Soll Deutschland für italienische Schulden haften?
In der Koalition bröckelt der Widerstand gegen europäische Corona-Anleihen
Brüssel/Berlin Für Länder wie Italien oder Spanien wären sie eine Möglichkeit, in der Coronakrise günstig an Geld zu kommen, weniger klamme Regierungen allerdings halten sie für ein ökonomisches Klumpenrisiko: gemeinsame europäische Anleihen, sogenannte Corona-Bonds, bei denen die reichen Euro-Länder für die Schulden der ärmeren Staaten mithaften. In der Finanzkrise 2008/2009 haben sich die Skeptiker noch erfolgreich gegen die Einführung solcher Papiere gewehrt. Nun allerdings bröckelt der Widerstand – auch in Deutschland.
Euro-Bonds könnten „am Ende sinnvoll sein, aber eben erst am Ende“, betonte der frühere CDUEuropaabgeordnete und MerkelVertraute Elmar Brok gegenüber unserer Redaktion. „Bonds sind ein gutes Instrument, um zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten hohe Risikozuschläge für Darlehen zu zahlen haben.“Allerdings müssten diese Anleihen begrenzt, zweckgebunden und in der gegenseitigen Haftung beschränkt sein. Für die schnelle Hilfe gebe es die Mittel der EU-Kommission, der Europäischen Entwicklungsbank sowie den Rettungsfonds EMS, aus denen schon 800 Milliarden Euro bereitgestellt worden seien. „Diese Gelder können genutzt werden – und am Ende die Bonds, wenn man merkt, dass es nicht reicht.“Europa müsse bei der Wahl seiner Instrumente begreifen, so Brok, dass diese Krise „nur europäisch bewältigt werden kann“.
Bisher ist vor allem in der Union der Widerstand gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden groß. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) denkt ähnlich, ist aber in seiner Partei in der Minderheit. Die Einführung solcher Bonds, sagt etwa Parteichef Norbert Walter-Borjans, gebiete schon die europäische Solidarität: „Wenn wir uns nicht auf die zurückbesinnen, wird dieses Europa atomisiert.“Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein, dagegen warnt: Italien versuche, seine ganze finanzpolitische Misere auf Corona zu schieben. „Schon deshalb kommen CoronaBonds nicht infrage.“Ähnlich argumentiert sein CDU-Kollege Andreas Jung: „Solidarität in der Krise heißt jetzt Nothilfe.“Neben grundsätzlichen Bedenken seien Bonds schon deshalb nicht das Mittel der Wahl, weil sie gar nicht so kurzfristig umgesetzt werden könnten.
Gemeinsame Anleihen haben vor allem ein Ziel: Sie sollen die Zinsen für besonders krisengeplagte Länder
Umfrage: Auch die Wähler sind gespalten
niedrig halten. Solange alle europäischen Länder gemeinsam haften, profitieren sie von dem Vertrauen der Finanzmärkte in finanziell solide Staaten wie Deutschland oder Österreich. Vor allem italienische Politiker rufen immer lauter nach einem großen europäischen Rettungsplan. Um die Vergemeinschaftung von bereits aufgelaufenen Altschulden gehe es dabei nicht.
Die Deutschen selbst sind in der Frage der Corona-Bonds ähnlich gespalten wie die Koalition: Während sich in einer Umfrage des Civey-Institutes für unsere Redaktion 39,8 Prozent der Befragten dafür aussprechen, dass die EU-Mitgliedstaaten zur Bewältigung der CoronaPandemie Schulden mit gemeinschaftlicher Haftung aufnehmen, sind 40,3 Prozent dagegen. Am vehementesten lehnen die Anhänger von AfD und FDP die Gemeinschaftsanleihen ab. Die Anhänger der Union sind mehrheitlich gegen Corona-Bonds. Wähler der Grünen, der SPD und der Linkspartei sprechen sich dagegen tendenziell eher für die Gemeinschaftsanleihen zur Bewältigung der Corona-Pandemie aus.