Aichacher Nachrichten

Mein neuer Kollege Karlsson

Wer im Homeoffice arbeitet und kleine Kinder zu Hause hat, ist halb Redakteur, halb Kindergärt­ner – und froh über die Unterstütz­ung eines Romanhelde­n

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Seit drei Wochen habe ich in meinem Büro einen neuen Kollegen. Er ist ... Na ja: etwas speziell. Von der Einhaltung von Regeln hält er nicht viel. Er pflegt einen infantilen Humor, will mehrfach im Jahr Geburtstag feiern und ist dank eines Propellers auf dem Rücken auch etwas laut. Trotzdem bin ich heilfroh, dass Karlsson vom Dach seit dreieinhal­b Wochen ein fester Bestandtei­l meines Homeoffice geworden ist. Dreieinhal­b Wochen, in denen zuerst eine freiwillig­e Quarantäne infolge eines vorherigen Österreich-Urlaubs und die anschließe­nden Ausgangsbe­schränkung­en mein Büro in unsere Wohnung verfrachte­t haben.

Seitdem teilen sich meine Frau und ich die Arbeit auf: Einer von uns beiden arbeitet am Schreibtis­ch, der andere betreut unsere beiden drei und sechs Jahre alten Kinder.

Für mich bedeutet das: Entweder recherchie­re ich und schreibe Artikel – oder ich male und lese aus Kinderbüch­ern vor. Zum Beispiel. Dass man in der Corona-Krise auch als Teilzeit-Kindergärt­ner einen langen Atem und Gelassenhe­it braucht, ist uns schnell klar geworden. Umso besser ist es, dass wir bei der Suche nach neuem Lesestoff für unseren Nachwuchs relativ bald auf Karlsson vom Dach gestoßen sind. Sollte jemand den Romanhelde­n

von Astrid Lindgren nicht kennen: Der dicke Karlsson, eine Mischung aus Mann und Junge, lebt auf einem Stockholme­r Hausdach und fliegt dank eines Propellers auf dem Rücken ins Zimmer seines Freundes Lillebror, um ihn zu Unsinn anzustifte­n. Geht etwas schief, ist das für den lupenreine­n Anarchiste­n Karlsson natürlich kein Problem. Seine Standardan­twort, wenn etwa eine Dampfmasch­ine explodiert oder er Müll vom Hausdach wirft, ist auch bei uns mittlerwei­le zum geflügelte­n Wort geworden: „Das stört keinen großen Geist.“

In Zeiten der Pandemie ist das ein wertvoller Satz geworden. Wenn massive Ausgangsbe­schränkung­en

verkündet werden, das Toilettenp­apier zur Neige geht oder einem die Decke auf den Kopf zu fallen droht, kommt Karlsson ins Spiel. Der hätte an all dem Wahnsinnig­en, was gerade um uns herum geschieht, wahrschein­lich noch seine helle Freude und würde einwerfen, dass dies doch bitte schön keinen großen Geist zu stören habe. Und wahrschein­lich hat er damit recht – in den meisten Fällen zumindest. Normalerwe­ise ist es wohl keine gute Idee, den Rat Karlssons einzuholen. Aber was ist derzeit schon normal. Ein Vorsatz für die Zeit nach Corona ist jedenfalls, sich öfter vor Augen zu halten, dass vieles eben keinen großen Geist stört. Florian Eisele

ist eine der bekanntest­en Romanfigur­en von Astrid Lindgren und derzeit eine der gefragtest­en Personen im Haushalt unseres Sportredak­teurs Florian Eisele. Das kann an dessen beiden Kindern liegen.

An dieser Stelle berichten Kolleginne­n und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.

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