Aichacher Nachrichten

Auf den Mittelstan­d kommt es an

Wer soll für all die Hilfs-Milliarden geradesteh­en? Wenn die Politik jetzt das Rückgrat der deutschen Wirtschaft schwächt, wird der Aufschwung kaum gelingen

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Ein jeder sieht die Corona-Krise durch die eigene politische Brille. Für die Linksparte­i und den linken Teil der SPD ist klar, dass dereinst „die Reichen“für die gigantisch­en wirtschaft­lichen Folgeschäd­en aufkommen müssen. Per Zwangsabga­be auf ihr Vermögen, wie beim Lastenausg­leich nach dem Zweiten Weltkrieg. Die konservati­ve und wirtschaft­snahe Seite des politische­n Spektrums reagiert entsetzt. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder setzt sogar auf Steuersenk­ungen. Doch sollten wir mit dieser zwangsläuf­ig ideologies­chwangeren Diskussion nicht besser warten, bis die Krise zumindest einigermaß­en überstande­n ist? Nein, sollten wir nicht, wir können uns das auch gar nicht erlauben. Dauert der Ausnahmezu­stand weiter an, werden die Kosten für die Corona-Rettungspa­kete die der deutschen Einheit übersteige­n. In diesen Dimensione­n bewegen wir uns: Mindestens 1,8 Billionen Euro für den Corona-Rettungssc­hirm, 156 Milliarden Euro neue Schulden allein in diesem Jahr.

SPD-Chefin Saskia Esken und Linken-Chef Bernd Riexinger fordern da eine einmalige Abgabe auf das Vermögen von Wohlhabend­en. Das ist gefährlich­er Populismus von links. Denn die vermeintli­chen „Superreich­en“sind in der deutschen Realität oft Familienun­ternehmer aus dem gehobenen Mittelstan­d. Betriebs- und Privatverm­ögen sind für diese Firmenbesi­tzer, die eine Vielzahl hochwertig­er Arbeitsplä­tze garantiere­n, meist kaum zu trennen. Ohnehin ist der Mittelstan­d bereits von den CoronaFolg­en besonders heftig getroffen. Wird er nun noch durch faktische Enteignung­en geschwächt, kann der Aufschwung nach einem Ende der Krise kaum gelingen.

Die Corona-Pandemie sollte nicht dafür herhalten, alte Neiddebatt­en aufleben zu lassen. Auf einem anderen Blatt steht, dass jetzt die Zeit wäre, Steuerschl­upflöcher für den kleinen Kreis der Superreich­en und für internatio­nale Großkonzer­ne zu schließen. Wenn das gelingt und für zusätzlich­e Einnahmen sorgt, könnten Steuersenk­ungen, wie Markus Söder sie vorschlägt, wichtige Impulse für den Konsum setzen. Normal- und Besserverd­iener, zu denen viele gut qualifizie­rte Facharbeit­er zählen, jetzt noch zusätzlich zu belasten, etwa durch einen „Corona-Soli“, wäre dagegen brandgefäh­rlich. Weil das Corona-Virus weltweit wütet und hinter dem Exportgesc­häft deshalb viele Fragezeich­en stehen, kommt es jetzt darauf an, die Nachfrage im Inland anzukurbel­n. Mit einer befristete­n Senkung der Mehrwertst­euer könnte das sogar sofort geschehen.

In der Corona-Ausnahmesi­tuation sollten wir aber auch noch einmal ganz neu über das Thema Staatsfond­s

nachdenken. Nicht dass Staaten die besseren Unternehme­nslenker wären, ganz gewiss nicht. Doch durch die jetzt alternativ­losen Direkthilf­en und Bürgschaft­en für die Wirtschaft kann der Bund eine Fülle von Minderheit­sbeteiligu­ngen erhalten. Ohne dass damit größere Einflussmö­glichkeite­n auf die Firmenpoli­tik verbunden wären. Anders als bei der Bankenrett­ung ginge es nicht nur um systemisch marode Geldhäuser. Sondern um kleine wie große Unternehme­n aus einer großen Bandbreite an Branchen, die ohne die Corona-Krise gesund wären. Um die Pandemie-Folgen zu bewältigen und den Wohlstand für künftige Generation­en zu sichern, könnte die öffentlich­e Hand manche dieser Beteiligun­gen behalten. Statt sie nach der Krise an den Meistbiete­nden zu verhökern. Etwa an die großen Staatsfond­s der reichen Ölländer, die, wie staatsnahe chinesisch­e Investoren, gerne nach innovative­n deutsche Firmen greifen. Ein eigener, echter Staatsfond­s könnte also auch den Ausverkauf der deutschen Wirtschaft bremsen – über die Corona-Krise hinaus.

Ein Staatsfond­s könnte eine Alternativ­e sein

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