Wackelt die Wiesn?
Noch ist unklar, ob das Münchner Oktoberfest stattfinden kann. Wann es eine Entscheidung geben soll
München Die Wirte haben Reservierungswünsche aus aller Welt entgegengenommen, die Brauereien stehen in den Startlöchern, um das auch im Ausland begehrte Wiesnbier zu brauen. Doch noch ist alles unklar: Bisher ist nicht entschieden, ob München in diesem Jahr trotz der Corona-Krise das größte Volksfest der Welt feiern kann. Noch hofft man. „Natürlich wünsche ich mir als Veranstalter der Wiesn zusammen mit allen unseren Partnern sehr, dass es keine Absage geben muss“, sagt der Münchner Wirtschaftsreferent und Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU).
Eine Absage hätte wirtschaftliche Folgen mit Millionen-Einbußen, aber auch ideelle. „Ich kann mir das emotional noch nicht vorstellen“, sagt Peter Inselkammer, Sprecher der Wiesnwirte, über eine mögliche Absage. „Die Wiesn gehört zum ganz normalen Jahresrhythmus. Wir freuen uns alle darauf. Aber wir müssen abwarten, ob es möglich ist.“
Bis in den Juli hinein sind Veranstaltungen
weltweit bereits abgesagt oder verschoben: Theateraufführungen, Fußballspiele, das Tennisturnier von Wimbledon, die Bayreuther Festspiele, die Oberammergauer Passion und sogar die Olympischen Spiele. Allerdings ist es bis zum Oktoberfest noch etwas länger hin: Am 16. September ist der Anstich geplant. Und so schieben die Verantwortlichen die Entscheidung noch hinaus. Sie solle zum spätestmöglichen Zeitpunkt erfolgen, hieß es. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sprach von „spätestens Ende Mai, Anfang Juni“. Festleiter Baumgärtner sagt: „Derzeit blicken wir gespannt auf das Ende der Osterferien und die dann mögliche Abschätzung, ob es gelungen sein wird, die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Für eine verbindliche Einschätzung
ist es daher heute noch zu früh.“Eine Entscheidung werde wesentlich davon abhängen, was medizinische Experten raten und welche gesundheitspolitischen und sicherheitsrechtlichen Vorgaben Bund und Freistaat erlassen.
Sechs Millionen Besucher aus aller Welt kommen alljährlich während der zwei Festwochen auf das 34 Hektar große Festgelände. Bis zu 250 000 können es an sehr gut besuchten Tagen sein – Abstand halten ausgeschlossen. Schon zu normalen Zeiten registrieren Arztpraxen in und um München ab dem mittleren Wiesnwochenende mehr Patienten mit Erkältungssymptomen: die sogenannte Wiesngrippe. In der Enge der Zelte kommt man sich – gewollt oder ungewollt – nahe. Die Erreger haben leichtes
Spiel, zumal Alkohol das Immunsystem schwächt.
Zwar stammt die Mehrzahl der Gäste aus München und Bayern. Die meisten ausländischen Gäste kamen aber zuletzt ausgerechnet aus den Ländern, die derzeit am schlimmsten von der Corona-Pandemie betroffen sind: US-Amerikaner und Italiener waren 2019 neben den Schweizern die größten Besuchergruppen, gefolgt von den Briten.
Für die Wirtschaft wäre eine Absage ein sehr schwerer Schlag. Nicht nur Schausteller, Wirte und Budenbesitzer auf dem Volksfest selbst, sondern auch Hotels, Gaststätten, Taxifahrer und Einzelhändler profitieren. Rund 1,23 Milliarden Euro nahm die Wirtschaft laut Stadt mit der Wiesn im vergangenen Jahr ein.