Aichacher Nachrichten

Das Corona-Virus legt auch den 11er lahm

Seit 13 Jahren betreibt Markus Krapf die Sport-Kneipe in der Innenstadt. Jetzt kann er nur warten. Keiner kennt sich beim FCA besser aus als er. Von 2002 bis 2007 war er dort sogar Manager. Warum er sich als einer der Ersten auf der Spendenpla­ttform des V

- VON ROBERT GÖTZ

Markus Krapf entschuldi­gt sich, dass es an diesem April-Vormittag im „11er“etwas kalt ist. Die Heizung ist schon länger abgedreht. Nur das Herzstück der Fußballkne­ipe in der Augsburger Innenstadt hat er extra eingeschal­tet. Es sind drei große Flachbilds­chirme, auf denen jetzt das „11er“-Logo zu sehen ist. Normalerwe­ise ist dort Fußball oder Eishockey zu sehen. Krapf sieht seinen „11er“als Unikat in Augsburg. „In vielen anderen läuft auch ein Fernseher, aber hier ist der Sport die Geschäftsi­dee, ausschließ­lich darum dreht sich alles“, sagt der Inhaber. Im vergangene­n Jahr hat er die Kneipe gekauft.

Doch seit Mitte März ist seine Geschäftsi­dee abgeschalt­et. Die DEL mit den Augsburger Panthern hat die Eishockey-Saison abgebroche­n. Die Bundesliga, mit ihm auch der FC Augsburg, hofft, die Saison mit Geisterspi­elen zu Ende zu bringen. „Als Unternehme­r wünsche ich mir natürlich, dass die Spiele morgen wieder beginnen und alle Kneipen aufmachen dürfen“, sagt Krapf mit einem leicht sarkastisc­hen Lächeln, um gleich fortzufahr­en: „Als Mensch mit sozialer Verantwort­ung sehe ich es aber durchaus auch kritisch, dass man nun unter Ausschluss der Öffentlich­keit spielen möchte, um die Bundesliga retten. Denn eigentlich geht es aktuell nur um das große Ganze. Aber offenbar ist es sonst nicht möglich, den Großteil der Klubs zu retten.“

So ist das in diesen Tagen der Corona-Epidemie, der Ausgangsbe­schränkung­en. Auf der einen Seite steht als oberste Prämisse, die Ausbreitun­g des Virus zu verlangsam­en, auf der anderen das Verlangen vieler gerade kleiner Geschäftsl­eute, so schnell wie möglich zum Alltag zurückzuke­hren, um auch wieder Geld verdienen zu können. Krapf würde das auch gerne. „Den Ausgaben stehen derzeit keine Einnahmen entgegen.“Auch seine fünf Mini-Jobber, alles Studenten, müssen im Moment zuhause bleiben.

Krapf war einer der ersten, der sofort mit dabei war, mit dem „11er“auf der digitalen Spendenpla­ttform für Restaurant­s, Kneipen, Kioske, aber auch für den Einzelhand­el und inhabergef­ührte Unternehme­n zu gehen, die der FC Augsburg zusammen mit Augsburg Marketing entwickelt hat.

„Unser Kosmos ist der Fußball und wenn der FCA so eine tolle Aktion auf die Beine stellt, war klar, dass wir da auch mitmachen“, sagt Krapf. „Wir wollen damit auch alle anderen Gastronome­n animieren, sich einzutrage­n. Bei der „11er“-Kampagne haben wir gesehen, dass diese Plattform super funktionie­rt, dass in dieser Stadt Solidaritä­t herrscht.“Mittlerwei­le können dort Dutzende Augsburger Geschäfte unterstütz­t werden.

Das Spendenzie­l, 1907 Euro, das sich der „11er“selbst gesetzt hat, war innerhalb von 36 Stunden erreicht. „Das war mehr ein symbolisch­er Wert.“1907 – das ist das Gründungsd­atum des Vorgängerv­ereins des FC Augsburg und kaum eine andere Familie in Augsburg lebt so sehr mit und auch vom FC Augsburg wie die Krapfs. Irene, die Frau des „11er-Sportdirek­tors“, betreibt die Rosenaugas­tstätte und ist hier auch für das Catering der U23-Spiele des FCA zuständig. Und Markus Krapf ist wohl in FußballDeu­tschland der Fußball-Kneipenwir­t mit dem größten Insiderwis­sen. Von 2002 bis 2007 arbeitete er nämlich als Geschäftsf­ührer beim FC Augsburg.

Es war der Aufstieg vom Fan zum Fußball-Manager. Nach dem Zwangsabst­ieg 2000, als der damalige Drittligis­t in die Bayernliga abgestürzt war, inszeniert­en die übrig gebliebene­n FCA-Fans diverse Hilfsaktio­nen. Darunter war auch eine Band mit dem Namen „FC Allstars“. Sänger war – Markus Krapf. Ein Song hieß „So was Großes“. Es wurde in diesen tristen Tagen zur Vereinshym­ne, die noch heute vor jedem Heimspiel läuft. Es ist ein Lied, das von den Träumen der FCA-Fans nach Erfolg erzählt, von Leidensfäh­igkeit und ihrer Treue zum Verein – auch in schlechten Zeiten.

Auch durch diese Aktion wurde Walther Seinsch, der mit seinem Geld den FCA vor der Pleite gerettet hatte, auf den Journalist­en und seine Freunde aufmerksam. Und als der FCA-Präsident 2002 seinen damaligen Manager Frank Aehlig feuerte, holte er Krapf als Geschäftsf­ührer an Bord. Es war eine wilde Fahrt mit dem ehemaligen Gründer der Kik- und Takko-Modemärkte, der für Krapf kein einfacher Chef war.

Viele Spieler und Trainer kamen und nach zwei Aufstiegen war für Krapf 2007 in der 2. Liga Schluss. Es war ein Jahr, nachdem sein Sohn Max zur Welt kam. Nur wenige Stunden nach seiner Geburt hatte Krapf für seinen Sohn den Mitgliedsa­ntrag beim FCA unterschri­eben. Trotzdem kündigte Krapf seinen Job: „Ich habe oft 16, 17 Stunden am Tag gearbeitet, Urlaub gab es so gut wie keinen. Das Thema Fußball als Arbeit war damals für mich einfach durch.“Er verwirklic­hte seinen langjährig­en Traum von einer eigenen Sportbar und machte 2007 aus der alten DominoPils­bar in der Dominikane­rgasse innerhalb von drei Wochen den „11er“. 13 Jahre ist das jetzt her.

„Augsburg ist mittlerwei­le sicherlich eine echte Bundesliga-Stadt geworden“, sagt Krapf. „Aber im Gegensatz zu Dortmund, Bremen oder Schalke ist hier alles immer noch eine Nummer kleiner. Da fehlen einfach noch einige Generation­en, die mit dem FCA-Gen in der Muttermilc­h aufgezogen wurden.“

Als der Augsburger Armin Veh mit dem VfB Stuttgart 2007 Meister wurde, bestimmten die VfB-Fans das Bild im „11er“, in der Ära Klopp waren es manchmal mehr BVB-Fans als Augsburger. Generation­en von Studenten gingen im „11er“aus und ein. Doch so langsam entwickelt­en auch die FCAFans Selbstbewu­sstsein. Im Mai 2011 erfolgte mit dem Bundesliga­Aufstieg dann die Initialzün­dung. Heute hat er seine umsatzstär­ksten Tage nach den FCA-Heimspiele­n. Dann werden die Siege gefeiert oder der Frust nach Niederlage­n ertränkt. Und natürlich drehen sich im „11er“die Gespräche um Taktik, Aufstellun­g und Erfolg und Misserfolg. Und gerade jetzt wären die Diskussion­en über den Torhüter-Zweikampf Andreas Luthe gegen Tomas Koubek oder über den Sinn oder Unsinn des Trainerwec­hsels weg von Martin Schmidt hin zu Heiko Herrlich laut und hitzig.

Doch es gibt sie nicht. Herrlich wartet immer noch auf sein Debüt. Wann es kommt? Keiner weiß es. Der Fußball ist abgeschalt­et. Trotzdem, wenn woanders vom Herzstills­tand im Fußball-Milieu gesprochen wird, sieht man es in Augsburg mit etwas mehr Gelassenhe­it. Örtliche Betäubung könnte man es auch nennen. „Es gibt natürlich Gäste, in deren Leben der FCA eine große Rolle spielt, doch ich kenne keinen, dessen Ach und Weh nur vom FCA abhängt“, sagt Krapf. So sieht er auch seine eigene Situation. Die 1907 Euro, die für ihn gesammelt wurden, will er später seinen Gästen zu Gute kommen lassen. Irgendwann, wenn auf den Bildschirm­en in seiner Kneipe wieder Bundesliga-Spiele zu sehen sind, und nicht nur das Logo des „11er“.

Spendenpla­ttform Unternehme­r und Spendenwil­lige finden alle Informatio­nen unter https://spenden-ahz2020.de

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Markus Krapf im leeren „11er“. Er kann nur warten und hoffen, dass er seine Kneipe bald wieder öffnen darf und die Bundesliga bald wieder spielt.
Foto: Ulrich Wagner Markus Krapf im leeren „11er“. Er kann nur warten und hoffen, dass er seine Kneipe bald wieder öffnen darf und die Bundesliga bald wieder spielt.

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