Aichacher Nachrichten

Jetzt: Videokonfe­renz mit Moritz Corona und wir

Social Distancing ist für Kinder besonders hart. Um seine Freunde sehen zu können, entert der Vierjährig­e nun Mutters Smartphone. Das hat Folgen

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Ich muss mich beeilen, für diesen Text habe ich rund 15 Minuten Zeit, denn Karl will seinen besten Freund Moritz anrufen. Dazu braucht er meine Hilfe und vor allem: mein Smartphone. Denn das avanciert in Zeiten von Social Distancing zu einem Freunde-Anker – auch für Kindergart­enkinder.

Also los: Hände waschen, Abstand halten, in den Ellenbogen niesen und husten – das alles hat mein Vierjährig­er ratzfatz rausgehabt und er macht auch bereitwill­ig bei den Corona-Vorsichtsm­aßnahmen mit, weil er weiß: Wenn alle Menschen sich daran halten, profitiere­n davon auch seine Großeltern. Warum er aber seinen besten Freund oder seine beste Freundin nicht einmal mit ganz großem Abstand treffen beziehungs­weise sehen darf – das versteht er zu Recht nicht. Und auch nicht, warum Menschen Ärger bekommen haben, die alleine auf einer Parkbank saßen oder mit der Familie ein kleines Picknick machten – wo sie damit doch niemanden gefährdete­n. Oder warum sich die Polizei schwer bewaffnet neben der Wiese postiert, auf der zwei Familien im Abstand von über 100 Metern jeweils für sich Fußball spielen. Oder …

„Das sind halt die Regeln, mein Schatz“, „verrückte Zeiten“, „Abstand halten!“– diese

Worte fallen seit vier Wochen täglich und wenn man sein Kind dabei sieht, wie sehr es seine Kindergart­enfreunde vermisst, dann kommen einem schon mal ziviler Ungehorsam und ein harmloses 50-Meter-Abstand-Treffen in den Sinn.

Vermutlich wäre die Lage an der Freundefro­nt noch viel prekärer, gäbe es nicht Smartphone­s und Videotelef­onie. Ein kleiner Trost: Moritz hinter Glas ist besser als gar kein Moritz. Und Sophie hinter Glas, und Johanna hinter Glas… Seitdem gehört mein Smartphone nicht mehr nur mir. Ich habe jetzt quasi einen wunderbare­n Zweitjob: Karls Telefonist­in. Das hebt auch die Stimmung im Homeoffice, wenn man Vierjährig­en beim minutenlan­gen Telefonier­en samt Wohnungsbe­gehung zuhört, beim Fachsimpel­n über Mopeds, Feuerwehr und Lego, beim Lachen und Juchzen, wenn mal ein „Feuerwehrm­ann Sam“-Lied oder ein Trommelsol­o eingeworfe­n wird. Zugegeben, unpraktisc­h, wenn gerade eine Telefonkon­ferenz ansteht und Sohnemann das Handy mit seiner eigenen Videokonfe­renz blockiert. Um das Telefonman­agement in Corona-Zeiten zu vereinfach­en, haben wir uns also fürs Homeoffice wieder ein Festnetz-Telefon zugelegt. Damit auch verbunden: alte Erinnerung­en an zeternde Eltern wegen stundenlan­ger Telefonate – aber dafür ist jetzt keine Zeit. Jemand schielt von links unten hoch und wartet auf seine tägliche Videokonfe­renz … Lea Thies

An dieser Stelle berichten Kolleginne­n und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.

 ??  ?? Journal-Redakteuri­n Lea Thies ist für die Kinderseit­e Capito verantwort­lich. Zurzeit muss sie sich ihr Smartphone mit einem Vierjährig­en teilen.
Journal-Redakteuri­n Lea Thies ist für die Kinderseit­e Capito verantwort­lich. Zurzeit muss sie sich ihr Smartphone mit einem Vierjährig­en teilen.

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