Das Corona-Virus legt auch den 11er lahm
Seit 13 Jahren betreibt Markus Krapf die Sport-Kneipe in der Innenstadt. Jetzt kann er nur warten. Keiner kennt sich beim FCA besser aus als er. Von 2002 bis 2007 war er dort sogar Manager. Warum er sich als einer der Ersten auf der Spendenplattform des V
Markus Krapf entschuldigt sich, dass es an diesem April-Vormittag im „11er“etwas kalt ist. Die Heizung ist schon länger abgedreht. Nur das Herzstück der Fußballkneipe in der Augsburger Innenstadt hat er extra eingeschaltet. Es sind drei große Flachbildschirme, auf denen jetzt das „11er“-Logo zu sehen ist. Normalerweise ist dort Fußball oder Eishockey zu sehen. Krapf sieht seinen „11er“als Unikat in Augsburg. „In vielen anderen läuft auch ein Fernseher, aber hier ist der Sport die Geschäftsidee, ausschließlich darum dreht sich alles“, sagt der Inhaber. Im vergangenen Jahr hat er die Kneipe gekauft.
Doch seit Mitte März ist seine Geschäftsidee abgeschaltet. Die DEL mit den Augsburger Panthern hat die Eishockey-Saison abgebrochen. Die Bundesliga, mit ihm auch der FC Augsburg, hofft, die Saison mit Geisterspielen zu Ende zu bringen. „Als Unternehmer wünsche ich mir natürlich, dass die Spiele morgen wieder beginnen und alle Kneipen aufmachen dürfen“, sagt Krapf mit einem leicht sarkastischen Lächeln, um gleich fortzufahren: „Als Mensch mit sozialer Verantwortung sehe ich es aber durchaus auch kritisch, dass man nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen möchte, um die Bundesliga retten. Denn eigentlich geht es aktuell nur um das große Ganze. Aber offenbar ist es sonst nicht möglich, den Großteil der Klubs zu retten.“
So ist das in diesen Tagen der Corona-Epidemie, der Ausgangsbeschränkungen. Auf der einen Seite steht als oberste Prämisse, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, auf der anderen das Verlangen vieler gerade kleiner Geschäftsleute, so schnell wie möglich zum Alltag zurückzukehren, um auch wieder Geld verdienen zu können. Krapf würde das auch gerne. „Den Ausgaben stehen derzeit keine Einnahmen entgegen.“Auch seine fünf Mini-Jobber, alles Studenten, müssen im Moment zuhause bleiben.
Krapf war einer der ersten, der sofort mit dabei war, mit dem „11er“auf der digitalen Spendenplattform für Restaurants, Kneipen, Kioske, aber auch für den Einzelhandel und inhabergeführte Unternehmen zu gehen, die der FC Augsburg zusammen mit Augsburg Marketing entwickelt hat.
„Unser Kosmos ist der Fußball und wenn der FCA so eine tolle Aktion auf die Beine stellt, war klar, dass wir da auch mitmachen“, sagt Krapf. „Wir wollen damit auch alle anderen Gastronomen animieren, sich einzutragen. Bei der „11er“-Kampagne haben wir gesehen, dass diese Plattform super funktioniert, dass in dieser Stadt Solidarität herrscht.“Mittlerweile können dort Dutzende Augsburger Geschäfte unterstützt werden.
Das Spendenziel, 1907 Euro, das sich der „11er“selbst gesetzt hat, war innerhalb von 36 Stunden erreicht. „Das war mehr ein symbolischer Wert.“1907 – das ist das Gründungsdatum des Vorgängervereins des FC Augsburg und kaum eine andere Familie in Augsburg lebt so sehr mit und auch vom FC Augsburg wie die Krapfs. Irene, die Frau des „11er-Sportdirektors“, betreibt die Rosenaugaststätte und ist hier auch für das Catering der U23-Spiele des FCA zuständig. Und Markus Krapf ist wohl in FußballDeutschland der Fußball-Kneipenwirt mit dem größten Insiderwissen. Von 2002 bis 2007 arbeitete er nämlich als Geschäftsführer beim FC Augsburg.
Es war der Aufstieg vom Fan zum Fußball-Manager. Nach dem Zwangsabstieg 2000, als der damalige Drittligist in die Bayernliga abgestürzt war, inszenierten die übrig gebliebenen FCA-Fans diverse Hilfsaktionen. Darunter war auch eine Band mit dem Namen „FC Allstars“. Sänger war – Markus Krapf. Ein Song hieß „So was Großes“. Es wurde in diesen tristen Tagen zur Vereinshymne, die noch heute vor jedem Heimspiel läuft. Es ist ein Lied, das von den Träumen der FCA-Fans nach Erfolg erzählt, von Leidensfähigkeit und ihrer Treue zum Verein – auch in schlechten Zeiten.
Auch durch diese Aktion wurde Walther Seinsch, der mit seinem Geld den FCA vor der Pleite gerettet hatte, auf den Journalisten und seine Freunde aufmerksam. Und als der FCA-Präsident 2002 seinen damaligen Manager Frank Aehlig feuerte, holte er Krapf als Geschäftsführer an Bord. Es war eine wilde Fahrt mit dem ehemaligen Gründer der Kik- und Takko-Modemärkte, der für Krapf kein einfacher Chef war.
Viele Spieler und Trainer kamen und nach zwei Aufstiegen war für Krapf 2007 in der 2. Liga Schluss. Es war ein Jahr, nachdem sein Sohn Max zur Welt kam. Nur wenige Stunden nach seiner Geburt hatte Krapf für seinen Sohn den Mitgliedsantrag beim FCA unterschrieben. Trotzdem kündigte Krapf seinen Job: „Ich habe oft 16, 17 Stunden am Tag gearbeitet, Urlaub gab es so gut wie keinen. Das Thema Fußball als Arbeit war damals für mich einfach durch.“Er verwirklichte seinen langjährigen Traum von einer eigenen Sportbar und machte 2007 aus der alten DominoPilsbar in der Dominikanergasse innerhalb von drei Wochen den „11er“. 13 Jahre ist das jetzt her.
„Augsburg ist mittlerweile sicherlich eine echte Bundesliga-Stadt geworden“, sagt Krapf. „Aber im Gegensatz zu Dortmund, Bremen oder Schalke ist hier alles immer noch eine Nummer kleiner. Da fehlen einfach noch einige Generationen, die mit dem FCA-Gen in der Muttermilch aufgezogen wurden.“
Als der Augsburger Armin Veh mit dem VfB Stuttgart 2007 Meister wurde, bestimmten die VfB-Fans das Bild im „11er“, in der Ära Klopp waren es manchmal mehr BVB-Fans als Augsburger. Generationen von Studenten gingen im „11er“aus und ein. Doch so langsam entwickelten auch die FCAFans Selbstbewusstsein. Im Mai 2011 erfolgte mit dem BundesligaAufstieg dann die Initialzündung. Heute hat er seine umsatzstärksten Tage nach den FCA-Heimspielen. Dann werden die Siege gefeiert oder der Frust nach Niederlagen ertränkt. Und natürlich drehen sich im „11er“die Gespräche um Taktik, Aufstellung und Erfolg und Misserfolg. Und gerade jetzt wären die Diskussionen über den Torhüter-Zweikampf Andreas Luthe gegen Tomas Koubek oder über den Sinn oder Unsinn des Trainerwechsels weg von Martin Schmidt hin zu Heiko Herrlich laut und hitzig.
Doch es gibt sie nicht. Herrlich wartet immer noch auf sein Debüt. Wann es kommt? Keiner weiß es. Der Fußball ist abgeschaltet. Trotzdem, wenn woanders vom Herzstillstand im Fußball-Milieu gesprochen wird, sieht man es in Augsburg mit etwas mehr Gelassenheit. Örtliche Betäubung könnte man es auch nennen. „Es gibt natürlich Gäste, in deren Leben der FCA eine große Rolle spielt, doch ich kenne keinen, dessen Ach und Weh nur vom FCA abhängt“, sagt Krapf. So sieht er auch seine eigene Situation. Die 1907 Euro, die für ihn gesammelt wurden, will er später seinen Gästen zu Gute kommen lassen. Irgendwann, wenn auf den Bildschirmen in seiner Kneipe wieder Bundesliga-Spiele zu sehen sind, und nicht nur das Logo des „11er“.
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