Wieder mehr Organspender
Gesundheit Gesetzliche Änderungen scheinen bereits zu wirken. Bremst nun Corona den positiven Trend?
Augsburg Lange hatte der Bundestag um eine Reform für die Organspende gerungen. Nun zeigen sich erste Erfolge. Die Zahl der Organspender ist in den vergangenen drei Monaten deutlich gestiegen. „Wir sehen die Entwicklung als positives Zeichen“, sagt Axel Rahmel von der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Dabei sind die neuen Strukturen, die vor allem auf bessere Aufklärung setzen, erst zum 1. April in Kraft getreten. Doch alleine die öffentliche Debatte hat wohl viele bewegt. Mehr als 9000 Menschen in Deutschland warten auf Organe, im Jahr 2017 gab es gerade einmal 797 Spender. Jeder Spender schenkte zuletzt im Schnitt mehr als drei Schwerkranken neue Lebenschancen.
Augsburg Die Zahl der Organspenden ist in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum selben Zeitraum 2019 angestiegen. Das zeigen Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die unserer Redaktion vorliegen. Demnach haben von Januar bis März 260 Menschen postmortal ihre Organe gespendet. Das entspricht einem Zuwachs von 16 Prozent. Nach Angaben der DSO standen damit im ersten Quartal des Jahres insgesamt 800 postmortal gespendete Organe zur Verfügung. Das sind 77 mehr als noch 2019.
„Wir sehen die Entwicklung als positives Zeichen“, sagt Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. Eine wichtige Grundlage für den aktuellen Trend war nach Rahmels Ansicht das „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“, das am 1. April 2019 in Kraft getreten ist. Die darin enthaltenen Maßnahmen – etwa eine gerechtere Vergütung der Entnahmekrankenhäuser,
die Stärkung der Transplantationsbeauftragten oder die verbesserte Betreuung der Angehörigen – seien „entscheidende Meilensteine für eine positive Entwicklung der Organspende in Deutschland“.
Die Bilanz aus dem vergangenen Jahr ist ernüchternd: Wie die DSO mitteilte, spendeten in Deutschland 932 Menschen ein oder mehrere Organe – 23 weniger als noch 2018. Die neuen Zahlen machen nun Hoffnung. Einen positiven Effekt könnte laut Rahmel auch die intensiv geführte Debatte um eine Widerspruchslösung gehabt haben. Im Januar lehnte der Bundestag einen Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ab, demzufolge jeder Bürger als potenzieller Organspender eingestuft werden sollte, sofern er dem nicht zuvor widersprochen hat. Stattdessen votierten die Abgeordneten für das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft, mit der Bürger lediglich breiter über Organspende aufgeklärt und angehalten werden sollen, ihre Entscheidung in einem zentralen Register zu hinterlegen. „Wenn die medienwirksam geführte Debatte um beide Gesetzesentwürfe die Bevölkerung für das wichtige Thema Organspende dauerhaft sensibilisiert hat, ist schon viel gewonnen“, sagt Rahmel. Als Indiz dafür wertet er, dass sich die Zahl der bestellten Organspendeausweise allein im Januar auf 740000 verdoppelte. Dennoch: „Die Bürde der Entscheidung lastet noch viel zu oft auf den Angehörigen.“Nach Erhebungen der
DSO hätten nur knapp 16 Prozent der Verstorbenen, die für eine Organspende infrage kommen, ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung festgehalten. Und: „Mehr als 40 Prozent der Ablehnungen gehen auf Angehörige zurück, die nicht wissen, was der Verstorbene wollte. Deshalb entscheiden sie sich dann oft gegen eine Organspende.“Er gehe aber davon aus, dass das im Januar beschlossene Gesetz einen
Beitrag dazu leisten könne, die Situation zu verbessern.
Ob der positive Trend im Laufe des Jahres fortgeführt werden kann, ist ungewiss. Die Zahl der Organspenden unterliegt regelmäßigen Schwankungen. Nun könnte die Corona-Pandemie die Situation wieder verschärfen. Im März lag zwar die Zahl der Organspender in Deutschland in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. „In europäischen Nachbarländern – insbesondere denen, die eine hohe Zahl von Covid19-Patienten aufweisen – ist die Organspende im März aber zum Teil deutlich zurückgegangen“, sagt Rahmel. Die Pandemie stelle das Gesundheitssystem vor nicht gekannte Herausforderungen. „Diese werden möglicherweise auch an der Organspende und Transplantation in Deutschland nicht spurlos vorbeigehen“, sagt Rahmel. Für die Sicherheit der Empfänger sind die Untersuchungen vor einer Organspende laut Rahmel erweitert worden. Voraussetzungen für eine Organspende seien – neben den üblichen Tests – eine sorgfältige Erhebung
der Krankengeschichte in Bezug auf Covid-19-Risiken und ein negativer Covid-19-Befund. „Zudem gelten entsprechende Vorsichtsmaßnahmen und Risikoabwägungen für den Empfänger – wobei nun auch das Risiko einer möglichen Coronavirus-Infektion nach der Transplantation berücksichtigt werden muss“, erklärt Rahmel. Zunächst gelte es, die aktuellen Herausforderungen für das Gesundheitswesen zu überwinden. Man dürfe Organspende und Transplantation jedoch nicht aus den Augen verlieren. „Denn auch in Zeiten der Corona-Pandemie gibt es Patienten, die dringend auf eine lebensrettende Organspende angewiesen sind.“Trotz der Ausnahmesituation beobachte er auf den Intensivstationen großes Engagement für die Organspende. „Das macht uns – ebenso wie die gesetzlichen Maßnahmen – Hoffnung, dass es nach dem Überwinden der aktuellen schweren Krise mit der Organspende weiter aufwärtsgeht und den vielen Patienten, die auf eine Transplantation hoffen, rechtzeitig geholfen werden kann.“
Doppelt so viele Spenderausweise bestellt