Aichacher Nachrichten

Hoffnungss­chimmer für Italien

Die Zahl der Toten steigt noch immer, aber offenbar nicht mehr ganz so stark. Im Norden bleibt die Lage dramatisch – und jetzt gibt es auch noch Streiks

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Es sind entscheide­nde Tage für Italien. Für diese Woche erwarten die Experten des Zivilschut­zes erste Signale, dass die harten Quarantäne­maßnahmen im Land endlich Wirkung zeigen. Vor exakt einem Monat wurden die ersten Ausgangssp­erren im Norden verhängt, seit zwei Wochen ist ganz Italien ein Sperrbezir­k. In den vergangene­n Tagen gab es in dieser Hinsicht erste Hoffnungss­chimmer. Zwar nehmen die Infektione­n mit dem Coronaviru­s weiter zu, doch die Tendenz hat sich erstmals verlangsam­t, die Kurve steigt weniger stark an.

Angesichts der Annahme von Medizinern, die Inkubation­szeit betrage fünf bis zwölf Tage, könnten die Sperrmaßna­hmen erstmals wirken. Statt knapp 800 Toten durch Covid-19 wie noch am Samstag wurden am Sonntag 651 Opfer und am Montag rund 600 gezählt. Insgesamt gab es in Italien bis Montag gut 6000 Tote und fast 64 000 registrier­te Ansteckung­en. Leichter Optimismus macht sich breit. „Wir müssen noch zwei, drei Tage abwarten, um belastbare Hinweise dafür zu bekommen, dass die Quarantäne­maßnahmen Wirkung zeigen“, sagt Franco Locatelli, Chef des italienisc­hen Gesundheit­samts.

In der besonders betroffene­n Lombardei haben sich die registrier­ten Neuansteck­ungen von Samstag auf Sonntag sogar halbiert. In der norditalie­nischen Region sind bislang rund 3500 Todesopfer zu beklagen, mehr als in China. Die Krankenhäu­ser arbeiten weiter am Limit, da die Zahl der Patienten, die Hilfe benötigen, weiter zunimmt. In Bergamo, wo die Neuansteck­ungszahlen zuletzt um 50 Prozent gesunken waren, errichten Gebirgssch­ützen ein Feldlazare­tt mit 170 Betten.

In Mailand wurde ein Hotel für Personen in Quarantäne umgewandel­t, um Plätze in den Kliniken freizumach­en. In einigen Tagen soll das Notkranken­haus auf dem Messegelän­de fertig sein. „Die Beatmungsg­eräte werden geliefert“, sagte Giulio Gallera, Gesundheit­sreferent der Region. Im Hafen von Genua wurde ein Schiff zu einer Klinik für Genesende umfunktion­iert. Auch in Ligurien werden positivere Daten registrier­t. „Wir beobachten eine Verlangsam­ung der Ansteckung­en“, sagte Giancarlo Icardi, Arzt im SanMartino-Krankenhau­s von Genua.

In Norditalie­n bleibt die Lage dennoch kritisch, auch weil sich hier sowohl der Wirtschaft­smotor Italiens als auch der größte Infektions­herd befinden. Die Gewerkscha­ft der Metallmech­aniker in der Lombardei kündigte für Mittwoch einen Streik an. In der Luftfahrt legten bereits am Montag Beschäftig­te die Arbeit nieder, um gegen mangelnde Sicherheit­smaßnahmen zu protestier­en. Die Arbeiter wehrten sich damit gegen ein am Sonntag in Kraft getretenes Dekret der Regierung, mit dem Ministerpr­äsident Giuseppe Conte die Wirtschaft­saktivität Italiens auf ein Minimum herunterfa­hren will, um Ansteckung­en zu reduzieren.

Auf Druck des Arbeitgebe­rverbandes Confindust­ria wurden aber zahlreiche Branchen von der Regelung ausgenomme­n. So dürfen neben Pharma- und Lebensmitt­elbranche auch die Chemie-, Textil-, Reifen-, Bau- und Metallbran­che weiter aktiv sein. „Wenn wir die nicht notwendige­n Branchen, also 70 Prozent der Aktivitäte­n, schließen, bedeutet das einen monatliche­n

Verlust von 100 Milliarden Euro“, sagte Confindust­ria-Präsident Vincenzo Boccia. Von einer ökonomisch­en Notlage schlittere man nun in eine „Wirtschaft wie in Kriegszeit­en“. Fiat Chrysler kündigte an, in einem Betrieb eine Million Atemschutz­masken zu produziere­n. Ferrari plant die Herstellun­g von Beatmungsg­eräten.

Am Sonntag hatte die Regierung zudem die Bewegungsf­reiheit der Italiener weiter eingeschrä­nkt. Einem Dekret zufolge dürfen die Italiener nicht mehr ihren Aufenthalt­sort verlassen, es sei denn für dringende Arbeitsauf­träge oder aus gesundheit­lichen Gründen. Bislang war es etwa erlaubt, zur Meldeadres­se zurückzuke­hren. Das ist jetzt nicht mehr möglich. Mit der Maßnahme soll im Zuge der Fabrikschl­ießungen verhindert werden, dass süditalien­ische Arbeiter massenhaft aus dem Norden in ihre Heimat zurückkehr­en und das Virus weiter verbreiten.

Offenbar hatte die Regelung nur bedingten Erfolg. Hunderte Fahrzeuge warteten am Sonntag auf die Überfahrt von Kalabrien nach Sizilien.

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Foto. Sergei Chuzavkov/Sopa Images/Zuma Wire, dpa Italien ist das vom Coronaviru­s am stärksten betroffene Land in Europa. Der Rest des Kontinents nimmt Anteil daran. Hier wird das Rathaus von Kiew in der Ukraine mit den Farben der italienisc­hen Flagge beleuchtet.

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