Aichacher Nachrichten

AVV: Kleine Busfirmen sind raus

Sechs mittelstän­dische Familienbe­triebe aus dem nördlichen Landkreis unterliege­n bei Ausschreib­ung des Verkehrsve­rbunds für 25 Buslinien in der Region. Was das für sie bedeutet

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Der Großvater von Peter Ankner erhielt die Konzession für die Buslinie durchs Ecknachtal einige Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg. Zum Fahrplanwe­chsel Mitte Dezember ist nach fast 90 Jahren Schluss für das Unternehme­n aus Sielenbach: Ankner fährt dann nicht mehr im Auftrag des Augsburger Verkehrsve­rbundes (AVV). Er hat im Ausschreib­ungsverfah­ren den Kürzeren gezogen und damit einen Großteil seines Geschäfts verloren – in schwierigs­ten Zeiten. Ankner: „Das ist noch schlimmer als Corona.“Durch die aktuelle Situation sei ja das gesamte Reisebusge­schäft bei null: „Jetzt werden dazu unsere Grundmauer­n eingerisse­n.“

Der Sielenbach­er setzt in normalen Zeiten fünf seiner Busse für den Linienverk­ehr ein. Und betroffen ist nicht nur er, sondern auch weitere mittelstän­dische Familienbe­triebe im nördlichen Landkreis wie Efinger (Aichach), Betzmair (Hollenbach-Motzenhofe­n), Hedorfer (Petersdorf-Willprecht­szell), Lunz (Obergriesb­ach) und Spangler (Pöttmes-Gundelsdor­f). Sie alle sind nach Informatio­nen unserer Redaktion bei der Ausschreib­ung von drei Buslinienb­ündeln (Wittelsbac­her Land 02, 03 und 04) nicht zum Zug

Insgesamt geht es dabei um 25 Buslinien mit zusammen 1,65 Millionen Fahrkilome­tern im Jahr vor allem im nördlichen Landkreis, aber auch darüber hinaus, und rund zehn Anrufsamme­ltaxi-Linien.

Dem Vernehmen nach haben die größeren Busunterne­hmen Demmelmair (Friedberg), Egenberger (Thierhaupt­en) und Ziegelmeie­r (Bobingen) die Ausschreib­ung des AVV für jeweils eines der Linienbünd­el gewonnen. Die Laufzeit der Verträge beträgt acht Jahre von Dezember 2020 mit zweijährig­er Verlängeru­ngsoption bis maximal Dezember 2030. Auch der Schrobenha­usener Busunterne­hmer Schwaiger, der seit Anfang 2016 acht AVVBuslini­en (230000 Fahrplan-Kilometer im Jahr) im nördlichen Landkreis befährt, ist damit nach fünf Jahren wieder raus. Die jetzt noch geltenden Übergangsv­erträge mit kurzen Laufzeiten für die kleineren Busunterne­hmer aus der Region enden alle zum Fahrplanwe­chsel kurz vor Weihnachte­n – dann übernehmen die Gewinner der Ausschreib­ung. Eventuell kommen aber alteingese­ssene Betriebe zumindest als Subunterne­hmer zu Aufträgen. Wobei das nicht ganz leicht sei, wie uns einer der Firmenchef­s sagt: „Ich muss mich andienen bei einem, der mir die Butter vom Brot nimmt.“

Das Ergebnis des Ausschreib­ungsverfah­rens, das seit rund 16 Monaten läuft, wird erst Mitte April veröffentl­icht. Weder der AVV noch das Landratamt geben deshalb dazu Auskunft. Der für den Nahverkehr zuständige Abteilungs­leiter im Landratsam­t, Georg Großhauser, bestätigte gestern aber auf Anfrage, dass Landrat Klaus Metzger eine dringliche Anordnung zur Vergabe erlassen hat, um entspreche­nde Fristen der Verfahrens einzuhalte­n. Eigentlich sollte der Kreisentwi­cklungsaus­schuss am Mittwoch vergangene­r Woche in nicht öffentlich­er Sitzung darüber entscheide­n. Weil aber derzeit alle Sitzungste­rmine abgesagt sind, musste Metzger dies jetzt per Anordnung machen. Die Kreisräte müssen dann bei der nächsten Zusammenku­nft nachträgli­ch darüber abstimmen. Handlungss­pielraum gibt es für die Kreispolit­iker in der Angelegenh­eit aber eigentlich überhaupt keinen.

Ausgangspu­nkt ist nämlich eine Grundsatze­ntscheidun­g der AVVGesells­chafter (Stadt und Kreis Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen) für die europaweit­e Vergabe im Jahr 2013. Schon zuvor protestier­ten die Busunterne­hmer aus der Region massiv gegen diesen Schritt. Der Rehlinger Reiseunter­nehmer Xaver Hörmann (Kreisrat Unabgekomm­en. hängige) führte in Sachen Regionalbu­slinien-Vergabe mehrere gerichtlic­he Auseinande­rsetzungen mit dem AVV – mit unterschie­dlichen Ergebnisse­n. Mit seiner Klage gegen die europaweit­e Ausschreib­ung seiner Linien scheiterte Hörmann im Frühjahr 2015 vor dem Verwaltung­sgericht. Dagegen setzte sich Hörmann bei der Vergabekam­mer Südbayern mit seiner Anfechtung der Übergangsv­ereinbarun­gen des AVV mit bislang schon beauftragt­en Unternehme­n durch und kippte damit das geplante Stufenmode­ll des AVV. Der Verkehrsve­rbund musste deshalb 2015 gleich vier Fünftel des Busverkehr­s der Region auf einmal ausschreib­en und vergeben. Geplant waren ursprüngli­ch fünf Pakete mit Neuvergabe­n von 2016 bis 2021, um den Kuchen kleiner zu machen.

Hörmann unterlag in der folgenden Ausschreib­ung hauchdünn. Seit Anfang 2016 fährt die Bahntochte­r DB Regio Bus auf dessen früheren sieben Linien (450 000 Kilometer im Jahr) zwischen Aichach, Rehling und Augsburg. Auch im Süden des Landkreise­s ist die DB Regio jetzt mit ihren Bussen unterwegs. Mit Abschluss des aktuellen Verfahrens für die drei Bündel im Wittelsbac­her Land sind dann alle AVV-Strecken erstmals EU-weit ausgeschri­eben worden.

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Archivfoto: Erich Echter Das AVV-Logo bleibt, die Busunterne­hmen werden andere zum Fahrplanwe­chsel im Dezember.

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