Kein Schmerzensgeld für den Bruder
39 Jahre nach dem Tod von Ursula Herrmann gibt es ein weiteres Urteil in dem Fall
Augsburg Seit fast vier Jahrzehnten beschäftigt der Fall der bei einer Entführung umgekommenen Schülerin Ursula Herrmann die Polizei und die Justiz. Obwohl inzwischen ein rechtskräftig verurteilter Mann eine lebenslange Haftstrafe absitzt, zweifeln viele immer noch daran, dass dieser der wahre und alleinige Täter ist. Auch der Bruder des Opfers hat diese Zweifel. Er hat deswegen den verurteilten Kidnapper auf Schmerzensgeld verklagt. Das Oberlandesgericht München (OLG) wies am Dienstag diese Klage aber ab.
Die Entführung der zehnjährigen Ursula im Jahr 1981 am Ammersee gehört zu den aufsehenerregendsten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das entführte Mädchen wurde damals in einer vergrabenen Kiste eingesperrt, es erstickte. Erst nach 27 Jahren wurde ein Beschuldigter festgenommen und dann wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge verurteilt. Der Mann bestreitet bis heute, etwas mit der Gewalttat zu tun zu haben.
In dem neuen Verfahren ging es nun darum, dass Ursulas Bruder Michael Herr- mann Schmerzensgeld von dem im Gefängnis sitzenden Mann verlangt hatte. Der in Augsburg sitzende OLG-Senat entschied, dass Herrmann keinen Schadenersatz erhält – obwohl im Grunde unstrittig ist, dass der 56-Jährige als Spätfolge des Verbrechens an Tinnitus leidet. Das OLG hob damit ein gegensätzliches Urteil einer Zivilkammer des Landgerichts Augsburg auf. Herrmann hatte nach einem Gutachten die Gesundheitsschädigung in Zusammenhang mit der Festnahme des Beschuldigten im Jahr 2008 und dem anschließenden Strafprozess erlitten. In erster Instanz hatte der Bruder deswegen 7000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen bekommen. Die Richter des OLG wiesen hingegen darauf hin, dass der zeitliche Abstand zwischen dem Verbrechen und den Beschwerden Herrmanns zu groß sei. So habe „eine etwa 27 Jahre nach der Tat eingetretene psychische Erkrankung jedenfalls nicht den für die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs erforderlichen Charakter
eines schockartigen Eingriffs in die Gesundheit“, heißt es im Urteil.
Es ging Herrmann allerdings in dem Prozess gar nicht so sehr darum, wirklich Geld einzuklagen. Er wollte durch den Zivilprozess Bedenken an dem Strafurteil ausräumen. Der Bruder hat Zweifel daran, dass der Richtige für das Verbrechen an seiner Schwester verurteilt wurde. „Vieles spricht dafür, dass ein Unschuldiger seit zehn Jahren im Gefängnis sitzt“, schrieb Bruder Michael Herrmann 2018 in einem offenen Brief an die bayerische Justiz. Doch weder die Zivilkammer des Augsburger Landgerichts vor zwei Jahren noch nunmehr das Oberlandesgericht ließen Zweifel an der Korrektheit des Strafurteils erkennen.