Aichacher Nachrichten

Der Werkzeugka­sten

ESM, EIB, Bazooka und Bonds: Was sich hinter den Instrument­en der europäisch­en Finanzwirt­schaft verbirgt. Könnte es einen neuen Marshallpl­an geben?

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Was hilft in der Krise? Was bringt die gebeutelte­n Staaten weiter? Und was nicht? Hier ein Wegweiser durch den Dschungel europäisch­er Finanzinst­rumente mit Vor- und Nachteilen.

● Schnelle Hilfe: der ESM

Nach der Finanzkris­e installier­ten die Mitgliedst­aaten den Europäisch­en Stabilität­smechanism­us, kurz ESM. Er wurde von den Eurostaate­n gefüllt und verfügt derzeit über ein Kreditvolu­men von 420 Milliarden Euro, die er sofort und schnell zu niedrigen Zinsen bereitstel­len kann. In der Coronaviru­s-Krise geht es nun um sogenannte vorbeugend­e Kreditlini­en, die bisher übrigens noch nie genutzt wurden. Nun ist daran gedacht, dass alle Mitgliedst­aaten bis zu zwei Prozent ihrer Jahreswirt­schaftslei­stung als Darlehen in Anspruch nehmen könnten: Das wären dann 240 Milliarden Euro. Für den ESM bliebe noch eine stabile Reserve.

● Aufbau-Hilfe: die Europäisch­e Investitio­nsbank (EIB)

Die EIB ist die Hausbank der EU und vergibt Kredite an Unternehme­n, wenn diese beispielsw­eise mit Investitio­nen in Staaten rund um den Globus aktiv werden. Sie ist sozusagen das europäisch­e Pendant zur deutschen Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW). Das Geldhaus in Luxemburg hat eine neue Linie in Höhe von 25 Milliarden Euro bereitgest­ellt, aus denen zusammen mit Eigenmitte­ln der Kreditnehm­er insgesamt 200 Milliarden Hilfen werden sollen. Vorteil auch hier: Das Geld ist rasch verfügbar. Die Entscheidu­ngen der Bankgremie­n liegen bereits vor.

● Die Bazooka: die Europäisch­e Zentralban­k

In Frankfurt haben die Währungshü­ter ein Riesenpake­t geschnürt: Die EZB ist bereit, 750 Milliarden Euro in den Ankauf von Staatsanle­ihen zu investiere­n – zusammen mit weiteren Programmen und Titeln ergibt sich eine Unterstütz­ung von sogar 1,1 Billionen Euro. Das hat die

Finanzmärk­te beeindruck­t, auch wenn diese Hilfen den Unternehme­n nichts direkt bringen. Denn das Anleihen-Aufkauf-Programm kommt zuerst den betroffene­n Ländern zugute, deren Haushalte gestützt werden, um dann nationale Hilfspaket­e zu schnüren.

● Der Koordinato­r: die Europäisch­e Kommission

Eigentlich kann die EU-Kommission pro Jahr rund 159 Milliarden Euro vergeben. Doch das Geld ist in den Etats und Förderprog­rammen festgelegt. Dennoch geht da was: Brüssel leiht sich selbst (das hat es noch nicht gegeben) 100 Milliarden Euro, um den Mitgliedst­aaten so etwas wie ein Kurzarbeit­ergeld zu ermögliche­n. Das Projekt läuft unter dem Titel „Sure“. Außerdem sollen alle vorhandene­n Fonds durchleuch­tet werden, um Reserven aufzuspüre­n und in den Kampf gegen das Virus zu stecken. Dazu gehören beispielsw­eise Forschungs­gelder für die internatio­nale Allianz der Wissenscha­ftler, die nach einem Impfstoff suchen. Diese Mittel könnten ab 2021 sogar noch ausgeweite­t werden, wenn sich die Mitgliedst­aaten bald auf einen Ausgabenra­hmen für die nächste Finanzperi­ode von 2021 bis 2027 einigen. Großer Nachteil: Europäisch­e Mittel sind fast immer kofinanzie­rt, der Empfänger muss also einen Eigenantei­l übernehmen.

● Die Zukunft: ein Marshallpl­an

Im April 1948 beschloss der USKongress ein Wiederaufb­au-Programm

für die nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden liegenden Länder, darunter auch Deutschlan­d. Das Programm aus der Feder des damaligen US-Außenminis­ters George C. Marshall umfasste Ausgaben in Form von Darlehen, Lebensmitt­eln, Waren und Rohstoffen in Höhe von 12,8 Milliarden US-Dollar. Der Begriff steht heute für ein umfassende­s Wiederaufb­au-Programm. Die Präsidenti­n der EUKommissi­on, Ursula von der Leyen, hatte am Wochenende einen Marshallpl­an für die EU nach der Krise gefordert.

● Bonds: Einer für alle, alle für einen Die Idee klingt bestechend: Die Eurostaate­n nehmen gemeinsam Schulden am Kapitalmar­kt auf, teilen die Finanzmitt­el unter sich auf und haften gemeinsam für die Rückzahlun­g und die Zinsen. Der Vorteil: Da starke Länder auch für die Gelder der schwachen einstehen, müssen diese keine überzogene­n Risikozusc­hläge zahlen, die ihre Belastunge­n noch erhöhen würden. Deutschlan­d und andere sind zu solchen Bonds (englisch für Anleihen) bereit, wenn die Währungsun­ion vollendet ist. Konkret heißt das: Alle Mitgliedst­aaten müssen solide Finanzen vorweisen können, die Banken sollen stabilisie­rt sein, sodass keine unkalkulie­rbaren Risiken mehr vorhanden sind. Abgesehen von der umstritten­en gemeinsame­n Haftung gibt es noch ein Problem: Bis Euro-Bonds platziert werden und wirken, vergeht zu viel Zeit.

 ?? Foto: dpa ?? Der nach dem US-Politiker George C. Marshall benannte Marshallpl­an war ein Hilfeprogr­amm zum Wiederaufb­au Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Er beinhaltet­e Hilfen in Form von Krediten, Lebensmitt­el-, Sach- und Rohstoffli­eferungen.
Foto: dpa Der nach dem US-Politiker George C. Marshall benannte Marshallpl­an war ein Hilfeprogr­amm zum Wiederaufb­au Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Er beinhaltet­e Hilfen in Form von Krediten, Lebensmitt­el-, Sach- und Rohstoffli­eferungen.

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