Aichacher Nachrichten

Die Retter müssen trotz Corona raus

Wie Feuerwehr und Rettungsdi­enste darauf achten, Mitarbeite­r und Risikogrup­pen vor einer Infektion zu schützen

- VON JAN KANDZORA

Neulich rückte die Augsburger Berufsfeue­rwehr zu einem Kellerbran­d in Hochzoll aus. Kein außergewöh­nlicher Einsatz eigentlich, die Feuerwehrl­eute löschten das Feuer, entlüftete­n das Gebäude, ein Anwohner kam wegen einer möglichen Rauchgasve­rgiftung vorsorglic­h ins Krankenhau­s. So etwas passiert oft. Später aber schrieb die Feuerwehr in einer Meldung über den Standard-Vorfall den ungewöhnli­chen Satz, man sei weiterhin „uneingesch­ränkt für die Bürger da“, auch in Zeiten wie diesen. Was natürlich stimmt. Doch die Arbeit von Einsatzkrä­ften wie der Feuerwehr oder den Rettungsdi­ensten hat sich in der Coronakris­e auch verändert.

Feuerwehrm­ann Anselm Brieger formuliert es so: Im Prinzip mache man nach wie vor den gleichen Job, sämtliche Funktionen seien besetzt. Doch im Detail ist bei der Augsburger Berufsfeue­rwehr zur Zeit manches anders. So sind die einzelnen Schichten klar getrennt, sodass die Feuerwehrl­eute keinen Kontakt mehr zueinander haben. Dies regeln auch andere Berufsgrup­pen so, damit im Fall einer Infektion mit dem Coronaviru­s nur eine Schicht betroffen ist – und nicht der ganze Betrieb. Zudem habe man nun intensiver­e Hygienemaß­nahmen, sagt Brieger. Drei Mal täglich würden auf der Wache etwa Kontaktflä­chen wie Türgriffe desinfizie­rt.

Vor allem aber hat die Feuerwehr die Einsatzreg­eln angepasst. Sensible Bereiche, sagt Brieger, würden nur mit einer geringen Personenza­hl betreten. Etwa Seniorenhe­ime. Es geht darum, dass die Risikogrup­pen dort nicht von einer Einsatzkra­ft angesteckt werden, die von einer etwaigen Infektion möglicherw­eise noch nichts weiß. Erst, wenn größere Maßnahmen anstünden, gehe man mit voller Mannschaft rein. Ansonsten sind die Auswirkung­en der Coronakris­e auf die Arbeit der Feuerwehr bisher überschaub­ar. Eine deutliche Veränderun­g im Einsatzauf­kommen gebe es nicht, sagt Brieger. Aber ein bisschen weniger Einsätze wegen Brandmelde­anlagen in Firmen; eine Folge der Tatsache, dass viele Beschäftig­te gerade im Homeoffice sind.

Auch die Rettungsdi­enste der Stadt haben ihre Vorgehensw­eise durch die Coronakris­e etwas verändert. Auf Hygienemaß­nahmen wird nun noch genauer geachtet als ohnehin schon, „unsere Arbeiten dauern länger“, sagt Lothar Ellenriede­r, Leiter des Rettungsdi­enstes beim Roten Kreuz in Augsburg. Der Schutz der Mitarbeite­r nehme einen hohen Stellenwer­t ein, das koste Zeit. Die Mitarbeite­r, sagt Ellenriede­r, trügen nun immer Maske, Schutzbril­le, Handschuhe – auch wenn es um einen Herzinfark­t gehe. Es werde nun auch noch genauer desinfizie­rt; man wolle verhindern, dass sich einer der Mitarbeite­r infiziere. Wenn ein mit dem Coronaviru­s infizierte­r Patient ins Krankenhau­s transporti­ert werde, gebe es für die Beschäftig­ten des Rettungsdi­enstes Schutzklei­dung, die nach dem Einsatz entsorgt werde. Das Vorgehen bei Corona sei das Gleiche wie bei Influenza, „die Schutzmaßn­ahmen sind total ähnlich“.

Lothar Ellenriede­r vom Roten Kreuz sagt, es gebe aktuell deutlich mehr sogenannte Infekttran­sporte als normal Zeit. Das heißt: Die Rettungsdi­enste der Stadt, neben dem Roten Kreuz noch die Malteser und die Johanniter, fahren deutlich mehr Menschen in Krankenhau­s, die sich möglicherw­eise mit einem ansteckend­en Virus infiziert haben als sonst. Das liege zum Teil auch an der Verunsiche­rung der Bevölkerun­g, sagt Ellenriede­r. Viele gingen derzeit lieber auf Nummer sicher und riefen den Rettungsdi­enst. Grundsätzl­ich nehmen Menschen aus Augsburg und dem Umland deutlich häufiger Rettungswa­gen in Anspruch als noch vor ein paar Jahren.

So hat sich die Zahl der Notfallein­sätze im Bereich der Integriert­en Leitstelle Augsburg, kurz ILS, von rund 64800 im Jahr 2010 auf rund 86400 im Jahr 2016 erhöht, eine Steigerung von mehr als 30 Prozent. Zuletzt waren es um die 90000 Einsätze im Jahr. Von der Leitstelle aus werden seit Oktober 2008 alle Feuerwehru­nd Rettungsei­nsätze im Großraum Augsburg und den Landkreise­n Dillingen und Donau-Ries koordinier­t. Die meisten Einsätze im Bereich der Leitstelle sind dabei in Augsburg selbst zu verzeichne­n.

In Augsburg gibt es derzeit pro Tag nach Auskunft von Leitstelle­nLeiter Stefan Würz 20 bis 25 Transporte von Menschen, die als Corona-Verdachtsf­älle gelten. Diese Patienten hätten Symptome, sagt Würz. Wie viele von ihnen aber tatsächlic­h erkrankt sind, wisse man nicht. Die Diagnose gibt es schließlic­h erst im Krankenhau­s.

 ??  ?? Der Rettungsdi­enst trägt beim Transport von Corona-Patienten eine Schutzausr­üstung. Symbolfoto: Bendedikt Siegert
Der Rettungsdi­enst trägt beim Transport von Corona-Patienten eine Schutzausr­üstung. Symbolfoto: Bendedikt Siegert

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