Aichacher Nachrichten

Rasen in Zeiten von Corona

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Von der Politikeri­n Rosa Luxemburg stammt die Erkenntnis, Freiheit sei auch immer die Freiheit des Andersdenk­enden. Auf den Straßenver­kehr übertragen heißt das: Freiheit ist auch immer die Freiheit des Nicht-Rasenden. Doch in Corona-Zeiten wird auf freien linken Autobahnsp­uren – gerade auf der A8 zwischen Ulm und München – von einigen Gas gegeben, als würden sie damit eine der letzten Freiheiten der Mobilität wie mit einem lauten Schrei zum Ausdruck bringen. Fast drängt sich der Verdacht auf, hier seien die gleichen Menschen am Werk, für die ihre Freiheit als Konsument darin besteht, möglichst viele Packungen Klopapier, Mehl und Trockenhef­e an sich zu reißen. Wenn aber der Mensch seine Freiheit zulasten anderer missbrauch­t, darf, ja muss der Staat schon mal so frei sein, die Freiheiten weniger Freiheitsm­issbrauche­r im Sinne der Freiheit aller einzuschrä­nken. Nicht nur für die gespenstis­che Zeit der CoronaAuto­raserei ist also die Antwort ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen. Schließlic­h sind im vergangene­n Jahr 3059 Menschen im Straßenver­kehr ums Leben gekommen, während 384 000 verletzt wurden.

Dabei zeigt der Staat in der Corona-Krise, wie handlungsf­ähig er ist und Freiheiten zum Vorteil der Gesundheit aller einschränk­en kann. Das Primat der Politik war nie so spürbar wie jetzt. Bürger, die meist geduldig all die Einschränk­ungen hinnehmen, können auch mit einem Tempolimit leben, wenn Politiker sie davon überzeugen.

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