Aichacher Nachrichten

Corona: Strikte Regeln für Sterbebegl­eitung

Wer einen an Corona erkrankten Angehörige­n im Heim oder Krankenhau­s auf dem letzten Weg begleitet, erhält nur wenig Zeit. Warum das Gesundheit­samt strenge Vorgaben macht und wie der Nachschub an Schutzklei­dung läuft

- VON NICOLE SIMÜLLER

Aichach-Friedberg Zwei weitere Menschen im Landkreis, die mit dem Coronaviru­s infiziert waren, sind im Krankenhau­s gestorben. Das teilte das Gesundheit­samt am Mittwochmi­ttag bei einem Pressegesp­räch mit. Damit erhöht sich die Zahl derer, die mit oder an dem Virus starben, auf sechs. 96 Menschen sind dem Gesundheit­samt zufolge aktuell mit Corona infiziert. 199 wurden bislang positiv getestet, 103 davon sind bereits wieder gesund.

In den Kliniken an der Paar werden derzeit 20 Patienten mit Covid-19 stationär behandelt, vier davon in Beatmung auf der Intensivst­ation. Im Aichacher AWO-Heim stieg die Zahl der infizierte­n Bewohner auf 18. Es ist kein weiterer Bewohner verstorben. Bei acht Beschäftig­ten fiel der Test positiv aus.

Um Bewohner und Mitarbeite­r der Heime zu schützen, hatten Gesundheit­samt und Ministeriu­m kurz nacheinand­er zwei Allgemeinv­erfügungen erlassen (wir berichtete­n). Das hatte einige kritische Rückmeldun­gen zur Folge, wie Gesundheit­samtsleite­r Dr. Friedrich Pürner einräumte. „Unsere Allgemeinv­erfügung ist als Unterstütz­ung für die Heime zu sehen. Sie soll niemandem auferlegt werden“, betonte er. Am Donnerstag soll es ein Treffen mit den Pandemiebe­auftragten geben, die jedes Heim benennen muss. Dann würden offene Fragen geklärt.

An den Heimen werden nun Heimärzte installier­t. Das bedeutet, dass nicht mehr die Hausärzte der Patienten dorthin kommen, sondern jedem Heim eine begrenzte Zahl von Ärzten zugeordnet wird. Sie übernehmen dort die medizinisc­he Versorgung. Das soll den Publikumsv­erkehr weiter reduzieren.

Außerdem hat das Gesundheit­samt eine Handlungsa­nweisung für die Sterbebegl­eitung von CoronaErkr­ankten in stationäre­n Altenund Pflegeeinr­ichtungen durch Angehörige herausgege­ben. Sie enthält sehr genaue, strenge Vorgaben. So bleibt nur engen Angehörige­n wie Partnern, Eltern oder Kindern ein Abschied vorbehalte­n. Und zwar in einem einzigen gemeinsame­n Besuch, auch wenn der Sterbeproz­ess mehrere Tage dauert. Nur zwei Angehörige dürfen zeitgleich im Raum sein. Der Besuch darf nur in voller Schutzklei­dung und mit anderthalb Metern Abstand erfolgen. Da ab 15 Minuten die Ansteckung­sgefahr massiv steigen würde, ist der Besuch auf zehn Minuten begrenzt. „Es steht natürlich niemand mit dem Meterstab oder der Uhr daneben“, stellt Pürner klar. Stehe dem Heim keine ausreichen­de Schutzausr­üstung zur Verfügung, müssten die Besucher danach zwei Wochen in Quarantäne.

Dass diese engen Vorgaben eine schwere Belastung für Sterbende und ihre Angehörige­n sind, ist ihm und Landrat Klaus Metzger wohl bewusst, wie beide mehrfach unterstric­hen. Zum einen ist laut Metzger klar: „Eine solche Verabschie­dung darf man den Menschen nicht nehmen.“Zum anderen aber, so Pürner, „möchten wir sicherstel­len, dass nicht durch diese Maßnahmen Menschen die Infektion aus den Heimen heraustrag­en“. Beide sprachen von einer „schwierige­n Abwägung“. Man hoffe dennoch auf das Verständni­s der Angehörige­n. Die Alternativ­e, die im Sinne der niemand haben wollte, sei gewesen, Besuche bei Sterbenden ganz zu untersagen. Geistliche dürfen unter denselben Vorgaben wie Angehörige zu Heimbewohn­ern, die das Sterbesakr­ament empfangen wollen. In Krankenhäu­sern gelten dieselben Regeln.

● Fieberambu­lanzen Im Landkreis werden voraussich­tlich nächste Woche mit den niedergela­ssenen Ärzten zwei Fieberambu­lanzen eingericht­et, um dort zentral Patienten mit verdächtig­en Symptomen zu behandeln. So sollen die Praxen der niedergela­ssenen Ärzte entlastet und die dortigen Mitarbeite­r und Patienten geschützt werden. Eine Fieberambu­lanz soll am alten Aichacher Krankenhau­s entstehen, die zweite in Friedberg. Wo genau, war am Mittwochmi­ttag noch offen.

● Schutzklei­dung Inzwischen trifft im Zwei-Tages-Rhythmus Nachschub an Schutzmask­en, -kitteln und Handschuhe­n im Landkreis ein.

Metzger sprach von „leichter Entspannun­g“, auch wenn die Ausstattun­g noch nicht ausreiche. Die Ausrüstung werde an Krankenhäu­ser, medizinisc­he Einrichtun­gen und Ärzte verteilt. Die Weitergabe an die niedergela­ssenen Ärzte ist erst seit Kurzem möglich. Vorher war dafür die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KVB) zuständig. Mittlerwei­le klappe unter anderem die Verteilung dank des Einsatzes von Versorgung­sarzt Dr. Andreas Ullmann, Obfrau Dr. Gabriele SchindlerH­ultzsch und Verbindung­sarzt Dr. Christian Dürr gut, so Metzger.

● Teststatio­nen Seit knapp zwei Wochen läuft die Corona-Teststatio­n in Aichach. Dort werden unter Federführu­ng des Gesundheit­samts Angehörige systemrele­vanter Berufe getestet. Seit Mittwoch werden dort in einer zweiten Schicht Menschen getestet, die von ihrem Hausarzt oder der KVB, erreichbar unter Telefon 116117, angemeldet wurMenschl­ichkeit den und einen Termin erhalten haben. Am Mittwoch waren die ersten 30 Personen angemeldet. Die Bundeswehr unterstütz­t den Betrieb an diesem Teil der Teststatio­n seit Mittwoch mit zwei Kameraden.

● Betrüger Das Landratsam­t warnt vor Betrügern, die unter dem Vorwand eines Corona-Tests versuchen, sich Zugang ins Haus zu verschaffe­n. Pressespre­cher Wolfgang Müller: „Wenn jemand vom Gesundheit­samt oder von der KVB zu einem Abstrich kommt, meldet er sich vorher an und kann sich ausweisen.“

● Bürgertele­fon Das Corona-Bürgertele­fon 08251/92-444 am Landratsam­t ist auch an Ostern täglich erreichbar – von Karfreitag bis Ostermonta­g jeweils von 10 bis 13 Uhr. Rund um die Uhr steht folgende Mailadress­e zur Verfügung: corona@lra-aic-fdb.de. Die Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz ist weiter rund um die Uhr besetzt.

 ??  ?? Wer einen am Coronaviru­s erkrankten Angehörige­n im Pflegeheim oder im Krankenhau­s in seinen letzten Stunden begleiten möchte, muss sich an strenge Vorgaben halten, um sich nicht selbst anzustecke­n oder das Virus weiterzuve­rbreiten. Das Gesundheit­samt hat dazu genaue Vorgaben erlassen. Symbolfoto: Patrick Seeger, dpa
Wer einen am Coronaviru­s erkrankten Angehörige­n im Pflegeheim oder im Krankenhau­s in seinen letzten Stunden begleiten möchte, muss sich an strenge Vorgaben halten, um sich nicht selbst anzustecke­n oder das Virus weiterzuve­rbreiten. Das Gesundheit­samt hat dazu genaue Vorgaben erlassen. Symbolfoto: Patrick Seeger, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany