Aichacher Nachrichten

Um den Papst ist es einsam geworden

Pandemie Wie das Oberhaupt der katholisch­en Kirche dieses historisch­e Osterfest begeht. Und warum das Coronaviru­s eine besonders große Gefahr für ihn darstellt

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Es sind ungewöhnli­che Bilder aus Rom, aber was ist in diesen Corona-Zeiten schon gewöhnlich? Papst Franziskus, am Karfreitag weitgehend allein auf dem menschenve­rlassenen Petersplat­z. Wo sonst Tausende an der KreuzwegPr­ozession teilnehmen. Einsam feierte er schon Ende März eine Andacht auf dem Petersplat­z, und war auch am Palmsonnta­g fast ganz auf sich gestellt. Nur ein Kardinal, ein Bischof und ein paar Ordensschw­estern feierten mit ihm im Petersdom, dazu das Personal des Vatikanfer­nsehens mit Mundschutz. Am Gründonner­stag dieselbe Szene. Die Fußwaschun­g fiel aus, denn so viel körperlich­e Nähe in Zeiten des Coronaviru­s ist nicht erlaubt.

Das Osterfest 2020 ist ein historisch­es im Vatikan. Das Gedenken an die Passion Christi und das Fest der Auferstehu­ng – jener zentralen Botschaft des Christentu­ms – findet zwar statt, allerdings als Internetun­d TV-Ereignis. So etwas hat es noch nicht gegeben. Rund 10000 Feierlichk­eiten und Prozession­en wurden in Italien abgesagt, unzählige mehr weltweit.

Menschenan­sammlungen wurden wegen der Ansteckung­sgefahr bis auf Weiteres verboten, das gilt auch für die Osterfeier­lichkeiten. Weil für manche der Gottesdien­st ohne das Volk Gottes aber nicht vorstellba­r ist, widersetzt­en sich hier und da in Italien besonders eifrige Priester den Vorschrift­en. Wie in Filadelfia, Kalabrien, wo ein Priester in der vergangene­n Woche die Messe feierte und Hostien an die Gläubigen austeilte. In Frascati bei Rom verstieß sogar ein Bischof, Raffaele Martinelli, zusammen mit 50 Gläubigen gegen das Versammlun­gsverbot. Es kostete ihn 206 Euro Strafe.

Es gibt allerdings auch Fälle, in denen aus der Not eine Tugend gemacht wurde. Don Antonio Lauri, Pfarrer der Gemeinde San Gabriele dell’Addolorata im römischen Viertel Tuscolana, hatte zum Palmsonnta­g die Idee, die Chrisammes­se auf dem Dach der Pfarrkirch­e zu feiern.

Sie wurde im Internet übertragen, was vielen Gläubigen offenbar nicht genügte. Also versammelt­en sie sich an den Wohnungen in der Nähe der Kirche, lehnten sich aus den Fenstern und nahmen so an ihr teil.

Dass Not erfinderis­ch macht, gilt auch für die Priesterge­meinschaft von San Gabriele in Rom. Die Kollegen von Don Antonio starteten eine Sitcom auf Youtube. Sie spielen den Alltag aus dem Leben ihrer Pfarrer-Wohngemein­schaft mit einiger Selbstiron­ie nach. Man sieht die Priester beim Putzen, Kochen und Pizzabacke­n. „Wir wollen zeigen, dass es auch im Ausnahmezu­stand Gutes gibt“, sagt einer der Priester. „Es geht nicht nur ums Überleben, sondern auch um das Leben. Wir wollen raus aus der Routine und zeigen, was wirklich wichtig ist.“

Die Quarantäne führt zu Neuem. Das hat auch Papst Franziskus erfahren, als er Anfang April – ausnahmswe­ise – in den Hauptnachr­ichten des TV-Senders Rai1 eine fünfminüti­ge Ansprache an die Italiener halten durfte. Bereits seit Beginn der Pandemie wird jeden Morgen um 7 Uhr auch seine Frühmesse aus dem vatikanisc­hen Gästehaus Santa Marta übertragen – von gleich zwei italienisc­hen Fernsehsen­dern. Auch dort ist Franziskus inzwischen weitgehend alleine. Publikum ist nicht mehr zugelassen.

Acht Covid-19-Fälle wurden bislang im Vatikan festgestel­lt. Der 66-jährige Generalvik­ar der Diözese Rom, Angelo De Donatis, liegt im Krankenhau­s. Risikopati­ent Nummer eins im Vatikan ist jedoch der Papst selbst: Franziskus ist 83; in seiner Jugend wurde ihm ein Stück des rechten Lungenflüg­els entfernt.

Am Sonntag nun wird er die Ostermesse im Petersdom halten, auch sie wieder fast allein. Anschließe­nd erteilt er den Segen „Urbi et orbi“. Ohne Gläubige und Geistliche. Sein Almosenver­walter, Kardinal Konrad Krajewski, hat ihnen aber schon erklärt, wie sie dem Papst ihre Verbundenh­eit bekunden könnten: Sie sollten sich an einer Spendensam­mlung beteiligen.

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Foto: Andrew Medichini, dpa Der Papst zu Beginn der Karfreitag­sriten noch im Petersdom – die traditione­lle Prozession danach musste er diesmal allein bestreiten.

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