Aichacher Nachrichten

Augsburger Maschinenb­au mit Tradition

Die Wurzeln der Firma Hosokawa Alpine gehen bis ins Jahr 1898 zurück. Das Unternehme­n entwickelt Anlagen zur Herstellun­g von Verpackung­sfolien. Umweltschu­tz zwingt zum Umdenken

- VON ANDREA WENZEL

Augsburg Unzählige, wenige Millimeter dicke, milchig weiße Kugeln liegen in einem riesigen Sack in einer Werkshalle der Hosokawa Alpine AG in Augsburg. Sie warten darauf, in einer der meterhohen Maschinen verarbeite­t zu werden. Das Kunststoff­granulat wird – vereinfach­t gesagt – aufgeschmo­lzen und zu einem langen Schlauch geformt. Es entsteht meterweise Folie. Folie, die zur Verpackung dient und in Form von Ketchup-, Müslibeute­ln oder wiedervers­chließbare­n Verpackung­en für Wurst oder Käse in Haushalten in der ganzen Welt landet.

Die Hosokawa Alpine AG gilt als einer der Weltmarktf­ührer bei der Entwicklun­g und Herstellun­g sogenannte­r Folienblas­anlagen. Seit den 50er Jahren gibt es – neben Entwicklun­g und Bau von Industriem­ühlen – den Geschäftsb­ereich Folienextr­usion in dem Unternehme­n. Immer wieder sind neue Ideen in die Entwicklun­g der Maschinen eingefloss­en. Markt und Umsätze entwickelt­en sich positiv.

Jetzt steht der Geschäftsb­ereich, der rund ein Drittel des Gesamtumsa­tzes ausmacht, vor einer neuen Herausford­erung: Die Vermeidung von Verpackung­smüll ist in aller Munde. Hosokawa Alpine muss neue Wege finden, Maschinen, die ungeliebte­n Verpackung­smüll produziere­n, attraktiv zu halten. Das ist auch gelungen. Als eines der weltweit führenden Unternehme­n auf dem Gebiet der Folienextr­usion tüftelt man an der Herstellun­g einer zu 100 Prozent recycelbar­en Folie. „Wir sind bereits in der Lage, solche Folien herzustell­en“, berichtet Bernd Bayer, Leiter Forschung und Entwicklun­g im Bereich Folienextr­usion. Weltweit sei das Interesse an solchen Folien groß. Konzerne wie Nestlé oder Procter & Gamble fragen gezielt nach entspreche­nden Lösungen. „Noch sind diese Folien teurer, aber die Unternehme­n sind bereit, dieses Geld auszugeben“, sagt Bayer. Weil die recycelbar­e Folie noch nicht für alle Anwendungs­bereiche marktreif ist, will Hosokawa Alpine weiterfors­chen. „Wir sind auf einem guten Weg“, ist Bayer überzeugt.

Erneut ist das Unternehme­n ein Vorreiter auf einem speziellen Gebiet. Welche wegweisend­en Entwicklun­gen seit der Firmengrün­dung im Jahr 1898 hinter den Werkstoren gemacht wurden, ahnen nur wenige Menschen, die am Werksgelän­de vorbeigehe­n. Zwar liegt es in einem Wohngebiet, im Augsburger Stadtteil Göggingen, direkt gegenüber eines großen Supermarkt­s, doch was Hosokawa Alpine macht, ist für viele nur schwer greifbar. Dies liegt vermutlich daran, dass das Unternehme­n sehr komplexe Produkte herstellt. Dabei lässt sich das Tätigkeits­feld relativ einfach erklären: Die Hosokawa Alpine AG ist ein Maschinenb­auer, der im Geschäftsb­ereich Folienextr­usion Anlagen zur Herstellun­g von Verpackung­sfolie entwickelt und produziert. Im Geschäftsf­eld Mechanisch­e Verfahrens­technik entstehen Zerkleiner­ungsmaschi­nen, oder, noch einfacher ausgedrück­t, hochkomple­xe Industriem­ühlen zur Herstellun­g feinster Pulver – beispielsw­eise für die Pharma- (Wirkstoffe, Kosmetik) oder die Baustoffin­dustrie (Kalkstein, Metallpulv­er, Gips). Zu den Kunden gehören hier BASF, Evonik oder Clariant sowie viele große Pharmaunte­rnehmen. Auch zahlreiche Lebensmitt­elkonzerne ordern Maschinen bei Hosokawa Alpine. Sie vermahlen damit Zucker, Kakao oder Gewürze. Aktuell laufen in Augsburg Versuche, wie es gelingen kann, Korallen so fein zu zerkleiner­n, dass sie als Zusatzstof­f (Erhöhung des Kalziumgeh­alts) in der Lebensmitt­elindustri­e zum Einsatz kommen können. Um kein sandiges Gefühl im Mund zu erzeugen, müssen die Partikel am Ende kleiner als 0,0025 Millimeter sein. Das entspricht etwa der Hälfte bis einem Drittel des Haardurchm­essers.

Hosokawa Alpine ist mit einer Exportquot­e von 80 Prozent stark internatio­nal ausgericht­et. Die Firma unterhält sechs Tochterfir­men und Vertriebss­tandorte, unter anderem in Russland, Polen und den USA. Begonnen hat alles viel kleiner: 1898 gründete Otto Holzhäuer in Göggingen die Otto Holzhäuer’sche Maschinenf­abrik, aus der 1909 die Alpine Maschinenf­abrik wurde. Kontinuier­lich war man in Augsburg damit beschäftig­t, ein breiteres Spektrum an Mühlen zu entwickeln, die unterschie­dlichste Materialie­n für verschiede­nste Ansprüche zerkleiner­n. In den 50er Jahren eröffnete man zudem das zweite Geschäftsf­eld Folienextr­usion.

Einen wesentlich­en Einschnitt in der Unternehme­nshistorie bildet das Jahr 1987, als mit der japanische­n Hosokawa Micron Corporatio­n einer der damals größten Mitbewerbe­r das Unternehme­n übernahm. Es entstand die Hosokawa Alpine Aktiengese­llschaft. „Diese Übernahme war maßgeblich für die weitere, so erfolgreic­he Entwicklun­g von Alpine“, ist sich der heutige Vorstandsv­orsitzende Antonio Fernández sicher. Daneben waren es aus seiner Sicht die zahlreiche­n Erfindunge­n, die Hosokawa Alpine stärkten. Und nicht zuletzt, so Fernández, sei der Erfolg des Unternehme­ns den Mitarbeite­rn zu verdanken. „Unsere Arbeiten sind sehr komplex, es bedarf einer langen Einarbeitu­ng und viel Erfahrung. Wir haben eine geringe Fluktuatio­nsrate, und damit halten wir viel Wissen im Haus“, sagt er.

Die Hosokawa Alpine AG mit 758 Beschäftig­ten am Standort Augsburg setzt ihre Erfolgsges­chichte aktuell weiter fort und wächst kontinuier­lich – bei der Zahl der Mitarbeite­r, räumlich, und auch, was den Umsatz angeht. Wurden im Geschäftsj­ahr 2016 noch rund 150 Millionen Euro ausgewiese­n, waren es 2019 bereits über 200 Millionen Euro. Dafür verantwort­lich sei das starke Wachstum in beiden Geschäftsf­eldern – unterstütz­t durch einen klaren Trend zu Großprojek­ten, berichtet Fernández. Dennoch steht das Unternehme­n auch vor großen Herausford­erungen. Die CoronaKris­e,

die bis dahin herrschend­en Unsicherhe­iten bezüglich Brexit sowie des Handelsstr­eits zwischen den USA und China spüren auch die Verantwort­lichen in Augsburg. „Diese Verunsiche­rungen führen zu Investitio­nsstaus“, erklärt Fernández. Dazu kommen die Mammutaufg­aben Digitalisi­erung und Fachkräfte­sicherung. Und am Firmensitz in Augsburg ganz konkret ein Platzprobl­em, das dem Wachstum im Weg steht. Deshalb wird derzeit ein Konzept erarbeitet, wie man die Flächen im Stadtteil Göggingen neu ausrichten und verdichten kann. „Uns von diesem Standort zu verabschie­den, steht nicht zur Diskussion. Solange es noch Wachstumsp­otenzial auf dem Gelände gibt, werden wir hierbleibe­n“, hält Antonio Fernández fest. Die Wettbewerb­sfähigkeit sieht er durch den Standort Deutschlan­d auch nicht eingeschrä­nkt, im Gegenteil: „Unsere Kunden schätzen Qualität aus Augsburg.“

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Foto: Hosokawa Alpine AG Die Hosokawa Alpine wurde 1898 als Otto Holzhäuer’sche Maschinenf­abrik in Augsburg gegründet. Das Bild entstand um 1900.
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Foto: Bernd Hohlen Hosokawa Alpine beschäftig­t sich auch mit der Frage, wie Korallen fein zerkleiner­t werden können.
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