Corona macht wuseligen Samstagen ein Ende
Ein frühlingshafter Samstag bedeutet in Augsburg volle Parks und Liegewiesen, abends tummeln sich die Ausgehhungrigen in Restaurants und Clubs der Innenstadt – normalerweise. Covid-19 hat all das beendet. Ein Spaziergang
Es ist ziemlich genau 21.30 Uhr. Früh für eine Samstagnacht in der Maximilianstraße. Die Ruhe, die hier herrscht, hat aber nichts mit der Uhrzeit zu tun. Seit Wochen verdrängt das Coronavirus die Ausgehfreudigen in der Augsburger Innenstadt. Die Wochentage fließen ineinander und so fühlt sich auch diese Samstagnacht auf der Ausgehmeile wie ein Sonntag an.
Wer die Maxstraße entlangspaziert, kann vereinzelt sogar Gespräche aus den Altbauten links und rechts des Weges hören. Zwischen Rathausplatz und Ulrichskirche trotzt ein Geschäft noch den vom Virus auferlegten Bedingungen. Und das darf es auch, denn es bietet Essen zum Abholen an. Salvatore Antinoro und Alessia Ravalli stehen vor dem Café Corso, rauchen eng beieinander eine Zigarette, während sie auf ihr Essen warten. Kein Problem, das Paar wohnt zusammen. Corona-Verstoß abgewendet. „Ist schon wie tot hier, was?“, sagt Antinoro und lacht.
Nicht wie ausgestorben, aber doch mit deutlich weniger Besuchern präsentiert sich der Stadtmarkt am späten Samstagvormittag. Durch die Gassen lässt sich schlendern, ohne ständig auf Berührungen von Fremden achten zu müssen. Nur in der Viktualienhalle, zwischen Feinkostsalaten und Käseschichten, ist der Weg recht eng. Deswegen hat die Stadt hier drei Security-Mitarbeiter postiert, die Kunden an das aktuelle Abstandsgebot erinnern sollen. Alle drei berichten, am Morgen sei schon etwas los gewesen, aber auch da weniger als sonst. Die Menschen würden sich anstandslos an die Regeln halten.
Das ist am frühen Nachmittag auch am Kuhsee zu beobachten. Trotz der Frühlingssonne sind hier nur wenige Menschen unterwegs, auch am Hochablass herrscht kein Gedränge. Viele fahren Fahrrad, wenige joggen, einige genießen die verbliebene Freiheit auf Bänken und Stegen. Zwei junge Frauen, sie wohnen zusammen, scheinen von den Regeln der Ausgangsbeschränkung allerdings nichts gehört zu haben: Sie sitzen unter einem Baum, vor ihnen Erdbeeren, Chips, Kekse und andere Naschereien. Ein Picknick – naheliegend an einem Tag wie diesem, doch leider verboten. Auf Nachfrage erklären beide, nichts davon gewusst zu haben.
Die Aufklärung kam gerade noch rechtzeitig, gegen halb vier taucht ein VW-Bus des Ordnungsdienstes auf. Sechs Mitarbeiter fahren den Kuhsee ab, hier und da kontrollie
sie ein Pärchen, ob sie denn auch zusammen wohnen. Des Abstands wegen, natürlich. Die beiden jungen Picknickerinnen haben zu diesem Zeitpunkt ihr Essen bereits verstaut, so bleibt es bei einer Ermahnung. Mehr als eine solche war laut Polizei am Samstagabend im Wittelsbacher Park nötig.
Im Park beschädigte ein 69 Jahre alter Mann mehrere Absperrbänder, welche von der Stadt um die Grünflächen gespannt wurden. Der Rentner schnitt laut Polizei auf seinem Weg durch den Park mehrere
Absperrbänder mit seinem Taschenmesser ab. Eine Streifenbesatzung befestigte die abgeschnittenen Absperrbänder im Anschluss erneut. Sie erteilte dem 69-Jährigen einen Platzverweis.
Den Mann erwartet zudem eine Anzeige nach dem Infektionsschutzgesetz. Mehr Meldungen der Polizei zu Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkungen gab es bis Sonntagabend nicht, das Augsburger Stadtgebiet betreffend.
Wie ruhig die Stadt derzeit darniederliegt, erfährt der Spaziergänren ger auch am Königsplatz. Hier treffen sich an einem Samstagabend in normalen Zeiten junge Menschen. Aufgebrezelt, Küsschen links, Küsschen rechts oder Handschlag. Jetzt fahren hier nur die Straßenbahnen und Busse, ein einsamer Radfahrer quert die Szenerie. Einem „fliegenden Heuballen“in alten Western-Filmen ähnlich, bloß zielstrebiger. Immerhin, der McDonald’s hat noch offen.
Wo findet sich das pralle Leben, wenn nicht hier? Innen: gleißendes Licht und gähnende Leere. Ein
Kunde beschäftigt sich mit der Speisekarte, die Mitarbeiter haben Zeit für einen kurzen Plausch. Ja, das derzeitige Besucheraufkommen entspricht der Regel in diesen CoronaNächten. Mittags sei es ab und an noch besser, nein, schön sei das nicht. Man wolle aber weiterhin offen bleiben, die Kunden könnten ja kommen, wer weiß.
Der Abendspaziergang wird fortgesetzt, hinein in das Lichtermeer der Innenstadt-Schluchten. Bei aller Tristesse, eines kann Corona nicht nehmen. Augsburg ist schön.