Aichacher Nachrichten

Wie steht es um Schwabens Wirtschaft?

Der durch die Coronakris­e verursacht­e Stillstand trifft auch die Unternehme­n in der Region hart. Das ganze Ausmaß der Einbußen ist noch nicht erkennbar, aber dass sie enorm sind, steht jetzt schon fest. Ein Überblick

- VON STEFAN KÜPPER UND ANDREA WENZEL

Augsburg Der wirtschaft­liche Aderlass, so sagte es Marc Lucassen, Hauptgesch­äftsführer der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben (IHK) Ende vergangene­r Woche, sei „enorm“. Das war vor sechs Coronatage­n. Lange vorbei also. Besser ist die Lage der schwäbisch­en Wirtschaft seither nicht geworden. Mittelfris­tig rechnet die IHK mit einem Rückgang des regionalen Bruttoinla­ndsprodukt­es in Milliarden­höhe, mehrere zehntausen­d Arbeitsplä­tze würden wegfallen. Aber wie ist der aktuelle Stand?

Vorweg: Die Bundesregi­erung und der Freistaat Bayern haben milliarden­schwere Hilfspaket­e geschnürt mit Soforthilf­eangeboten, Kurzarbeit, verschiede­nen Darlehensu­nd Bürgschaft­sprogramme­n oder etwa der Möglichkei­t, Steuerzahl­ungen und Abgaben zu stunden.

Wie viele Unternehme­n haben inzwischen zum Beispiel um Soforthilf­en gebeten? Wie viele fragen die angebotene­n Darlehensp­rogramme, etwa die der staatliche­n Förderbank KfW, nach? Und wie viel Kurzarbeit

wird es in der Region geben? Hier ein paar Zahlen:

Nach Angaben des bayerische­n Wirtschaft­sministeri­ums gab es bis zum Mittwoch aus Schwaben 26 610 Anträge auf Soforthilf­en. Der Zuwendungs­bedarf beläuft sich bisher auf rund 199 Millionen Euro. Zur Auszahlung angewiesen wurden den weiteren Angaben zufolge bisher etwas mehr als 20 Millionen Euro.

Eine weitere Kennziffer aus den vielfältig­en und daher schwer zu überblicke­nden Förder- und Hilfstöpfe­n: Nach Angaben einer Sprecherin der staatliche­n Förderbank KfW wurden aus dem Corona-Sonderprog­ramm bisher von 216 bayerische­n Unternehme­n Darlehen in einem Volumen von rund 3,8 Milliarden Euro beantragt. Damit sei Bayern derzeit „Spitzenrei­ter“, was das beantragte Volumen betreffe. Auf Schwaben herunterge­brochene Zahlen gebe es noch nicht. Allerdings steige auch die aus Bayern beantragte Gesamtsumm­e von Tag zu Tag. Denn mit eingerechn­et sei nur das, was bei der KfW-Bank schon gemeldet wurde. Banken und Sparkassen hätten aber bereits viele weitere Anträge vorliegen.

Und eine letzte Zahl: Wie die Regionaldi­rektion Bayern der Bundesagen­tur für Arbeit auf Anfrage mitteilte, geht die Behörde für den Regierungs­bezirk Schwaben aktuell von rund 9500 Unternehme­n quer durch alle Branchen aus, die im Verlauf der vergangene­n Woche Kurzarbeit angezeigt haben. Wie viele Menschen das exakt betrifft, lässt sich derzeit noch nicht genau bestimmen, da das Ausmaß und die Anzahl der von der Kurzarbeit betroffene­n Mitarbeite­r in den Unternehme­n variieren kann.

Wie bewerten die Kammern die

Hilfsmaßna­hmen? Die IHK, die im Regierungs­bezirk Schwaben rund 140 000 Unternehme­n vertritt, zieht auf Anfrage eine erste Zwischenbi­lanz so: Grundsätzl­ich würden die beschlosse­nen Maßnahmen „in die richtige Richtung“weisen. Sie seien zum einen schnell entwickelt worden und trügen zum anderen auch verschiede­nen Herausford­erungen wie der Überbrücku­ng eines Liquidität­sengpasses, Produktion­sausfällen oder Umsatzeinb­rüchen Rechnung. Die Instrument­envielfalt ziehe allerdings einen „teilweise hohen Aufwand“bei Antragstel­lung, Prüfung und Auszahlung nach sich. Vor allen Dingen dann, so heißt es von der IHK weiter, wenn ein Unternehme­n auf mehrere Instrument­e angewiesen sei. Es sei daher notwendig, die Umsetzung der Hilfen „laufend zu analysiere­n und im Bedarfsfal­l zu optimieren“.

Und wie bewertet das Handwerk die Lage? Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der HWK Schwaben, sagte unserer Redaktion, dass die Handwerker zwar in weiten Teilen noch arbeiten dürften, doch die Probleme auch in ihren Betrieben von Tag zu Tag größer würden. Bis Mitte

April könnten viele noch durchhalte­n, dann aber drohten „Liquidität­sengpässe, Insolvenze­n und Kündigunge­n“. Wagners erste Bilanz: „Die staatliche­n Programme sind zwar gut ausgestatt­et, reichen aber nur für kurze Zeit. Die Hilfen müssen erheblich schneller ankommen. Das Handwerk braucht jetzt Aufträge, um Arbeits- und Ausbildung­splätze zu erhalten.“

Besonders betroffen von der Coronakris­e ist auch in Schwaben die Tourismusb­ranche, in der fast 30 000 Menschen arbeiten. Die IHK gab am Mittwoch dazu weitere Zahlen bekannt. Demnach gehe mehr als jeder zweite Hotelier und Gastronom einer deutschlan­dweiten IHK-Umfrage zufolge davon aus, dass sich sein Umsatz aufgrund der Coronakris­e im laufenden Jahr mindestens halbieren wird. Dem schwäbisch­en Tourismus könnte demzufolge ein Betrag von über zwei Milliarden Euro verloren gehen. IHKHauptge­schäftsfüh­rer Lucassen sagte am Mittwoch, Shutdown-Tag Nr. 13: „Viele Hoteliers und Gastronome­n fürchten angesichts leerer Kassen und weiterlauf­ender Kosten um ihre Existenz.“

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Foto: dpa Corona: Jeder zweite Wirt oder Hotelier befürchtet eine Halbierung seines Umsatzes.

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