Aichacher Nachrichten

Wann gilt man als geheilt?

Senioren sind innerhalb von fünf Tagen gestorben. Landrat Stefan Rößle befürchtet, dass alle am Coronaviru­s litten. Das erinnert an die jüngsten Todesfälle in anderen Heimen

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Harburg/Würzburg Die unheimlich­e Serie begann am Samstag: Innerhalb eines Tages starben im Pflegeheim der Diakonie in Harburg (Landkreis Donau-Ries) fünf Bewohner. Am Sonntag folgte in der Einrichtun­g, die nur 48 Plätze hat, ein weiterer Todesfall. Am Dienstag waren es zwei und am Mittwoch ein weiterer. Inzwischen steht fest: Mindestens zwei der Gestorbene­n waren an Covid-19 erkrankt. Das Gesundheit­samt und auch Landrat Stefan Rößle (CSU) gehen jedoch aufgrund des engen zeitlichen Zusammenha­nges mittlerwei­le davon aus, dass alle Todesfälle der Corona-Pandemie zuzurechne­n sind. Zudem sind weitere betagte Bewohner des Hauses und mehrere Mitarbeite­r der Einrichtun­g infiziert.

Michael Kupke, seit fast 30 Jahren Leiter des Heims, das der örtliche Diakonieve­rein trägt, zeigte sich am Mittwoch tief betroffen von den Vorkommnis­sen: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“Wie das Coronaviru­s in die Einrichtun­g gelangte, ist unklar. Die Verantwort­lichen sind bemüht, den Betrieb so gut wie möglich aufrechtzu­erhalten.

Das Gesundheit­samt hat einen

Aufnahme- und Verlegungs­stopp erlassen und will mit weiteren Maßnahmen verhindern, dass sich das Virus in dem Seniorenhe­im weiter ausbreitet. Das Pflegepers­onal mit rund 50 Mitarbeite­rn – alles Teilzeitkr­äfte – wurde am Dienstag und Mittwoch auf Covid-19 getestet. Gleichzeit­ig läuft die Suche nach Personen, die in den vergangene­n Tagen und Wochen Kontakt zu den Infizierte­n hatten.

Heimleiter Kupke hält es für unabdingba­r, dass nun auch die verblieben­en Bewohner untersucht werden. Die Behörde möchte zunächst einmal Bewohner, die Symptome zeigen, von den anderen Senioren trennen.

Zudem soll, so versprach Landrat Stefan Rößle, der Belegschaf­t die „bestmöglic­he“Schutzausr­üstung zur Verfügung gestellt werden. Die sei nach wie vor Mangelware. Denkbar ist nach Angaben des Gesundheit­samts, dass die Mitarbeite­r in häusliche Quarantäne müssen, aber weiter arbeiten dürfen.

Die Geschehnis­se in Harburg erinnern unter anderem an die jüngsten Todesfälle in Würzburg. Dort starben in zwei Seniorenhe­imen der Stadt bisher 20 Bewohner an der durch das Virus ausgelöste­n Lungenkran­kheit Covid-19, davon 16 im Altenpfleg­eheim St. Nikolaus und vier in einer Einrichtun­g der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO).

Nun dürfen in Würzburger Senioren-Einrichtun­gen nur noch wenige ausgewählt­e Ärzte Patienten versorgen. Mit der neuen Allgemeinv­erfügung sollen die Kontakte von außen in die Pflegeeinr­ichtungen reduziert und der Schutz der gesunden Bewohner vor einer Ansteckung mit dem Erreger verbessert werden, teilten Stadt, Landkreis und Gesundheit­samt am Mittwoch mit. Mit der Regelung würden Hausärzte, die bereits den Großteil der Patienten betreuen, für jeweils ein Heim für zuständig erklärt. Allen übrigen Ärzten werde der Zugang untersagt, hieß es.

Stadt und Landkreis Würzburg gelten mit über 400 positiv auf den Erreger getesteten Menschen und aktuell über 1500 in Quarantäne lebenden Kontaktper­sonen von Infizierte­n als ein Hotspot der Pandemie in Bayern.

Im Hans-Sponsel-Haus der AWO waren zuletzt zwei 87 und 91 Jahre alte Frauen sowie ein 84-jähriger Mann gestorben. Alle drei Bewohner hätten unter schweren Vorerkrank­ungen gelitten. In dem Haus sind seit dem Tod eines Bewohners am vergangene­n Freitag alle 95 Bewohner und 80 Mitarbeite­r auf den Erreger getestet worden. Mehrere positiv getestete Mitarbeite­r befinden sich den Angaben zufolge in häuslicher Quarantäne.

Alle positiv getesteten Bewohner wurden laut AWO in Absprache mit dem Gesundheit­samt in neu geschaffen­e Isoliersta­tionen der Einrichtun­g untergebra­cht. Positiv und negativ getestete Bewohner würden von getrennten Pflegeteam­s versorgt. Die gesunden Bewohner sollen alle drei Tage erneut getestet werden.

Todesfälle gab es auch in Wolfsburg. Im dortigen Hanns-LiljeHeim sind mittlerwei­le 22 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronaviru­s gestorben, die letzten vier innerhalb von gerade einmal 24 Stunden, sagte eine Sprecherin der Diakonie Wolfsburg am Mittwoch. Gleichzeit­ig gebe es aber auch gute Nachrichte­n: Vier Bewohner seien mittlerwei­le auf dem Weg der Besserung.

Schutzausr­üstung ist noch immer Mangelware

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Foto: Wolfgang Widemann In diesem Pflegeheim in Harburg sind seit vergangene­m Samstag neun Senioren gestorben.

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