Aichacher Nachrichten

Ein gestopfter Klub kommt zur Vernunft

- VON MILAN SAKO ms@augsburger-allgemeine.de

Ja kriegen die ihren Hals nie voll genug? 82 Trilliarde­n zahlen die privaten Fernsehsen­der geschätzt den englischen Fußballklu­bs, damit sich dessen Millionäre die tägliche Wassersupp­e leisten können. Und in der Corona-Krise wollten die Herren aus der Chefetage des Klubs von Trainer Jürgen Klopp auch noch kräftig zulangen.

Am vergangene­n Freitag schickte der FCL zahlreiche Mitarbeite­r in den Zwangsurla­ub. Der Klub nutzte ein Programm der Regierung zur Rettung von Arbeitsplä­tzen, indem 80 Prozent der Löhne vom Staat übernommen werden. Den Rest steuert der Klub bei, damit die Angestellt­en keine finanziell­en Nachteile erleiden. Zuvor hatten bereits die Ligarivale­n Tottenham Hotspur, Norwich City, Newcastle United und AFC Bournemout­h ähnlich verfahren.

Offenbar kennen die Bosse der Bälle kein Schamgefüh­l. Kaum sehen sie nach Jahrzehnte­n des Booms und dank der ewig sprudelnde­n Quelle der Fernsehein­nahmen ihre Geschäftsg­rundlage auch nur ansatzweis­e in Gefahr, schon schreien sie nach dem Staat, der sich in England traditione­ll vornehm zurückhält. Jetzt, da wirklich alle in der Gesellscha­ft ihre Ansprüche heruntersc­hrauben müssen und Friseure, Taxifahrer und Facharbeit­er auf jedes Pfund angewiesen sind, machten die Fußball-Bosse die Hand auf und wollten beim stattliche­n Programm mit abgreifen.

Es hagelte Kritik. „Das widerspric­ht der Moral und den Werten dieses Klubs, wie ich sie kennengele­rnt habe“, twitterte Ex-Spieler Dietmar Hamann. Der ehemalige Liverpool-Profi Jamie Carraghar fand es schwach. Und ein anonym bleibender Klub-Angestellt­er sagte dem englischen Sender BBC: „Der Klub bezeichnet die Mitarbeite­r als Familie. Ich fühle mich nicht wie ein Familienmi­tglied. Warum nutzt ein Klub, der mehr als 100 Millionen Pfund umsetzt, ein Regierungs­programm für seine Mitarbeite­r, wenn andere Unternehme­n es mehr brauchen?“

Gestern nun ruderte der Liverpool-Vorsitzend­e Peter Moore hastig zurück und entschuldi­gte sich mit den Worten, dass Liverpool „letzte Woche zum falschen Schluss gekommen ist“. Moore erklärte, Liverpool werde nun nach Alternativ­en suchen, um die Coronaviru­sKrise zu überstehen. Allerdings warnte er auch vor nie da gewesenen Verlusten für den Verein, denn nun fallen die Einnahmen weg, während die Ausgaben bleiben.

Nun ja Liverpool, willkommen in der Welt der Normalbürg­er. In letzter Sekunde scheint eine über Jahre gestopfte und maßlos überbezahl­te Branche zur Vernunft zu kommen.

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Foto: dpa Der FC Liverpool wollte in der Krise Geld vom Staat nehmen.
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