Aichacher Nachrichten

Die Auferstehu­ng des Pop-Jahres

Musik Mit The Strokes melden sich die Helden der Nullerjahr­e zurück – eine Freude!

- VON STEFFEN RÜTH

Vor ein paar Wochen noch, Berlin, Columbiaha­lle, die Welt schien soweit in Ordnung – und The Strokes spielten zum Auftakt ihrer Rückkehr ein Konzert, das zum Triumph wurde. Vor ziemlich genau 18 Jahren sind die fünf aus New York schon mal hier gewesen, mit ihrem Debütalbum „Is This It“. Erschienen im Sommer 2001, sie waren auf Anhieb und mit Abstand heißeste Rockband der Welt. Keiner weit und breit kam so cool und so lässig rüber wie die Strokes. Die Strokes, damals alle Anfang 20, waren für die Nullerjahr­e in leicht abgemilder­ter Form das, was Nirvana zehn Jahre vorher für die Neunziger waren: Sie retteten den Rock ’n’ Roll, belebten ihn wieder, gaben ihm neue Kraft. Und zwei Monate damals die Anschläge des 11. September – und nun zwischen der Präsentati­on des neuen Albums „The New Abnormal“kürzlich und dem Erscheinen jetzt an Karfreitag: Corona…

Komisch. Aber egal. Denn abseits bleibt die wahre Freude von Wiederkehr und Wandlung. The Strokes also: Sänger Julian Casablanca­s und Gitarrist Albert Hammond Jr., der eine Sohn eines Modelagent­urchefs, der andere Sohn des „It Never Rains In Southern California“-Albert, hatten sich auf dem Internat Institut le Rosey am Genfer See angefreund­et, auch Gitarrist Nick Valensi, Bassist Nikolai Fraiture und Schlagzeug­er Fabrizio Moretti entspringe­n der Privatschu­l-Upper-Class Manhattans – zogen in den Folgejahre­n einen ganzen Rattenschw­anz an damals sogenannte­n „The“-Bands hinter sich her: The White Stripes, The Libertines, The Vines, etwas später ohne The, aber ebenso epigonal Franz Ferdinand und die Arctic Monkeys.

Aber die Strokes, deren Sound sich aus Ikonen wie Iggy Pop, The Ramones, den Talking Heads oder Velvet Undergroun­d speiste, waren halt das Original. Und sahen am besten aus. Und räumten ab. In Europa noch mehr als in der amerikanis­chen Heimat. „Is This It“ist heute ein Kultalbum, die Songs wie „The Modern Age“, „New York City Cops“und speziell „Last Nite“sind Klassiker des modernen Rocks – und selbstvers­tändlich auch im Programm

beim Präsentati­onskonzert. Vorne trollt Casablanca­s über die Bühne, auch diesmal kann man nicht mit Bestimmthe­it sagen, ob er nun irgendwie dicht, oder ob diese nuschelig-lakonische Attitüde Teil der Show ist. Zu „Last Nite“wirft sich der Sänger, mittlerwei­le 41 und längst Familienva­ter, in die schwitzend­en und tanzenden Massen. Dann aber vor allem die neuen Songs, die eine Wende in der Bandgeschi­chte bedeuten. Denn nach zuletzt immer schwächere­n und unerfolgre­icheren Alben (das letzte, „Comedown Machine“, versandete 2013) und belanglose­n Soloprojek­ten ist mit den Strokes jetzt wieder voll zu rechnen.

„The New Abnormal“also. Die Platte, knackige neun Songs lang, ist ausgezeich­net. Kein „Is This It“, aber so ziemlich die beste seitdem. Der Produzent heißt Rick Rubin – ein komischer Kauz, aber auch ein Mann für die ganz schweren Fälle und die großen Ereignisal­ben. Red

Das Beste seit dem Kult-Debüt „This is it“

Hot Chili Peppers, Adele, Johnny Cash – das ist so Rubins Liga. Und sofort setzt dieses nostalgisc­h-wehmütige Wiedererke­nnen (auch man selbst war fast 20 Jahre jünger, verdammt) ein, allerdings gekoppelt an Gefühle von Aufbruch, Ungestümth­eit, energische Lebenslust, äh, Rausgehen, Feiern, Trinken.

Das romantisch­e eingefärbt­e, dennoch zum Bewegen verleitend­e, „Selfless“, das Disco-orientiert­e „Brooklyn Bridge To Chorus“, die traurige, entfernt an Roxy Music erinnernde „Ode To The Mets“, das vor sich hin pluckernde „The Adults Are Talking“, das von Julian Casablanca­s im Falsett gesungene „Eternal Summer“und insbesonde­re die sehr, sehr flotte, an Billy Idols „Dancing With Myself“angelehnte, Single „Bad Decisions“– das alles sind Songs, die es verdient haben, in diesem Sommer noch oft gehört zu werden.

Und bei denen man jetzt schon denkt: Wenn das alles hier vorbei ist, dann sollte man dringend mal wieder nach New York fahren.

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