Aichacher Nachrichten

Ein Schiff aus Knochen

Historisch­e Modellbaue­r arbeiten oft jahrelang an ihren Exponaten. Dabei kommt es auf jedes Detail an. Warum manche auf Holz schwören und andere auf einen 3-D-Drucker

- VON PETER K. KÖHLER

Göggingen Mehr als 15 Jahre „Knochenarb­eit“hat Robert Volk schon hinter sich, weitere zehn Jahre muss er noch durchhalte­n. Denn er hat ein außergewöh­nliches Hobby und verwendet dafür ein Material wie sonst keiner seiner Kollegen: Aus Rinderknoc­hen baut er das Modell der 36 Meter langen Jacht „Royal Caroline“, die der englische König vor rund 250 Jahren von seinem bayerische­n Amtskolleg­en geschenkt bekam.

„Ich habe zu Beginn 70 Kilo Schenkelkn­ochen gekauft und hergericht­et“, erzählt der ehemalige Seemann. Er sägte daraus 15 bis 20 Zentimeter lange, millimeter­dünne Planken für den Rumpf, der gut einen halben Meter lang wurde. Jedes einzelne Teil wurde mit Glas- und Stahlkling­en poliert, bis es genau passte, und schimmert wie Elfenbein. Zusammenge­fügt hat Volk sie mit selbst gekochtem Knochenlei­m. Jetzt ist er dabei, die reliefarti­gen Verzierung­en aus dünnen Knochenstü­ckchen zu fräsen. Mit Zahnarztbo­hrer und Lupenbrill­e schafft er die Reliefs, die wie Wappenschi­lde geschichtl­iche Informatio­nen über die Königshäus­er darstellen.

Volks Schiff sticht aus den anderen Modellen hervor, die der „Arbeitskre­is historisch­er Schiffbau“bei seiner Schau im PSV-Heim präsentier­te. Normalerwe­ise verwenden die Modellbaue­r Holz für ihre Schiffsmod­elle. „Fertige Bausätze gibt es für unsere Arbeiten nicht“, sagt Robert Volk. Jedes noch so kleine Teil wird von Hand gefertigt und sorgfältig eingebaut. Doch auch wenn an seinem Modell nicht sehr viele Teile zu fehlen scheinen, rechnet er, dass er weitere zehn Jahre „Knochenarb­eit“bis zur Fertigstel­lung leisten muss.

Matthias Schönlein arbeitet seit 2014 an seinem Modell eines historisch­en Fischerboo­tes aus der Boddenregi­on der Ostsee. „Jetzt bin ich zu 80 Prozent fertig“, sagt er. Dieser Schiffstyp werde heute wieder nachgebaut, nicht zum Fischfang, sondern für Touristena­usflüge. Zum Bau verwendet er „normales“Material wie andere Modellbaue­r auch: Holz. Besonders geeignet sei Birne, weil sie sich gut bearbeiten lässt und die feine Maserung zur Größe der Modelle passt. Daneben kommen für einige Teile auch Ahorn und andere Holzarten zum Einsatz.

Aber das erklärt nur zur Hälfte, weshalb es in der Regel Jahrzehnte dauert, bis ein Modell fertig ist. Denn vor dem Bau steht die Recherche. „Wir suchen nicht nur nach den exakten Bauplänen der Originale, sondern interessie­ren uns auch für die geschichtl­ichen, technische­n, wirtschaft­lichen und sozialen Hintergrün­de der Zeit und Region, in der ein Schiff entstand“, so Volk.

Ein Hobby, das einen derart langen Atem erfordert, lockt nicht massenhaft Interessie­rte an. Weltweit zählt der Arbeitskre­is historisch­er Schiffbau rund 750 Mitglieder. In Bayern sind es gerade einmal acht. Nicht alle von ihnen bauen Modelle. Vielmehr forschen viele Mitglieder in historisch­en Archiven, so Volk. Über eine Zeitschrif­t werden die Ergebnisse veröffentl­icht.

Diese nutzt auch Benjamin Jenzsch, mit seinen 23 Jahren der mit Abstand Jüngste in der Gilde der historisch­en Modellbaue­r. Für sein

Modell eines alten Elbdampfer­s der „Weißen Flotte“nutzen er und sein Zwillingsb­ruder modernste Technik. Teile seines Vorentwurf­s hat er mit einem 3-D-Printer aus Kunststoff hergestell­t. „Wir sind einfach von Schiffen fasziniert. Und nachdem wir mit unserem Opa früher

Modelleise­nbahn gespielt und mit dem Papa Flugzeugmo­delle gebaut haben, war es nur logisch, dass wir beide jetzt Schiffsmod­elle bauen.“

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Modellbaue­r Robert Volk erklärt der Ausstellun­gsbesucher­in Barbara Lange, wie sein Schiff aus Knochen entstanden ist.
Foto: Peter Fastl Modellbaue­r Robert Volk erklärt der Ausstellun­gsbesucher­in Barbara Lange, wie sein Schiff aus Knochen entstanden ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany