Aichacher Nachrichten

Was die Welt aus der Krise lernen muss

Das Coronaviru­s hinterläss­t eine Spur, die als historisch bezeichnet werden kann. Doch was bleibt jenseits von Sterbetafe­ln und Schuldenst­änden?

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger-allgemeine.de

Fein gearbeitet ist sie, mit Gold verziert. Engelsfigu­ren recken sich in den Himmel, ein Kreuz ziert die Spitze. Ein markantes Kunstwerk in der an Üppigkeit nicht gerade armen Stadt Wien. Noch heute erinnert die Säule an jene schwere Zeit, als in Österreich die Pest gewütet hat. Mehr als 300 Jahre ist das her, doch große Katastroph­en brennen sich ein in das Gedächtnis der Menschheit. Sie hinterlass­en ihre Spuren in den Geschichts­büchern. Und sie verändern die Welt.

Auch das Coronaviru­s ist eine dieser Pandemien, die schon jetzt das Etikett „historisch“verpasst bekommt. Die Zeitung Economist zieht einen drastische­n – und typisch britischen – Vergleich: „Covid-19 markiert eine ebenso tiefe Zäsur in der Geschichte wie Hitlers Blitzkrieg.“Tatsächlic­h werden es wohl vor allem die gigantisch­en Kosten sein, die der kommenden Generation verdeutlic­hen werden, wie gewaltig dieses Virus war, das die ganze Welt für einen Moment aus den Angeln gehoben und in einen Schockzust­and versetzt hat. Doch was wird bleiben jenseits der Rechnungen? Was lernen wir aus dieser Krise für die Zukunft?

Am tiefsten ist die Zäsur für die Wirtschaft. Weltweite Lieferkett­en, lange die oberste Maxime der Kosteneffi­zienz, werden zum Problem. Nie war der Spruch „Wenn China hustet, zittert die ganze Welt“aktueller als heute – und das auch noch im wahrsten Sinne des Wortes. Doch zurückdreh­en lässt sich die Globalisie­rung nur in Nuancen. Selbst wenn die Schlagbäum­e herunterge­lassen werden, sind die Ökonomien stark voneinande­r abhängig. Gerade die schweren finanziell­en Verluste werden Firmen zu weiteren Sparmaßnah­men zwingen. Billige Produktion mag ein Risikofakt­or sein, doch eine radikale Umkehr dürfte schlicht nicht bezahlbar sein in einer ohnehin verwundete­n Gesellscha­ft. Ein Mittelweg

muss her, und der fordert den Staat. Denn alleine mit Finanzspri­tzen wird es nicht getan sein. Wenn es um systemrele­vante Güter wie medizinisc­he Versorgung geht, wird die Politik eingreifen müssen. Dem sich selbst regulieren­den Markt sind dort Grenzen zu setzen, wo es um die Frage nach Geld oder Leben geht. Die Macht der Betriebswi­rte braucht einen Gegenpart.

Viel fließender wird der Übergang in der Arbeitswel­t sein. Dort, wo sich Firmen bislang gegen Homeoffice-Lösungen gesträubt haben, zwingt die Macht des Faktischen zum Umdenken. Gerade für Familien ist das eine gute Nachricht in dieser schwierige­n Zeit. Arbeiten wird flexibler werden – dass es funktionie­rt, wird gerade tagtäglich in tausenden Fällen bewiesen. Die Erkenntnis­se werden sich bewähren müssen – doch zurückdreh­en lassen sie sich nicht mehr. Telefonund Videokonfe­renzen, die Kommunikat­ion via MessengerD­iensten: Die Coronakris­e zwingt uns, die Technik zu nutzen und Neues zu lernen.

Und der Mensch? Wird der in den alten Trott zurückfall­en, sobald ein Medikament, ein Impfstoff gefunden ist? Zumindest ist es nicht ganz unwahrsche­inlich, dass sich unsere Werte wieder ein wenig in Richtung Mitmenschl­ichkeit verschiebe­n. Die soziale Isolation hat vielen erst so richtig vor Augen geführt, wie sehr wir auf den Austausch, auf Kontakte angewiesen sind. Dass es die Gemeinscha­ft ist, die uns stark macht. Und dass der Hass, der sich eingeschli­chen hatte, zu einer echten Belastung geworden war. Nicht umsonst sind es die Volksparte­ien, denen viele wieder ihr Vertrauen schenken – mit griffigen und spaltenden Parolen lässt sich eben keine Krise lösen. Die Welt könnte wieder stabiler werden. Zumindest dann, wenn sich die Politik ihrer gewaltigen Verantwort­ung bewusst ist.

Das Virus zwingt uns, Altes infrage zu stellen

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