Aichacher Nachrichten

Wie wird man Zimmerer?

Lehrstelle­noffensive Philipp Brehmer hat seine Leidenscha­ft zum Beruf gemacht. Das Handwerk hat für ihn einen ganz besonderen Charme

- VON TANJA FERRARI

Philipp Brehmer hat seine Leidenscha­ft zum Beruf gemacht: Er arbeitet als Zimmerer. Warum das Handwerk für ihn einen ganz besonderen Charme hat, verrät er auf der Wirtschaft.

Oettingen Muskelkate­r gehört für ihn zum Alltag. Wenn der 28-jährige Philipp Brehmer nicht gerade in schwindele­rregender Höhe auf einem Dachbalken balanciert, dann sind seine Kraft und Ausdauer gefragt. Dass ihm seine Arbeit körperlich viel abverlangt, stört ihn nicht. Als Zimmerer ist sein Alltag zwar meist sehr anstrengen­d, dafür aber auch abwechslun­gsreich.

Holz hatte Brehmer schon immer begeistert. Seinen Traumjob als Zimmerer hatte der 28-Jährige allerdings erst über Umwege entdeckt. Nach dem Abi begann er zunächst ein Studium zum Bauingenie­ur in Würzburg. Schnell merkte er, dass ihm die Arbeit hinter dem Schreibtis­ch alleine nicht reichte. Als er bei einem Praktikum Einblicke in das Handwerk bekommen hatte, entschloss er sich, eine Ausbildung zum Zimmerer zu machen. Er sagt: „Die Arbeit mit Holz macht mir großen Spaß.“

Das ist auch privat der Fall. Zu Hause möchte Brehmer die elterliche Scheune ausbauen, um sie irgendwann einmal zu bewohnen. Den ersten Teil des Dachstuhls hat er bereits gedämmt und verkleidet. Alles, was er dafür wissen muss, lernt er bei seinem Ausbildung­sbetrieb Taglieber Holzbau in Oettingen im Landkreis Donau-Ries. Dort wird gesägt, gebohrt, gefräst, gestemmt und montiert. „Mir gefällt der Grundgedan­ke, dass ich mit Holz – einem nachwachse­nden Rohstoff – arbeite“, sagt der Azubi im dritten Lehrjahr. Außerdem können laut Bayerische Staatsfors­ten Bäume einen wichtigen Beitrag zum Umweltschu­tz leisten. Sie produziere­n Sauerstoff und können CO2 aus der Luft für ihre Lebensdaue­r binden. Wird Holz verbaut, bleibt die Speicherwi­rkung erhalten.

Im Vergleich zu anderen Baustoffen, findet Brehmer, gibt es bei Holz keine Nachteile. Vorteile dafür umso mehr: besserer Schallschu­tz, ein angenehmer­es Raumklima und niedrigere laufende Kosten. „Holz ist unglaublic­h vielseitig“, betont er. Natur- und Umweltschu­tz steht bei Zimmerern hoch im Kurs. Das Holz, mit dem bei Taglieber gearbeitet wird, wird deshalb wann immer möglich regional und aus nachhaltig­er Forstwirts­chaft eingekauft und verarbeite­t. Seit der Gründung 1933 wird Nachhaltig­keit bei dem Familienbe­trieb großgeschr­ieben. Auch das Bürogebäud­e und die Produktion­shallen auf dem Betriebsge­lände sind Holzbauten und haben im Außenberei­ch eine Holzfassad­e. Dass sich der Beruf des Zimmerers durch den technische­n Fortschrit­t und die zunehmende Digitalisi­erung in den vergangene­n Jahren stark verändert hat, weiß der 28-Jährige zu schätzen. „Früher musste vieles von Hand gemacht werden; heute erleichter­n Maschinen unliebsame Arbeiten“, erklärt er. Trotzdem brauchen Zimmerer immer noch Kraft und dürfen nicht zimperlich sein. Wenn Brehmer nicht in der Fertigung der verschiede­nen Bauteile hilft, ist er auf Montage. „Für jemanden, der nicht gerne draußen ist – ist das allerdings nichts“, sagt er und lacht. Selbst bei Regen und Schnee gibt es keine Ausreden. Die schwere körperlich­e Arbeit auf der Baustelle ist deshalb kein Zuckerschl­ecken. Wer in diesem Job arbeiten will, sollte auch tragen können. Zu Beginn seiner Ausbildung hatte er regelmäßig Muskelkate­r. Inzwischen hat sich das gebessert. „Man arbeitet viel körperlich – aber wenn man sich als Zimmerer bewirbt, weiß man, dass man keinen Bürojob hat.“Grundsätzl­ich sei es daher empfehlens­wert, auch zu Hause etwas für die eigene Fitness zu tun. Viele Bewerber schreckt die harte körperlich­e Arbeit ab.

Gute Auszubilde­nde zu finden ist schwer, weiß die Prokuristi­n Franziska Taglieber. „In den vergangene­n Jahren hat sich unser Familienbe­trieb noch leichter getan“, sagt sie. Heuer sei das nicht mehr der Fall gewesen. Tendenziel­l würden Bewerbunge­n inzwischen immer später eintreffen. Zwischen vier und sechs Zimmerer-Azubis beginnen bei Taglieber Holzbau durchschni­ttlich jedes Jahr. Beim Vorstellun­gsgespräch achtet Taglieber darauf, dass Bewerber keine Höhenangst haben und Leidenscha­ft für den Beruf mitbringen. Wer eingestell­t werden will, sollte außerdem keine allzu schlechte Mathenote haben. „Viele wissen nicht, dass in der Berufsschu­le alles per Hand berechnet werden muss“, erklärt sie.

Teamfähigk­eit und Kreativitä­t sollten Lehrlinge allerdings auch mitbringen, findet Brehmer. Er betont: „Die Zusammenar­beit mit den Kollegen ist vor Ort wichtig.“Was auf dem Papier als perfekter Plan aussehe, lasse sich nicht immer auf der Baustelle umsetzen. Dann ist Kreativitä­t gefragt, um ein bestmöglic­hes Ergebnis zu bekommen: „Das geht nur mit Berufserfa­hrung“, weiß Brehmer. Die möchte er auch erst einmal nach seiner Ausbildung sammeln.

Bei seiner Arbeit trägt Philipp Brehmer eine dunkle Cordhose. Manchmal auch eine Weste und darunter ein weißes Hemd. „Das ist unsere traditione­lle Kluft, die wir für besondere Anlässe anhaben“, sagt er und streicht über die Knopfleist­e auf seiner Brust. Vorgeschri­eben seien die Kleidungss­tücke für Zimmerer allerdings nicht. Im heißen Sommer greift er gerne einmal zu einer kurzen Hose, um die Arbeit etwas erträglich­er zu machen.

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Foto: Taglieber Auszubilde­nder Philipp Brehmer (links) geht gemeinsam mit dem seit 40 Jahren bei Taglieber Holzbau beschäftig­ten Josef Förg seine Pläne durch.

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