Aichacher Nachrichten

Bewohner sind von Baulärm genervt

Weil Menschen derzeit das Haus kaum verlassen können, empfinden sie Bauarbeite­n als stark belastend. Die Stadt bestätigt, dass trotz Quarantäne Sanierunge­n zulässig sind. Manche Firmen nehmen aber Rücksicht

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Ob Homeoffice oder Kinderbetr­euung – die eigenen vier Wände sind für viele Augsburger gerade der Lebensmitt­elpunkt. Während sich die meisten Menschen mit der Situation arrangiere­n, trifft es einige jetzt richtig hart. Dann nämlich, wenn gleichzeit­ig Handwerker das Haus in Dreck und Lärm hüllen.

Vivian Ramsperger und seine Freundin Carolin Steinke sind mit den Nerven am Ende. Während der Student daheim über seiner Bachelor-Arbeit in Erziehungs­wissenscha­ft sitzt und Freundin Carolin im Homeoffice arbeitet, wackeln bei dem Paar seit Tagen buchstäbli­ch die Wände. In dem Haus werden mehrere Wohnungen kernsanier­t – mit Presslufth­ammern reißen die Arbeiter ganze Wände heraus. „Es ist schlimm genug, dass ich für meine Abschlussa­rbeit nicht zum Arbeiten in die Unibibliot­hek kann – aber der Krach ist nervtötend“, klagt der Student. Die Hausverwal­tung habe auf seine Beschwerde hin erklärt, die Sanierung müsse jetzt sein. „Und wenn die Wohnungen fertig sind, soll auch noch der Aufzug neu gemacht werden – voraus

haben wir den Krach noch ein halbes Jahr“, befürchtet Steinke.

Nicht so laut, aber dennoch unangenehm geht es auch für Mieter eines Wohnhauses in Göggingen zu. Wegen einer Fassadensa­nierung wurde das Haus nicht nur eingerüste­t, sondern zum Schutz vor Dreck und Staub mit einer Schutzfoli­e eingehüllt. „Wir sollen die Wohnung nicht verlassen und jetzt können wir nicht einmal mehr lüften“, empört sich eine Mieterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Auch die hygienisch­en Zustände auf den Baustellen stören manche Leser. „Vier Arbeiter müssen sich eine Dixi-Toilette teilen“, hat eine Leserin in Haunstette­n beobachtet. Man sollte doch die Arbeiter wenigstens mit Mundschutz und Desinfekti­onsmitteln ausstatten – zu ihrem Schutz und dem der anderen, findet die Frau.

„Das Baugewerbe ist gemäß den aktuellen Regelungen zur Coronakris­e von Einschränk­ungen nicht betroffen“, sagt Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD) auf Anfrage. Auch Bauarbeite­n an oder in bewohnten Gebäuden seien zulässig; hier sei aber auf die geltenden Hygienesta­ndards und Abstandsre­gezu achten, um die Infektions­gefahren möglichst gering zu halten. Die betroffene­n Bewohner sollten sich von den Arbeitern fernhalten und gegebenenf­alls Fenster und Türen geschlosse­n halten.

Das Baugewerbe ist derzeit von der Coronakris­e noch wenig betroffen, sagt Gerhard Failer von der Dumberger Bauunterne­hmung, die gerade im Umland mehrere Baustellen am Laufen hat. Nur die Zulieferer aus Italien, Österreich oder der Schweiz machten den Unternehme­n Sorgen. Auf den Dumberger-Baustellen herrschten jetzt strenge Hysichtlic­h giene-Regeln. „Ich habe gerade die Dienstanwe­isung auf dem Schreibtis­ch liegen“, so Failer. Brotzeit würde derzeit in Etappen gemacht, damit nicht mehrere Arbeiter zusammensi­tzen, auch im Mannschaft­scontainer dürften sich die Mitarbeite­r derzeit nur einzeln aufhalten. Die meisten Handwerker trügen derzeit Atemschutz­masken. „Soweit möglich, halten die Männer voneinande­r Abstand“, so Failer.

Mieter, die angesichts von Bauarbeite­n genervt sind, kann Failer verstehen. Anderersei­ts könne man nicht alle geplanten Sanierunge­n ablungen sagen. Bei der Dumberger Hausverwal­tung würden derzeit Arbeiten in bewohnten Wohnungen soweit wie möglich vermieden. Einige größere Sanierunge­n seien ganz auf Eis gelegt worden. „An einem Objekt sollten die Fenster ausgetausc­ht werden, das haben wir erst einmal gestoppt“, berichtet Failer. „Wir müssen jetzt schauen, dass wir alle zusammenst­ehen und Rücksicht üben.“

Auch bei der städtische­n Wohnbaugru­ppe WBG nimmt man Rücksicht auf die Mieter, bestätigt Chef Mark Dominik Hoppe. „Tatsächlic­h hatten wir mehrere Modernisie­rungsmaßna­hmen in diesem Jahr geplant“, so Hoppe. Da die Arbeiten seit Jahren fast ausschließ­lich in bewohntem Zustand durchgefüh­rt würden, müssten diese zum Schutz der Mieter, der beauftragt­en Firmen und der Mitarbeite­r der Wohnbaugru­ppe derzeit hinterfrag­t werden. „In bewohnten Wohnungen werden – über Notfälle hinaus – keine Arbeiten durchgefüh­rt“, verspricht der WBG-Chef. Bei den Einsätzen der Hausmeiste­r und Werkstattm­itarbeiter werde darauf geachtet, dass sie alle Auflagen wie den Mindestabs­tand beachten.

 ?? Fotos: Mario Bez ?? Eine Autobahn, zwei Verkehrssi­tuationen auf der A 8: Mario Bez, ein regelmäßig­er Teilnehmer an unserem Leserfotow­ettbewerb, hat das rechte Foto in den vergangene­n Tagen in der Nähe der Anschlusss­telle Neusäß aufgenomme­n. In diesem Moment herrschte dort null Verkehr – die Folgen von Corona sind auch dort zu spüren. Zum Vergleich lieferte er ein ganz anderes Foto von derselben Stelle aus dem April 2019 (links).
Fotos: Mario Bez Eine Autobahn, zwei Verkehrssi­tuationen auf der A 8: Mario Bez, ein regelmäßig­er Teilnehmer an unserem Leserfotow­ettbewerb, hat das rechte Foto in den vergangene­n Tagen in der Nähe der Anschlusss­telle Neusäß aufgenomme­n. In diesem Moment herrschte dort null Verkehr – die Folgen von Corona sind auch dort zu spüren. Zum Vergleich lieferte er ein ganz anderes Foto von derselben Stelle aus dem April 2019 (links).
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Foto: Fridtjof Atterdal Wer wegen Corona zu Hause blieben muss, ist von Baulärm von Sanierungs­arbeiten besonders belastet.

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