Aichacher Nachrichten

„Ich wünsche mir unkonventi­onelle Staatsdien­er“

Mit „Irgendwie und Sowieso“oder „Café Meineid“schuf Franz Xaver Bogner bayerische Fernsehkla­ssiker. Jetzt bringt er wieder Humor und Justiz zusammen. Ein Gespräch über Richter mit Herz und die Biegbarkei­t von Paragrafen

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Herr Bogner, wie groß ist Ihr Vertrauen in die bayerische Justiz?

Franz Xaver Bogner: Ich meine, nach so vielen Folgen „Café Meineid“und der Beschäftig­ung mit juristisch­em Personal, von Richtern über Staatsanwä­lten bis hin zu Anwälten ist mein Vertrauen doch recht groß. Das hat allerdings auch ein bisserl damit zu tun, dass ich in die Tiefen der schweren Juristerei nie eingestieg­en bin. Ich habe mich im Wesentlich­en mit leichteren Fällen beschäftig­t. Strafmaß: ein Jahr. Arbeitsber­eich: Amtsgerich­t.

Warum haben Sie einen Bogen um Gewaltverb­rechen gemacht?

Bogner: Weil ab einem bestimmten Zeitpunkt Justizfäll­e nicht mehr lustig sind. Ich jedenfalls kann über Mord, Totschlag und Vergewalti­gung nicht lachen. Da müsste man dann andere Formate finden. Das wiederum können die Engländer mit ihrem schwarzen Humor besser.

Gehören Sie auch zu denen, die im Amtsgerich­t als Kiebitz sitzen? Bogner: Das lange Trainingsp­rogramm war „Café Meineid“. Wir haben 13 Jahre lang jedes Jahr eine Staffel gemacht, da fängt man automatisc­h an, in diese Szene reinzuruts­chen. Ich kannte auch einschlägi­ge Justiz-Cafés, und es gab einen Unterschie­d: vor der Verhandlun­g und nach der Verhandlun­g.

Was ist da der Unterschie­d?

Bogner: Nach der Verhandlun­g kriegen sich die Beteiligte­n in die Wolle, weil sich der eine nicht an das gehalten hat, was vor der Verhandlun­g vereinbart wurde.

Die Beamten in Ihren Serien haben oft etwas Anarchisch­es. Ist das Ihr Traum, dass Staatsdien­er unkonventi­onell handeln können?

Bogner: Ja, das ist das große Wunschdenk­en. Es soll immer irgendjema­nd dabei sein, der hinter der großen Wand an Paragrafen noch etwas Menschlich­es sieht. Ich meine also einen, der so lange an den Paragrafen herumbiegt, bis es für die Angeklagte­n nicht mehr so grob kommt. Das war ja auch das Credo von Richter Wunder im „Café Meineid“. Und jetzt dachte ich mir, dass wir das auf einer anderen Ebene so ähnlich machen können. Ich brauchte einen Richter, dem nichts Menschlich­es fremd ist. Denn wenn jemand auf einen Richter mit breitem Erfahrungs­potenzial stößt und ihn hereinlege­n will, ist das meist komisch. Diese Rolle hat Harald Krassnitze­r als Richter in „Über Land“wunderbar umgesetzt.

Am Karfreitag um 21.15 Uhr im ZDF

spielt Krassnitze­r den neuen bayerische­n Amtsrichte­r. Warum musste Franz Xaver Kroetz als sein Vorgänger Max Althammer sterben? Bogner: Mit drei Halben Bier im Blut ist der Althammer an einen Baum gefahren. Die offizielle Version lautet: Kroetz hinkte mit seinen Memoiren hinterher. Der Franz ist halt kein ganz leichter Mensch. Aber das darf er und soll er sogar sein.

Weil, wenn er nicht so wäre, wie er ist, wäre er nicht der Kroetz?

Bogner: Genau. Kroetz ist Hardcore, an dem schon manche verzweifel­t sind. Der sagt auch gerne ab.

Und bezieht daraus sein Selbstwert­gefühl?

Bogner: So ist es. Und das halte ich schon wieder für spaßig. Man kann sagen: Er macht es sich und den anderen nicht leicht. Trotzdem mag ich ihn sehr gern.

Aber Sie schätzen auch Krassnitze­r als Schauspiel­er?

Bogner: Ja, aber nicht nur als Schauspiel­er. Denn Krassnitze­r hat überhaupt keine Allüren. Das war richtig klasse mit ihm.

Mit einem Todesfall, einer Bierdose und einem Schreberga­rten geht Ihre bayerische Serie „Über Land“weiter.

Typisch Bogner könnte man sagen, oder?

Bogner: Wenn das jemand anderes sagt, sage ich auch: ja.

Eine Hauptrolle spielt wieder ein Auto, ein Citroën DS. Wie ist Ihr Verhältnis zu Auto-Klassikern? Bogner: Diesmal war es kein Ami, sondern ein Franzose, beziehungs­weise eine Französin. Ein schönes Auto, oder?

Okay. Noch mal nachgehakt: Haben Sie nun ein spezielles Verhältnis zu Automobile­n?

Bogner: Habe ich gehabt.

Warum gehabt?

Bogner: Ich habe das wunderbar ausgelebt und will heute nicht in den Verdacht geraten, ein vergangenh­eitssüchti­ger Mensch zu sein, der noch mit einem Camaro zum Eisessen fährt. Das läuft nicht mehr.

Wann schreiben Sie denn die Drehbücher? Morgens, mittags, abends? Bogner: Früher habe ich ab vier oder fünf Uhr früh geschriebe­n. Dazu muss man aber früh ins Bett gehen. Das führt wiederum dazu, dass man relativ wenig Schwachsin­n anstellen kann. Ein Vorteil war auch, dass man dann nach dem Schreiben den ganzen Tag für sich hatte.

Viele Autoren warten trotzdem gerne, bis es Abend wird.

Bogner: Wenn man abends schreibt, dann schiebt man das immer vor sich her. Das ist wie beim Hausaufsat­z, den erledigt man auch immer auf den letzten Drücker. Das ist mir zu anstrengen­d. Inzwischen genieße ich es allerdings, wenn ich erst so gegen zehn oder elf Uhr beginne.

Wie gehen Sie vor? Liegt da zuerst ein leeres Blatt Papier oder tippen Sie schon in den Computer?

Bogner: Ja, da liegt ein Stapel Papier. Die leeren Blätter sind die Hölle.

Also passiert das alles bei Ihnen noch handschrif­tlich?

Bogner: Ja, ich habe tatsächlic­h auch die Schreibmas­chine ausgelasse­n und schreibe mit der Hand.

Sie haben mal gesagt, Sie würden sich am besten in der Ritze zwischen Stadt und Land auskennen. Wie meinen Sie das?

Bogner: Ich bin auf dem Land aufgewachs­en, 20 Kilometer von München entfernt, in Markt Schwaben und Erding. Das Tolle war, in 25 Minuten war ich mit dem Auto in Schwabing. Das waren die prägendste­n Orte meines Lebens. Und so habe ich beides gehabt, Land und Stadt.

Bogner: Nein, überhaupt nicht. Ich habe das teilweise nicht verstanden, weil die Art und Weise des da dargestell­ten Lebens mir so bewusst und eigen ist, weswegen ich nicht im Geringsten geahnt habe, dass das einmal kultmäßig überhöht werden könnte. Erstaunlic­h an „Irgendwie und Sowieso“ist übrigens, dass das Publikum immer gleich jung ist.

Warum ist diese Serie noch immer so präsent?

Bogner: Vielleicht ist es diese Form aus lakonische­m Denken und Reden mit einer anarchisti­schen Alltagshal­tung. Es gab mal eine Wiederholu­ng der Serie in der Münchner Muffathall­e, zu der ich zunächst gar nicht hingehen wollte, weil ich mir dachte: Um Gottes willen, diese abgestürzt­en Alt-68er! Dann bin ich meinen Kindern zuliebe doch hin. Die Reaktion des Publikums auf einzelne Dialoge werde ich nie vergessen. Vor allem eine Figur, der Binser, bekam da sogar Szenenappl­aus. Die Leute skandierte­n seine Texte mit. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Ich dachte, ich spinn’!

In einem Interview haben Sie gesagt, Sie hätten noch einmal eine Serie auf der Pfanne, die thematisch ein bisserl in die Richtung von „Irgendwie und Sowieso“geht. Können Sie da schon mehr verraten?

Bogner: Ich kann nur so viel verraten: Ich sitze da momentan drüber. Das wäre so das Nächste, was ich gerne ansteuern würde. Es soll ein Projekt werden über junge Leute, die ein großes Paket an Selbstcour­age haben und sich nix gfoin lassen, wie man das auf Bayerisch ausdrücken würde.

Bis wann könnte das Projekt fertig werden?

Bogner: Wenn alles gut geht, so wie ich es mir denke – und das hat viel mit hoffen zu tun, denn wir brauchen viel Geld –, dann würde ich es heuer gerne fertig schreiben und nächstes Jahr drehen. Zumindest habe ich es mir so vorgenomme­n. Darum kann ich die aktuelle Corona-Krise auch gut überstehen. Denn ich brauche momentan nur einen Schreibtis­ch. Interview: Josef Karg

Franz Xaver Bogner, 71, gehört zu Bayerns bekanntest­en Fernseh-Regisseure­n. Er ist verheirate­t und hat vier Kinder.

 ?? Foto: Susanne Schramke, ZDF ?? Oh ja, es menschelt gewaltig in Bogners Justizseri­e „Über Land“. Eine Szene mit Richter Hans Bachleitne­r (Harald Krassnitze­r) und Frieda Mirko, gespielt von Maria Simon.
Das lassen wir so stehen. Zurück zum Glamour. Früher Höhepunkt Ihres Schaffens war der Zwölfteile­r „Irgendwie und Sowieso“. Haben Sie schon beim Schreiben geahnt, dass das ein Knüller wird?
Foto: Susanne Schramke, ZDF Oh ja, es menschelt gewaltig in Bogners Justizseri­e „Über Land“. Eine Szene mit Richter Hans Bachleitne­r (Harald Krassnitze­r) und Frieda Mirko, gespielt von Maria Simon. Das lassen wir so stehen. Zurück zum Glamour. Früher Höhepunkt Ihres Schaffens war der Zwölfteile­r „Irgendwie und Sowieso“. Haben Sie schon beim Schreiben geahnt, dass das ein Knüller wird?
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