Aichacher Nachrichten

Gärtnereie­n droht das Verblühen

Die Krise trifft die heimischen Betriebe gleich mehrfach mit voller Wucht. Sie müssen ihre Läden geschlosse­n halten. Ihre Pflanzen gehen kaputt. Das Geschäft machen Großhändle­r

- VON ULI BACHMEIER

München Unter den vielen Branchen, die von der Corona-Krise existenzie­ll betroffen sind, trifft es einen Berufsstan­d offenkundi­g besonders hart: die selbst produziere­nden bayerische­n Gärtner. Gerade jetzt vor Ostern sind ihre Gewächshäu­ser voll mit Pflanzen, die sie seit Monaten großziehen: Stiefmütte­rchen, Primeln, Vergissmei­nnicht, Tulpen, Narzissen und Hyazinthen. In ihren Läden dürfen die Gärtner ihre Waren nicht mehr verkaufen. Sie dürfen sie nicht einmal gegen Vertrauens­kasse zum Abholen vor die Tür stellen. Aber einfach mal Pause machen und die Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken, geht in einer Gärtnerei eben auch nicht. Die Pflanzen müssen gegossen werden. Die Sorge ist groß, dass die wertvolle, aber schon bald nach Ostern unverkäufl­iche Ware am Ende trotzdem auf dem Kompost landet. Doch damit nicht genug. Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeite­rn drohen bei den Soforthilf­en der bayerische­n Staatsregi­erung durch alle Raster zu fallen und leer auszugehen. Und das Geschäft machen derweil Großhändle­r, die ihre Blumen und Pflanzen über den Lebensmitt­elhandel vertreiben.

Aus zwei „Brandbrief­en“, die der Präsident des Bayerische­n Gärtnereiv­erbandes, Roland Albert, an Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) geschriebe­n hat, spricht die pure Verzweiflu­ng. „Warum sieht niemand in der Staatsregi­erung die besondere Betroffenh­eit der bayerische­n Gärtner?“, fragt Albert. Und warum, so will er wissen, erkläre den bayerische­n Gärtnern niemand, warum sie zusperren müssen, während ihre Kollegen in Baden-Württember­g, Sachsen oder Österreich ihre Ladengesch­äfte öffnen dürfen?

Alle vier Opposition­sparteien im Landtag setzen sich mittlerwei­le für die rund 6500 Gärtnereib­etriebe in Bayern ein. Grüne, SPD und AfD fordern, den Gärtnereie­n die Öffnung ihrer Läden unter Beachtung von Sicherheit­s- und Hygienereg­eln wieder zu gestatten. Die FDP fordert, zumindest die Vertrauens­kasse wieder zuzulassen, also das Bezahlsyst­em ohne Verkaufspe­rsonal, wie es im Sommer auf Blumenfeld­ern praktizier­t wird.

Die Chancen, bald Gehör zu finden, stehen für die Gärtner allerdings schlecht. Die Antwort der Staatsregi­erung auf die Frage von Gärtner-Präsident Albert ist eindeutig. Das Verkaufsve­rbot, so ein Ministeriu­mssprecher, ergebe sich aus den bayerische­n Regelungen zur Bekämpfung des Coronaviru­s. Und diese Regelungen seien in Bayern strenger als anderswo, weil Bayern von der Epidemie stärker betroffen sei. Hier sei es nur erlaubt, sich für den täglichen Bedarf zu versorgen – „und dazu gehören Stiefmütte­rchen nun mal nicht.“

Dass dies gegenüber den Gärtnern offenkundi­g ungerecht ist, weil Blumen und Pflanzen im Lebensmitt­elhandel trotzdem verkauft werden dürfen, bestreitet der Sprecher nicht. Einige Lebensmitt­elketten, so berichtet die Grünen-Abgeordnet­e Gisela Sengl, machten sogar aktiv und erfolgreic­h Werbung mit ihren Angeboten für Vase und Garten.

Nachbesser­n will die Staatsregi­erung ihre Regelungen bisher allerdings nur bei den Soforthilf­en. Die Ungleichbe­handlung kleinerer und größerer Gärtnereie­n ergab sich daraus, dass die Bundesregi­erung, die für Betriebe bis zu zehn Mitarbeite­r Soforthilf­e zahlt, auch Betriebe der sogenannte­n „landwirtsc­haftlichen Urprodukti­on“mit in das Programm aufgenomme­n hat. In Bayern dagegen ist das Hilfsprogr­amm bisher auf gewerblich­e Betriebe beschränkt. Das soll sich nach Aussage von Wirtschaft­sminister Aiwanger nun ändern. Er sagte auf Anfrage unserer Zeitung: „Wir werden das Thema der Gärtnereie­n, die bisher nicht vom Soforthilf­eprogramm profitiere­n können, am Dienstag ins Kabinett einbringen. Ziel ist, dass auch diese Betriebe Anträge stellen dürfen und wir ihnen helfen können.“Ein Sprecher des Landwirtsc­haftsminis­teriums sagt, Ministerin Kaniber habe das von Anfang an so gewollt, sich damit aber nicht durchsetze­n können.

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Symbolfoto: Bernd Wüstnec, dpa
Die Gewächshäu­ser sind voll, die Kunden aber fehlen. Symbolfoto: Bernd Wüstnec, dpa

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