tram wartet. Er trägt einen Mundschutz und sagt, er wohne in Kriegshaber und habe nun einen Spaziergang in der Innenstadt gemacht; die Lage empfinde er schon als beklemmend, auch wenn er klar kommen werde. Den Mundschutz habe er vor Wochen gekauft und nutze ihn nun. Mittlerweile seien sie ja überall ausverkauft.
Walter Bobinger ist am Sonntag ebenfalls draußen, zumindest so halb. Er steht am Vormittag hinter einem heruntergelassenen Gitter im Eingangsbereich des Ärztezentrums Salewahaus in der Bahnhofstraße und macht dort sauber. Walter Bobinger ist Hausmeister dort, wie er berichtet, er wohnt dort auch. Bobinger hat seine gute Laune noch nicht verloren. Es helfe ja nichts, sagt er. Man müsse durch diese Pharannten se nun durch. Ob er heute noch einen Spaziergang unternehme? Vermutlich, sagt er, mal schauen. Edith Blon und ihr Lebensgefährte Andreas Schneider machen einen Spaziergang, sie leben in Pfersee und habe bei ihrer Bankfiliale in der Innenstadt Geld abgehoben. Die Situation? Ein bisschen seltsam, aber für sie noch okay, sagen sie. Wer am Samstag in den Supermarkt geht, sieht Kassierer, die Handschuhe tragen und hinter Plexiglasscheiben sitzen, die sie schützen sollen. Beim Bäcker oder in den Apotheken weisen Schilder darauf hin, dass man Abstand halten solle.
Doch am Eindrücklichsten ist, was alles nicht aufhat. Vieles ist geschlossen: Buchhandlungen, Kleidungsgeschäfte, Kinos, Bars, Clubs, Restaurants, auch wenn einige von ihnen noch Essen zum Mitnehmen anbieten. Kirchenglocken läuten, doch Gottesdienste gibt es fürs Erste nicht mehr. Derweil teilt die Stadt Augsburg mit, dass die Zahl der Covid-19-Fälle weiter steigt. Drei zusätzliche bestätigte Fälle am Samstag, sechs weitere am Sonntag, die Gesamtzahl liegt nun bei 52. Einen Todesfall wegen des neuartigen Coronavirus gibt es hier bislang nicht.
An manchen Fensterscheiben hängt seit Kurzem ein Blatt Papier, auf dem junge Leute Nachbarschaftshilfe anbieten. „Wir freuen uns über jeden Einzelnen, dem wir helfen können!“, steht da drauf. Dazu ein Hashtag, ein Schlagwort: Bleibt gesund.