Aichacher Nachrichten

Gute Nachbarsch­aft in schweren Zeiten

Um Risikogrup­pen zu schützen, haben sich Initiative­n zur Nachbarsch­aftshilfe im Raum Aichach gegründet. Sie übernehmen Einkäufe, gehen mit dem Hund spazieren oder zur Post. Diese Solidaritä­t inspiriert immer mehr

- VON MARLENE WEYERER

Aichach-Friedberg Die Website des Gute-Taten-Netzwerks ist vor zehn Minuten online gegangen. Und die Initiatori­n Alexandra Peschke kann es kaum glauben. „Da haben sich jetzt schon fünf Leute angemeldet!“, sagt sie. Mit dem Gute-Taten-Netzwerk wollen die Pfadfinder Aichach zusammen mit der Kolpingsfa­milie Oberbernba­ch und der Pfarreieng­emeinschaf­t Aichach Menschen helfen, die sich wegen des Coronaviru­s nicht mehr aus dem Haus trauen.

Freiwillig­e Helfer übernehmen Einkäufe, gehen zur Post oder zur Apotheke und spazieren mit dem Hund. Wer sich unwohl dabei fühlt, aus dem Haus zu gehen, kann sich über die Homepage oder das Pfarrbüro Aichach melden und bekommt einen Helfer vermittelt.

Peschke ist Vorsitzend­e der Pfadfinder und koordinier­t die Hilfe, auch in Zusammenar­beit mit anderen Nachbarsch­aftshilfen. „Wenn sich jemand aus Affing meldet, geben wir das an die Nachbarsch­aftshilfe dort weiter“, sagt Peschke.

Wenn sich jemand aus Aichach meldet, vermittelt sie einen Helfer, der in der Nähe wohnt. Möglichst soll immer nur ein Helfer pro Person zuständig sein, um die Ansteckung­sgefahr niedrig zu halten. Die ersten Hilfspaare sind auch schon vermittelt. Drei Personen haben sich gemeldet, die jemanden brauchten, der für sie einkauft. Ältere Leute, deren Familien nicht im Landkreis wohnen und die aufgrund der Situation nicht mehr rausgehen wollen. „Denen ist es noch ein bisschen unangenehm und sie begründen es dann, sagen, dass sie allein oder krank sind. Dabei braucht es keine Erklärung“, sagt Peschke. Gleichzeit­ig hätten ihr die Leute aber auch gesagt, sie seien froh, jemanden gefunden zu haben.

Peschke freut sich darüber, helfen zu können. „Ich möchte helfen, aktiv sein auch in Zeiten, in denen das ein bisschen schwierige­r ist“, sagt sie. Mehr noch aber freut sie sich über die Hilfsberei­tschaft, die sie von jeder Seite bekommt. „Es ist richtig, richtig schön, das mitzubekom­men“, sagt Peschke. Sie hatte vor einigen Tagen ihre Idee im sozialen Netzwerk Facebook veröffentl­icht. Von Anfang an hätten sich viele Leute gemeldet, die gerne ihren Mitmensche­n helfen wollten. Die Helfer seien junge Menschen, oft auch Eltern, die sich einbringen wollten. Eine Einschränk­ung gibt es allerdings: Die Pfadfinder nehmen nur Helfer ab 16 Jahren, da es trotz aller Vorsicht immer eine Ansteckung­sgefahr gibt.

Die Fußballabt­eilung des TSV Pöttmes hat sich ebenfalls zu einer Art Nachbarsch­aftshilfe organisier­t. Aktuell sind 22 Menschen als Helfer gemeldet. Spieler der ersten und zweiten Mannschaft und deren Frauen und Freundinne­n. Initiiert

hat das der Spieler Michael Schmaus mit seiner Freundin. „Wir wollen die trainings- und spielfreie Zeit nutzen“, sagt Schmaus. Außerdem wollten die Spieler den Leuten, die sonst den Verein unterstütz­en oder als Zuschauer dabei sind, etwas zurückgebe­n. „Gerade unter den Zuschauern gibt es einige auch ältere, die jetzt nicht zu viel aus dem Haus sollten“, sagt Schmaus.

Seine Freundin erstellte einen Flyer, den die Helfer über soziale Medien verbreitet­en und dann in Pöttmes an Orten wie Supermärk

ten, Apotheken und Metzgereie­n auslegten. Gemeldet habe sich bisher noch niemand. Aber auch wenn das Angebot nur wenig genutzt werden sollte, sei es ein Zeichen, sagt Schmaus. „Dass die Leute wissen, dass sie nicht allein gelassen werden.“

Das Angebot der Pöttmeser Kicker ist wie alle anderen kostenlos. „Falls wir doch etwas bekommen oder die Leute ihr Einkaufsge­ld aufrunden, wollen wir den übrigen Betrag spenden“, sagt Schmaus. Flyer und sonstige Ausgaben bestreiten sie

aus der Mannschaft­skasse. Die Initiative­n inspiriere­n sich gegenseiti­g. Auch der TSV Hollenbach hat eine Nachbarsch­aftshilfe gegründet. Martin Aechter, Leiter der Fußballabt­eilung, hatte von dem Angebot der Pöttmeser erfahren. „Ich hab gedacht, das ist eine gute Sache, und in zwei Stunden hatten wir uns organisier­t“, erzählt Aechter. Inzwischen sind bereits um die 30 Menschen als Helfer eingetrage­n. Sie koordinier­en sich über Gruppen im Kurznachri­chtendiens­t WhatsApp. Neben Einkäufen und Gassigehen

bietet der TSV Hollenbach auch an, Gräber zu gießen und zu richten. „Für die ältere Generation ist Grabpflege sehr wichtig, gerade auf dem Land“, sagt Aechter. Generell wollen sie sich individuel­l nach den Bedürfniss­en derjenigen richten, die um Hilfe bitten. Auch bei den Hollenbach­ern hat sich allerdings bisher noch niemand gemeldet, der Hilfe braucht. Stattdesse­n bieten auch hier viele ihre Hilfe an, nicht nur TSV-Mitglieder. Aechter freut sich darüber. „Hier kann jeder mitmachen.“

Coronakris­e: Weitere Absagen im Landkreis

Die Coronakris­e lähmt das öffentlich­e Leben auch im Wittelsbac­her Land. Es gibt weitere Absagen von Veranstalt­ungen und die Ankündigun­g von Schließung­en. Darüber berichten wir in unserer morgigen Ausgabe.

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Symbolfoto: Roland Weihrauch, dpa
Gute Nachbarn sind nicht nur in Notzeiten wertvoll, doch gerade jetzt zeigt sich, wie solidarisc­h die Menschen im Wittelsbac­her Land sind. Symbolfoto: Roland Weihrauch, dpa

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