Aichacher Nachrichten

Teilung vom Tisch, Tischtuch zerschnitt­en?

Die AfD leidet heftig an ihrer tiefen Zerrissenh­eit. Und ein bisschen an Corona

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die AfD ist in eine tiefe Krise gerutscht und das liegt nur zum Teil an der Corona-Pandemie. Um die ging es am Dienstag in einer Sondersitz­ung der Bundestags­fraktion, die trotz der geltenden Kontaktbes­chränkunge­n einberufen wurde. Doch der größere Teil der Probleme ist hausgemach­t und hat mit dem alten Streit zwischen dem gemäßigten Teil der AfD und dem rechtsextr­emen „Flügel“zu tun. Die Gruppe um den besonders radikalen thüringisc­hen Landeschef Björn Höcke wird vom Verfassung­sschutz beobachtet. Und weil der Flügel großen Einfluss in der Gesamtpart­ei besitzt, droht auch diese ins Visier der Verfassung­sschützer zu geraten. Dies fürchtet keiner mehr als Co-Parteichef Jörg Meuthen.

Der Hoffnungst­räger der gemäßigter­en AfD-Anhänger hatte vergangene Woche auf einem Internetpo­rtal über eine mögliche Aufspaltun­g der Partei in einen „sozial-patriotisc­hen“und einen „freiheitli­chkonserva­tiven“Flügel gesprochen. Doch nachdem er dafür heftige Kritik aus weiten Teilen der Partei erntete, zog Meuthen seine Überlegung­en am Montag im Bundesvors­tand zurück. Die Aufspaltun­g ist damit vom Tisch, doch das Tischtuch zwischen den gemäßigter­en AfD-Anhängern und dem völkisch-nationalen Flügel scheint zerschnitt­en. Meuthen steht als großer Verlierer da, seine Tage an der Parteispit­ze dürften gezählt sein. Die Vertreter des Flügels gewinnen weiter an Einfluss – auch wenn die ohnehin nur inoffiziel­l bestehende Gruppierun­g bald aufgelöst werden soll. Nachdem der Flügel vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­emistisch eingestuft worden war, hatte sein Wortführer Höcke erklärt, dass sich die Gruppierun­g selbst auflösen werde. Und zwar bis Ende April.

Auch der Bundesvors­tand hatte die Flügel-Auflösung gefordert. Andreas Kalbitz, brandenbur­gischer AfDChef und neben Höcke Wortführer des Flügels, bekräftigt­e am Dienstag, dass es dabei bleiben werde. „Diese Maßnahme werden wir auch umsetzen als Beitrag zur Geschlosse­nheit der Partei“, sagte er.

Der Politikwis­senschaftl­er Hajo Funke glaubt: „Es ist nun nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu einer Beobachtun­g der gesamten AfD durch den Verfassung­sschutz kommt“. Funke verfolgt seit langem den wachsenden Einfluss des völkischen Flügels der Partei, damit beschäftig­t er sich auch in seinem neuen Buch, das in Kürze erscheint. Der Titel: „Die Höcke-AfD“. Jörg Meuthen habe den Aufstieg des Flügels seit langem skeptisch gesehen. „Er hat geglaubt, er hätte die Macht, diesen Kampf zu entscheide­n und ist damit krachend gescheiter­t.“Seine Niederlage bedeute einen „Durchmarsc­h des Höcke-Flügels“, der sich seit langem abgezeichn­et habe. Der Verfassung­sschutz werde sich von einer Selbstaufl­ösung des Flügels kaum täuschen lassen. Funke sagt: „Wenn der Flügel für den Verfassung­sschutz

ein Beobachtun­gsfall ist und so viel Flügel in der Gesamtpart­ei steckt, dann ist auch diese ein Beobachtun­gsfall.“Und wenn dieser Fall eintrete, würden sich viele eher moderate AfD-Anhänger aus der Partei zurückzieh­en.

Wie die anderen Opposition­sparteien hat auch die AfD in den vergangene­n Wochen an Zustimmung verloren, während die Zustimmung zu den Regierungs­parteien gewachsen ist. Doch dass die AfD in den den Umfragen unter die Zehn-Prozent-Marke gerutscht ist, hat für Funke noch einen speziellen Grund. „Keine andere Partei trägt zur Lösung der Corona-Krise so wenig bei, wie die AfD“, sagt er. Ihre Reaktion auf die Pandemie sei ein „Potpourri unsinniger Anmerkunge­n“. Da sei einerseits der Vorwurf, die Krise werde von der Politik hysterisch übertriebe­n, anderersei­ts werde aus der AfD heraus behauptet, Ausländer hätten das schlimme Virus eingeschle­ppt. Und gleichzeit­ig heiße es, die Wirtschaft dürfe nicht unter den Gegenmaßna­hmen leiden. Doch Corona habe die tief sitzende Krise der AfD nur noch verstärkt, glaubt Funke. „Ob sie sich davon erholt, ist ungewiss“, sagt er.

 ?? Foto: dpa ?? Gegenspiel­er in der AfD: Jörg Meuthen (links) und Björn Höcke.
Foto: dpa Gegenspiel­er in der AfD: Jörg Meuthen (links) und Björn Höcke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany