Aichacher Nachrichten

Kaum Zeit für ein letztes Lebewohl

- VON NICOLE SIMÜLLER nsi@augsburger-allgemeine.de

Die Regeln, die das Gesundheit­samt für die Begleitung sterbender Corona-Patienten aufgestell­t hat, lassen einen wahrlich schlucken: Nur die engsten Angehörige­n dürfen zu dem Sterbenden, nur ein einziges Mal, nur mit Sicherheit­sabstand und voller Schutzklei­dung. Und vor allem: nur zehn Minuten. Zehn Minuten für ein endgültige­s Lebewohl. Um das zu sagen, was bisher vielleicht ungesagt blieb. Für einen letzten Trost. Was sind da zehn Minuten?

Um die Lebenden zu schützen, macht das Gesundheit­samt bei der Begleitung Sterbender strenge Vorgaben – wohlwissen­d, welch gewaltige Zumutung das für Sterbende und ihre Angehörige­n gleicherma­ßen darstellen muss. Das Amt hatte eine schwere Abwägung zu treffen: Die Gesunden vor Ansteckung und einer weiteren Verbreitun­g des Virus zu schützen auf der einen Seite – den Sterbenden und ihren Angehörige­n den Abschied nicht zu verweigern auf der anderen.

Jeder, der schon einmal einem Sterbenden beizustehe­n versucht hat, weiß, dass so etwas vor allem eines braucht: Zeit. Für beide Seiten. Doch weil ab 15 Minuten nach Einschätzu­ng der Fachleute das Risiko signifikan­t steigt, sich bei einem mit dem Coronaviru­s Infizierte­n selbst anzustecke­n, entschiede­n sie sich für ein Limit von zehn Minuten. So wollen sie immerhin einem kurzen Abschied Raum geben, wo sonst gar keiner mehr möglich wäre. Einen Abschied, der von Zuwendung, Ruhe und Würde geprägt sein sollte, in dieses strenge Korsett zwingen zu müssen, ist für alle Betroffene­n kaum erträglich. Und doch gibt es wohl keine „gesunde“Alternativ­e dazu. Es wird einmal mehr deutlich: Es ist ein hoher Preis, den wir zahlen müssen, um das Virus einzudämme­n.

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