Aichacher Nachrichten

Paradiesis­che Zeiten für Doper

Wegen des Coronaviru­s finden keine Dopingkont­rollen mehr statt. Das öffnet dem Betrug Tür und Tor. Die Nada arbeitet an einem alternativ­en Test. Experten zweifeln aber

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Es ist eine Situation, wie sie der Sport seit den 1970er Jahren nicht mehr kennt. Der Anti-Doping-Kampf liegt brach. Inmitten der Coronakris­e hat die dafür zuständige Nada alle Kontrollen eingestell­t. Zu groß ist das Risiko, dass sich Kontrolleu­re und Sportler gegenseiti­g mit dem Virus anstecken. Die Nada teilt auf Anfrage mit, sie arbeite an „innovative­n Lösungen, um die sauberen Sportlerin­nen und Sportler während der Coronakris­e zu unterstütz­en“.

Eine Alternativ­e soll der „Dried Blood Spot (DBS) Test“sein. Es handelt sich dabei um eine Technik mit mehr als 50 Jahren Tradition, die beim Neugeboren­en-Screening zur Erkennung von Stoffwechs­elstörunge­n eingesetzt wird. Der Athlet müsste einen Tropfen Blut auf einen Teststreif­en träufeln und diesen dann an das Labor der Deutschen Sporthochs­chule in Köln schicken. Dieses verfügt über die notwendige technische Ausstattun­g, um die in einem Blutstropf­en enthaltene­n Substanzen zu untersuche­n. Man muss allerdings kein

Fachmann sein, um zu erkennen, dass bei dieser Methode dem Betrug Tür und Tor geöffnet wären. Zwar sollen die Sportler den Vorgang offenbar filmen, um zu dokumentie­ren, dass das Blut tatsächlic­h von ihnen stammt und an besagtem Tag entnommen wurde. Wer wollte aber dennoch garantiere­n, ob der Tropfen, der im Labor ankommt, auch der ist, der tags zuvor aus dem Finger des Athleten tropfte?

Die Problemati­k sieht auch einer der renommiert­esten deutschen DopingFors­cher. Professor Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizin­ische und Pharmazeut­ische Forschung in Heroldsber­g bei Nürnberg, hält das Aussetzen der direkten Kontrollen bei Sportlern dennoch für alternativ­los. „Es ist momentan eben so, und das wird auch noch einige Zeit so bleiben“, sagt er.

Die Problemati­k sei nun, dass Doper die wettkampff­reie Zeit völlig ungestört nutzen können. „Wer will, kann jetzt nachhelfen. Und zwar über einen Zeitraum, wie wir ihn seit Montreal 1976 nicht mehr kennen. Bei allen Schwächen, die das System hat, gab es seit damals zumindest den Versuch, Doping in den Griff zu bekommen.“

Den Versuch der Nada, die Situation mit dem DBS-Test irgendwie in den Griff zu bekommen, sieht er kritisch. Der Test selbst sei zwar gut, auch wenn die Nachweisem­pfindlichk­eit angesichts der geringen Menge nicht mit einer normalen Blutprobe vergleichb­ar sei. „Aber es stellt sich natürlich die Frage, wie es mit der Fälschungs­sicherheit ist.“Es seien auch schon vermeintli­ch fälschungs­sichere Urinfläsch­chen geöffnet und wieder verschloss­en worden. „Also wird es auch hier Wege geben, das System auszutrick­sen“, sagt Sörgel. Eine Lösung des Dilemmas hat aber auch er nicht parat. „Ich wüsste nicht, wie wir es sonst machen sollen.“

Auch der Doping-Experte Hajo

Seppelt weiß keinen Ausweg. „Ich finde es richtig, dass die Nada in Deutschlan­d alles unternimmt, um zu versuchen, handhabbar­e Lösungen zu finden und die Kontrolllü­cke zu schließen. Aber natürlich dürfte die Nada auch wissen, dass diese Selbsttest­s nur suboptimal sein können“, sagte der Investigat­ivjournali­st der Mainpost.

Man dürfe sich nichts vormachen: Dopingkont­rollfreie Phasen seien ein ideales Schlupfloc­h für potenziell­e Betrüger. Seppelt: „Das gilt für jedes Land der Welt. Wir können davon ausgehen, dass Doping auch Langzeitef­fekte hat, wie Tierversuc­he mit muskelaufb­auenden Präparaten gezeigt haben. Wenn man sich jetzt beim Krafttrain­ing zu Hause die Anabolika reinschieb­t und kein Kontrolleu­r vorbeikomm­t, dann kann man einen erhebliche­n Kraftzuwac­hs gewinnen, von dem man unter Umständen auch noch in einem Jahr ein Stück weit profitiere­n kann.“

Da viele verbotene Substanzen nur für einen gewissen Zeitraum nachweisba­r sind, ist das Risiko, erwischt zu werden, äußerst gering. Paradiesis­che Zeiten für Doper.

Dopingmiss­brauch hat Langzeitef­fekte

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Foto: dpa Welches Mittel darf’s denn sein? Im Juli 2019 hatten französisc­he Fahnder diese Dopingmitt­el beschlagna­hmt; es war eine Razzia in mehreren Ländern. Momentan finden keine Dopingkont­rollen statt, was Betrüger zu ihren Gunsten nutzen könnten.
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