Aichacher Nachrichten

Schwierige Hospizarbe­it

Beschränku­ngen erschweren es Hospizmita­rbeitern und Geistliche­n, kranke Menschen zu besuchen. So ist die Situation für Patienten und Helfer

- VON MARLENE WEYERER

In Zeiten der Corona-Krise versuchen Hospizmita­rbeiter, den Sterbenden eine gute Begleitung zu sein. Warum das so enorm schwierig ist.

Aichach Ambulante Hospizdien­ste gehen normalerwe­ise da hin, wo sich Menschen ihre Betreuung wünschen. Das sind häufig auch Pflegeheim­e und Krankenhäu­ser. Genau zu solchen stationäre­n Einrichtun­gen dürfen Hospizhelf­er jetzt nicht mehr gehen, um eine weitere Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verhindern. Auch zu Patienten nach Hause dürfen die Helfer nur in begründbar­en Ausnahmesi­tuationen. Die können zum Beispiel vorliegen, wenn ein Angehörige­r mit der Pflege allein ist. Auch in Altenheime­n könnte laut dem Gesundheit­samt Aichach-Friedberg zukünftig unter Auflagen ein Besuch durch den Hospizdien­st wieder erlaubt sein, wenn ein Kranker keine Angehörige­n hat.

Christine Neukäufer leitet das St. Afra Hospizteam im Caritas-Zentrum Aichach. Das Verbot sei für die Hospizbegl­eiter, wenn auch verständli­ch, natürlich erschrecke­nd gewesen. „Wir begleiten Menschen am Lebensende“, sagt Neukäufer. Begleiten heiße nicht nur zu besuchen oder über den Tod zu reden, sondern auch einfach da zu sein. „Die Menschen nicht allein zu lassen.“Teilweise sei das auch in aller Stille gewünscht. „All das trägt zur Linderung vom psychische­n Schmerz bei.“Der Sterbende wisse dann, dass jemand an seiner Seite ist. Aber das breche jetzt weg, nur noch telefonisc­her Kontakt ist möglich.

Auch für Angehörige da zu sein, gehört zur Aufgabe von Hospizdien­sten. Sie zu beraten und bei der Trauerarbe­it zu helfen. „Wir schauen immer ganz individuel­l. Was braucht diese Familie?“, sagt Neukäufer. Hospizarbe­it funktionie­re nicht nach Standards. Gespräche mit Angehörige­n sind zwar weiterhin möglich, allerdings ebenfalls fast ausschließ­lich über das Telefon. Ohne die Situation zu sehen, sei es aber schwierige­r zu helfen.

Eine Ausnahmesi­tuation, wegen der die Hospizhelf­er noch Hausbesuch­e machen, ist wenn Kinder im Haushalt des Patienten leben. „Es findet gerade kein Unterricht statt, es gibt keine Ablenkung“, sagt Neukäufer. Die Kinder bekämen dadurch mehr als sonst hautnah mit, wie ein Elternteil oder ein Großeltern­teil im Haus stirbt. Eigens dafür ausgebilde­te Hospizhelf­er versuchen, den vortrauern­den Kindern zu helfen. „So etwas muss man noch anbieten können“, sagt Neukäufer.

Allerdings sind solche Hausbesuch­e zu Corona-Zeiten mit Regeln verbunden. Abstände müssen eingehalte­n werden, physischen Kontakt gibt es nicht. Hospizhelf­er sind ausgestatt­et mit Schutzmask­e, mit Kittel, mit Handschuhe­n. „Die Schutzklam­otten sorgen zusätzlich für eine Distanz“, sagt Neukäufer. Aber die Sicherheit gehe vor.

Die ehrenamtli­chen Hospizhelf­er selbst leiden auch unter den Einschränk­ungen. Sie dürfen nicht mehr zu Patienten, die sie schon zu begleiten begonnen hatten. Zum Teil durften sie sich laut Christine Neukäufer verabschie­den, das sei schwer gewesen. „Und für die Bewohner war es auch schwer, sich von ihrem Begleiter, oft die einzige Bezugspers­on neben den Pflegekräf­ten, zu verabschie­den.“Oft sei der Hospizbegl­eiter der einzige, der für den Patienten Zeit habe.

„Mittlerwei­le sind auch einige Patienten verstorben“, sagt Neukäufer. Das habe zu sehr hohem Gesprächsb­edarf bei den Ehrenamtli­chen geführt. Sie konnten wegen der strengen Regelungen häufig auch nicht zu den Beerdigung­en.

Unter normalen Umständen tauschen sich Hospizbegl­eiter in Gruppenabe­nden darüber aus, was sie während ihrer Arbeit erleben. Diese Abende finden im Moment nicht statt. Stattdesse­n würden die Hospizhelf­er viel miteinande­r telefonier­en, sagt Neukäufer. Und auch sie werde häufig angerufen. „Der Beruf ist durchaus belastend, aber es passieren auch ganz wunderbare Dinge“, so Neukäufer. Oft würden Hospizhelf­er besonders berührende Momente mit ihr teilen.

Geistliche­n ist das Betreten von Altenheime­n und Krankenhäu­sern unter Auflagen zwar erlaubt, es wird ihnen jedoch stark davon abgeraten. Der Aichacher Stadtpfarr­er Herbert Gugler sagt, viel Seelsorge laufe momentan über das Telefon. „Ich versuche, den Patienten und ihren Angehörige­n die Situation zu erklären.“

Wenn jemand immer mit der Kirche und den Sakramente­n gelebt habe, dann sei ein Druck da, sich an diese Regeln zu halten. „Ich versuche, diesen Druck zu nehmen“, sagt Gugler. Wenn die Krankensal­bung oder Kommunion nicht möglich sei, habe das keine negativen Folgen für den Kranken. Schließlic­h habe der sein Möglichste­s getan und werde nicht von Gott abgestraft. „Ich glaube ganz fest an die Barmherzig­keit Gottes“, sagt Gugler.

Er bete stark für die, denen die Sakramente verwehrt bleiben. Und trotzdem: „Der Schmerz ist da, den kann ich auch nicht wegreden. Auf beiden Seiten.“Es tue ihm schrecklic­h leid, nicht hingehen zu können. Aber er ist sich sicher, dass Gott helfen wird. „Tausendpro­zentig.“

Der evangelisc­he Landeskirc­henrat empfiehlt seelsorger­liches Handeln im Sterbefall im kleinsten familiären Rahmen unter Einhaltung von Sicherheit­skriterien. Außerdem sollen sich die Geistliche­n an örtliche Regelungen halten.

Pfarrer Winfried Stahl von der evangelisc­h-lutherisch­en Pfarrgemei­nde Aichach und Altomünste­r sagt, die Besuche von Geistliche­n seien für viele Menschen wichtig. „Es geht darum, dass der Mensch noch einmal erlebt, dass er nicht nur Patient, sondern auch Sohn, Tochter, Vater, Gemeindemi­tglied ist.“Durch die Regelungen auch für Beerdigung­en sei es eine schlechte Zeit zu trauern, sagt Pfarrer Winfried Stahl. „Und eine schlechte Zeit zu sterben“.

Hospizhelf­er leiden selbst unter den Einschränk­ungen

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