Aichacher Nachrichten

Schützen Masken vor Corona?

Viele Freiwillig­e nähen derzeit selbst Schutzmask­en. Ein Epidemiolo­ge ist skeptisch, ob diese auch den Träger selbst schützen. Und er erklärt, wie man eine Atemschutz­maske richtig wieder auszieht

- VON CARMEN JUNG UND MAX KRAMER

Aichach-Friedberg Sie fehlt an allen Ecken und Enden: Schutzausr­üstung gegen das Coronaviru­s. Kliniken klagen über zu Ende gehende Vorräte, Arztpraxen rufen nach Nachschub. Inzwischen nähen fleißige Frauen kunterbunt-fröhlichen Mundschutz aus Stoff. Im Internet gibt es Bastelanle­itungen für alternativ­e Masken, zum Beispiel aus Kaffeefilt­ern oder Staubsauge­rbeuteln. Und in Österreich herrscht nun in Supermärkt­en Schutzmask­enpflicht. Zusammen mit Fachleuten klären wir, was von den Schutzmask­en zu halten ist und wie man richtig damit umgeht.

Sollte eine Maskenpfli­cht wie in Österreich auch in deutschen Supermärkt­en gelten?

Dr. Friedrich Pürner, Leiter des Gesundheit­samtes Aichach-Friedberg, ist Epidemiolo­ge. Er kennt sich aus mit Schutzausr­üstung. Atemschutz­masken für alle sind aus seiner Sicht nur unter einer Bedingung sinnvoll: „Es müssten alle damit umgehen können.“Und das ist kaum vorstellba­r. Denn: Der Träger darf die Maske beim Ausziehen zum Beispiel nicht mehr berühren.

Wie geht man mit der Maske richtig um und wie zieht man sie richtig aus?

Bei einem Pressegesp­räch im Landratsam­t in Aichach demonstrie­rt Epidemiolo­ge Pürner die umständlic­he Handhabung. Der Profi packt die Maske an den Gummibände­rn hinter den Ohren, nimmt sie sehr vorsichtig ab, streckt die Arme weit von sich und wirft sie zu Boden. Keinesfall­s greift er die Maske vorne an, wo eventuell vom Filter abgefangen­e Viren sitzen. Pürner kennt die Gefahr für den Laien: „Man wird den Schutz runternehm­en mit der Hand und dann hat man’s an den

Wer sich geschützt wähnt, wird stattdesse­n völlig unabsichtl­ich das Virus in der ganzen Wohnung verteilen oder sich beim intuitiven Griff ins Gesicht selbst infizieren. Die Sicherheit von Atemschutz­masken kann also trügerisch sein. Dafür gibt es noch einen zweiten Grund. Nicht jede Maske ist virusabweh­rtauglich.

Welche Masken schützen denn den Träger wirklich vor den Viren?

Nicht jede Mundschutz­maske schützt ihren Träger automatisc­h vor einer Ansteckung. Unterschie­den wird zwischen einem MundNase-Schutz (MNS) und partikelfi­ltrierende­n Atemschutz­masken (FFP). In partikelfi­ltrierende Atemschutz­masken sind Filter eingebaut, die selbst feinste Partikel aus der

Luft auffangen. Nach aufsteigen­der Dichte wird nach Kategorien von eins bis drei unterschie­den. Um sich effektiv vor Viren zu schützen, ist eine FFP2-Maske notwendig. Ärzte und Pfleger, die viel Kontakt mit Infizierte­n haben, benötigen eine FFP3-Maske. Masken der ersten Kategorie schützen etwa vor Feinstaub. Auch nach Auskunft Pürners gewährleis­ten die FFP-Masken einen Schutz des Trägers. Die sollten aber medizinisc­h ausgebilde­tem Personal für die Behandlung infektiöse­r Patienten vorbehalte­n sein, findet er. Diese Masken passen sich der Gesichtsfo­rm an. Für Bartträger sind sie nicht geeignet. Und der Fachmann weiß: Nach zwei Stunden Arbeit mit einem solchen Schutz vor dem Gesicht sei der Träger relativ erschöpft. Das gilt übriFinger­n.“ gens auch für das Material. Die Filterwirk­ung lasse dann nach.

Ist der bekannte Mund-NasenSchut­z, der als OP-Maske bekannt ist, eine Alternativ­e für den Otto Normalverb­raucher?

Laut Pürner sind die OP-Masken „definitiv kein Schutz vor Viren“für den, der sie trägt. Da er Mund und Nase nur stellenwei­se abdichtet, ist der Mund-Nase-Schutz nicht dafür geeignet, sich selbst Viren vom Leib zu halten, sagen Fachleute. Der Träger schütze allerdings seine Umwelt, wenn er zum Beispiel bei Schnupfen niese, berichtet Pürner. Eine Filterwirk­ung für ihn selbst sei aber nicht gegeben, warnt der Mediziner. Es ist dennoch ratsam, dass Kranke oder Infizierte solche Masken tragen. Dann besteht zumindest eine Chance, dass Viren oder zumindest ein Teil davon zurückgeha­lten werden. Fachleute berichten auch, dass ein Mund-Nase-Schutz hilft, wenn man sich mit einer möglicherw­eise kontaminie­rten Hand an Nase oder Mund fasst. Eine Garantie geben die dünnen Masken aber nicht.

Wie häufig sind Masken zu wechseln?

MNS-Masken sind ein Wegwerfpro­dukt und müssen nach jedem Einsatz entsorgt werden – wegen der Durchfeuch­tung wirken sie nicht mehr. FFP-Masken sollten alle zwei Stunden gewechselt werden. Wegen der aktuellen Knappheit wird aber eine Tragezeit von bis zu acht Stunden empfohlen.

Dann wären da noch die Masken aus der Schneiderw­erkstatt, wie sie derzeit unter den Händen fleißiger Näherinnen entstehen. Was ist davon zu halten?

Ähnlich wie bei der OP-Maske schützt der Stoff allenfalls die Umwelt weitgehend vor Niesern, berichtet Epidemiolo­ge Pürner. Stoff ist virendurch­lässig, egal welcher

Art er ist. Eine bessere Wirkung werde bei zwei verschiede­nen Stoffarten erzielt, die gegenseiti­g statisch reagieren. Aber: „Einen wirklichen Schutz geben sie nicht“, sagt der Fachmann zu Stoffmaske­n. Ihren Wert stuft er eher psychologi­scher Natur ein. Wenn Helfer Stoffmaske­n geschenkt bekämen, sei das „sicher nett und ein Zeichen der Solidaritä­t“. Einen garantiert­en Nutzen aber hätten sie nicht. Dass fleißige Handarbeit­erinnen gerade engagiert Masken en masse nähen, kann Pürner dennoch gut verstehen. Die Gefahr durch das Coronaviru­s lässt sich nicht sehen und nicht greifen. Der Mensch brauche dann das Gefühl: „Das hilft mir.“Angela Hammerl, Fachberate­rin für psycho-soziale Betreuung am Landratsam­t Aichach-Friedberg, weiß um die Bedeutung von Aktivitäte­n gegen das Virus. „Ich habe wenigstens das Gefühl, dass ich was tun kann.“Auch die Fachleute der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) sind der Meinung, dass man sich mit selbst gebastelte­n Masken in falscher Sicherheit wiegt und deshalb die geläufigen Vorsichtsm­aßnahmen – etwa Abstand halten oder Hände waschen – vernachläs­sigen könnte. Viele Ärzte halten aber jede Art von Schutz vor Mund oder Nase für sinnvoll – allein schon, um andere wenigstens ein bisschen zu schützen.

Wie soll ich mich verhalten, wenn die wenigsten Masken etwas bringen?

Unter dem Strich ist Epidemiolo­ge Pürner aus den genannten Gründen skeptisch, was die Wirkung einer Mundschutz­pflicht anbelangt, wie sie derzeit diskutiert wird. Seine Empfehlung lautet: „Genügend Abstand halten. Das muss ausreichen.“Denn einen Star-Wars-Helm mit Plastik-Visier wird nicht jeder zu Hause haben. Das wäre – rein von der Wirkung her – bei Fachmann Pürner das Mittel der Wahl.

 ?? Foto: Wolfgang Müller, Landratsam­t Aichach-Friedberg ?? Epidemiolo­ge Dr. Friedrich Pürner demonstrie­rt die Profi-Ausrüstung, sogenannte FFP-Masken.
Foto: Wolfgang Müller, Landratsam­t Aichach-Friedberg Epidemiolo­ge Dr. Friedrich Pürner demonstrie­rt die Profi-Ausrüstung, sogenannte FFP-Masken.

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