AVV: Kleine Busfirmen sind raus
Sechs mittelständische Familienbetriebe aus dem nördlichen Landkreis unterliegen bei Ausschreibung des Verkehrsverbunds für 25 Buslinien in der Region. Was das für sie bedeutet
Aichach Der Großvater von Peter Ankner erhielt die Konzession für die Buslinie durchs Ecknachtal einige Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg. Zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember ist nach fast 90 Jahren Schluss für das Unternehmen aus Sielenbach: Ankner fährt dann nicht mehr im Auftrag des Augsburger Verkehrsverbundes (AVV). Er hat im Ausschreibungsverfahren den Kürzeren gezogen und damit einen Großteil seines Geschäfts verloren – in schwierigsten Zeiten. Ankner: „Das ist noch schlimmer als Corona.“Durch die aktuelle Situation sei ja das gesamte Reisebusgeschäft bei null: „Jetzt werden dazu unsere Grundmauern eingerissen.“
Der Sielenbacher setzt in normalen Zeiten fünf seiner Busse für den Linienverkehr ein. Und betroffen ist nicht nur er, sondern auch weitere mittelständische Familienbetriebe im nördlichen Landkreis wie Efinger (Aichach), Betzmair (Hollenbach-Motzenhofen), Hedorfer (Petersdorf-Willprechtszell), Lunz (Obergriesbach) und Spangler (Pöttmes-Gundelsdorf). Sie alle sind nach Informationen unserer Redaktion bei der Ausschreibung von drei Buslinienbündeln (Wittelsbacher Land 02, 03 und 04) nicht zum Zug
Insgesamt geht es dabei um 25 Buslinien mit zusammen 1,65 Millionen Fahrkilometern im Jahr vor allem im nördlichen Landkreis, aber auch darüber hinaus, und rund zehn Anrufsammeltaxi-Linien.
Dem Vernehmen nach haben die größeren Busunternehmen Demmelmair (Friedberg), Egenberger (Thierhaupten) und Ziegelmeier (Bobingen) die Ausschreibung des AVV für jeweils eines der Linienbündel gewonnen. Die Laufzeit der Verträge beträgt acht Jahre von Dezember 2020 mit zweijähriger Verlängerungsoption bis maximal Dezember 2030. Auch der Schrobenhausener Busunternehmer Schwaiger, der seit Anfang 2016 acht AVVBuslinien (230000 Fahrplan-Kilometer im Jahr) im nördlichen Landkreis befährt, ist damit nach fünf Jahren wieder raus. Die jetzt noch geltenden Übergangsverträge mit kurzen Laufzeiten für die kleineren Busunternehmer aus der Region enden alle zum Fahrplanwechsel kurz vor Weihnachten – dann übernehmen die Gewinner der Ausschreibung. Eventuell kommen aber alteingesessene Betriebe zumindest als Subunternehmer zu Aufträgen. Wobei das nicht ganz leicht sei, wie uns einer der Firmenchefs sagt: „Ich muss mich andienen bei einem, der mir die Butter vom Brot nimmt.“
Das Ergebnis des Ausschreibungsverfahrens, das seit rund 16 Monaten läuft, wird erst Mitte April veröffentlicht. Weder der AVV noch das Landratamt geben deshalb dazu Auskunft. Der für den Nahverkehr zuständige Abteilungsleiter im Landratsamt, Georg Großhauser, bestätigte gestern aber auf Anfrage, dass Landrat Klaus Metzger eine dringliche Anordnung zur Vergabe erlassen hat, um entsprechende Fristen der Verfahrens einzuhalten. Eigentlich sollte der Kreisentwicklungsausschuss am Mittwoch vergangener Woche in nicht öffentlicher Sitzung darüber entscheiden. Weil aber derzeit alle Sitzungstermine abgesagt sind, musste Metzger dies jetzt per Anordnung machen. Die Kreisräte müssen dann bei der nächsten Zusammenkunft nachträglich darüber abstimmen. Handlungsspielraum gibt es für die Kreispolitiker in der Angelegenheit aber eigentlich überhaupt keinen.
Ausgangspunkt ist nämlich eine Grundsatzentscheidung der AVVGesellschafter (Stadt und Kreis Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen) für die europaweite Vergabe im Jahr 2013. Schon zuvor protestierten die Busunternehmer aus der Region massiv gegen diesen Schritt. Der Rehlinger Reiseunternehmer Xaver Hörmann (Kreisrat Unabgekommen. hängige) führte in Sachen Regionalbuslinien-Vergabe mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem AVV – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Mit seiner Klage gegen die europaweite Ausschreibung seiner Linien scheiterte Hörmann im Frühjahr 2015 vor dem Verwaltungsgericht. Dagegen setzte sich Hörmann bei der Vergabekammer Südbayern mit seiner Anfechtung der Übergangsvereinbarungen des AVV mit bislang schon beauftragten Unternehmen durch und kippte damit das geplante Stufenmodell des AVV. Der Verkehrsverbund musste deshalb 2015 gleich vier Fünftel des Busverkehrs der Region auf einmal ausschreiben und vergeben. Geplant waren ursprünglich fünf Pakete mit Neuvergaben von 2016 bis 2021, um den Kuchen kleiner zu machen.
Hörmann unterlag in der folgenden Ausschreibung hauchdünn. Seit Anfang 2016 fährt die Bahntochter DB Regio Bus auf dessen früheren sieben Linien (450 000 Kilometer im Jahr) zwischen Aichach, Rehling und Augsburg. Auch im Süden des Landkreises ist die DB Regio jetzt mit ihren Bussen unterwegs. Mit Abschluss des aktuellen Verfahrens für die drei Bündel im Wittelsbacher Land sind dann alle AVV-Strecken erstmals EU-weit ausgeschrieben worden.