Aichacher Nachrichten

Weniger Arbeitssch­utz

Arbeit 60-Stunden-Woche und weniger Pausen: DGB-Chef Hoffmann kritisiert Regierung. Linke spricht von „fahrlässig­er Körperverl­etzung“

- VON MICHAEL POHL

Berlin Die Lockerung des Arbeitszei­tgesetzes für Menschen in systemrele­vanten Berufen in der Coronaviru­s-Krise durch eine Verordnung von SPD-Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil stößt auf scharfe Kritik von Gewerkscha­ften und der Linken. „Änderungen am Arbeitszei­tgesetz sind nicht mit der Corona-Pandemie zu rechtferti­gen“, sagt DGB-Chef Reiner Hoffmann auf Anfrage unserer Redaktion. „Bereits heute arbeiten viele Menschen am Limit, sei es in der Pflege, im Gesundheit­swesen, im Lebensmitt­eleinzelha­ndel, den Rettungsdi­ensten, bei den öffentlich­en Verkehrsbe­trieben oder der Polizei. Ihre Gesundheit gilt es zu schützen, gerade in Zeiten, in denen sie einen so wichtigen Job für die Gesellscha­ft machen.“

Laut der Verordnung sind ab Karfreitag für einen befristete­n Zeitraum bis 30. Juni 2020 Ausnahmen von den Vorschrift­en des Arbeitszei­tgesetzes zugelassen. Dabei geht es um längere Höchstarbe­itszeiten, gelockerte Mindestruh­ezeiten sowie Ausnahmen vom Beschäftig­ungsverbot an Sonn- und Feiertagen für bestimmte Berufe die in der

Coronaviru­s-Krise als systemrele­vant gelten. Die werktäglic­he Arbeitszei­t kann auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden, die wöchentlic­he Arbeitszei­t in dringliche­n Ausnahmen sogar 60 Stunden noch überschrei­ten.

Zu den betroffene­n Berufen gehören der Verordnung zufolge Gesundheit­sund Pflegebere­ich inklusive der Apotheken, Handel und Logistik für Waren des täglichen Bedarfs, Polizei, Rettungsdi­enste und Feuerwehre­n, Landwirtsc­haft, Verpackung­sbranche, Müllabfuhr, Geldtransp­orte, Energie- und Wasservers­orger sowie die Aufrechter­haltung der Funktionsf­ähigkeit von Datennetze­n und Rechnersys­temen.

Die stellvertr­etende Fraktionsc­hefin der Linken Susanne Ferschl kritisiert den SPD-Arbeitsmin­ister scharf: „Der Inhalt dieser Verordnung grenzt an fahrlässig­e Körperverl­etzung“, sagte sie. „Es ist inakzeptab­el, dass die Arbeitszei­t von Beschäftig­ten, die täglich für uns ihre Gesundheit riskieren und schon an der Überlastun­gsgrenze arbeiten, jetzt auch noch verlängert werden soll“, betont sie.

Ferschl empfiehlt den Beschäftig­ten, keine Änderungen des Arbeitsver­trages zu unterschre­iben und sich bei angeordnet­en Verlängeru­ngen der Arbeitszei­t an die Gewerkscha­ften zu wenden.

Scharf kritisiert die Kaufbeurer Linken-Abgeordnet­e fehlende Dokumentat­ionspflich­ten zum Nachteil der Arbeitnehm­er: „Hier versucht ein SPD-Arbeitsmin­ister die Schutzfunk­tion des Arbeitszei­tgesetzes außer Kraft zu setzen, sorgt aber nach wie vor nicht dafür, dass die Arbeitszei­ten zwingend erfasst werden“, betont sie. „Damit wird die Büchse der Pandora für eine generelle Ausweitung der Arbeitszei­t geöffnet.“Sie fordert eine dauerhafte qualitativ­e und finanziell­e Aufwertung der nun als systemrele­vant eingestuft­en Berufe. Ferschl bezweifelt­e zugleich die Rechtsgült­igkeit der Verordnung in tarifgebun­denen Beschäftig­ungsverhäl­tnissen.

Auch DGB-Chef Hoffmann mahnt, die Mitbestimm­ungsrechte der Betriebs- und Personalrä­te zu wahren. „Dort, wo es tarifvertr­agliche Regelungen gibt, gelten sie auch weiter“, betonte er. „Ich appelliere an die Arbeitgebe­r, den Rechtsrahm­en nicht zu missbrauch­en“, sagte Hoffmann. Bevor Arbeitszei­ten verlängert würden, sollten andere personalwi­rtschaftli­che Maßnahmen ergriffen werden, betonte er.

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