„Das ist ein Stück weit Wettbewerbsverzerrung“
Interview FCA-Chef Klaus Hofmann prangert das aus seiner Sicht unsolide Finanzgebaren einiger Konkurrenten an, die schon im Mai nicht mehr liquide sind. Trotzdem will er keinen Sonderweg für die Bundesliga bei der Saison-Fortsetzung
Herr Hofmann, Sie leiten mit Minimax-Viking ein Unternehmen mit fast 10000 Mitarbeitern. Macht sich da die Corona-Krise auch bemerkbar, oder ist Brandschutz virenresistent? Hofmann: Das Brandschutzgeschäft ist weniger zyklisch als andere Industrien. Das Risiko eines Feuers gibt es immer. Aber wenn die Corona-Pandemie einmal vorbei ist, wird die Welt in eine große Rezession laufen und das wird auch Auswirkungen auf Minimax haben.
Können Sie die erläutern?
Hofmann: Wir bekommen die Auswirkungen im Konjunkturzyklus später zu spüren. Wir hatten einen relativ guten März, werden auch noch einen halbwegs vernünftigen April haben, aber im Mai wird die Lage deutlich anstrengender. Es wird viele Segmente aus unserem
Brot- und Buttergeschäft wie der Stahlindustrie oder dem Auto- und Maschinenbau geben, die länger brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Das wird dann Auswirkungen auf uns haben.
Und wie ist das Krisenmanagement beim FC Augsburg?
Hofmann: Ein Krisenmanagement hängt immer davon ab, was kurzund mittelfristig passiert. Ich gebe zu, ich bin weder bei Minimax noch beim FCA intelligent genug zu wissen, was in zwei, vier oder sechs Wochen passiert. Aber in der Vergangenheit haben wir wirtschaftlich nicht so schlecht gearbeitet. Die Vereine, die in den letzten sechs oder sieben Jahren Rücklagen geschaffen haben, werden auch über den Sommer kommen, wenn es keine Spiele mehr gibt.
Zählt da auch der FCA dazu? Hofmann: Ja. Wir haben des Öfteren Kritik geerntet, dass wir nicht offensiver investiert haben. Jetzt sind die Rücklagen hilfreich. Ich habe auch gelesen, dass 13 von 36 Profiklubs Ende Mai ein Liquiditätsproblem haben werden, falls nicht gespielt wird. Dazu zählt der FC Augsburg nicht. Es ist nur schade, dass nun auf diesem Weg die Reserven, die wir uns aufgebaut haben, Stück für Stück abgefressen werden. Wir haben ein positives Eigenkapital, daher haben wir einen gewissen Handlungsspielraum. Der FCA ist definitiv nicht insolvent, wenn es Mitte Mai keinen Fußball gibt. Aber wenn es über Juni hinaus keinen Fußball gibt, dann werden 36 Profiklubs in Deutschland schwerwiegende Probleme haben.
Haben Sie überhaupt noch Zeit, sich um den FCA zu kümmern? Hofmann: Natürlich. Ich investiere nicht weniger Zeit als vor dem Coronavirus. Michael Ströll, Stefan Reuter und ich sprechen jeden Tag miteinander. Es ist ein Vorteil bei uns, dass wir ein kleines Team und aufeinander eingespielt sind. Das ist in so einer Phase, in der man oft nicht weiß, was in zwei Stunden passiert, sehr hilfreich.
Um was für Themen geht es da? Hofmann: Es geht um alle aktuellen und strategischen Themen, die uns derzeit beschäftigen. Dazu gehören Abstimmungen mit der DFL oder auch der Austausch mit Sponsoren. Wenn ich zum Beispiel an Marketingagenturen, Messebauer oder Gastronomen denke, weiß ich auch, dass die Einnahmen aus den Business-Bereichen nach dieser Krise nicht mehr die gleichen sein werden.
Bisher gab es beim FCA noch kein Gehaltsverzicht der Spieler und auch keine Kurzarbeit auf der Geschäftsstelle. Ein gutes Zeichen?
Hofmann: Wir haben in der Geschäftsstelle so viele strategische Projekte erarbeitet, die wir jetzt in dieser fußballfreien Zeit abarbeiten und voranbringen können. Da wird jeder ausgelastet sein. Wenn ich lese, dass Fußballvereine, die ein paar hundert Millionen Euro Umsatz machen, ihre Geschäftsstellenmitarbeiter in Kurzarbeit schicken, fühle ich mich wie in einem falschen Film. Wir versuchen, einen anderen Weg zu gehen, ohne sofort auf staatliche Unterstützung zurückgreifen zu müssen.
Und wie sieht es bei einem möglichen Gehaltsverzicht der Spieler aus? Hofmann: Den diskutieren wir, da gibt es vernünftige Gespräche und wie man den FCA kennt, wird es eine vernünftige Lösung geben.
Der Kader von 30 Spielern ist ja relativ groß und zudem müssen Sie noch zwei Chef-Trainer bezahlen ... Hofmann: Wir haben vernünftige Kostenstrukturen und im Gegensatz zu anderen Vereinen können wir mit diesen Strukturen auch überleben, falls die Saison aus irgendwelchen Gründen nicht mehr zu Ende gespielt werden würde.
Hat es schon Gespräche mit Ihrem Hauptsponsor WWK gegeben?
Hofmann: Die WWK ist ein grundsolides Unternehmen und hat signalisiert, allen Verpflichtungen nachzukommen. Da stehen uns keine negativen Überraschungen ins Haus. Wir haben mit der WWK einen überragenden Partner an unserer Seite.
Könnte auch die Hofmann Investoren GmbH, deren Geschäftsführer Sie ja sind, die 99,5 Prozent der Anteile an der FCA GmbH & Co. KGaA hält, im Notfall nachlegen?
Hofmann: Eine Kapitalerhöhung ist immer möglich. Wenn die Saison 2019/2020 nicht zu Ende gespielt werden würde, was aktuell aber nicht zur Debatte steht, würde der FCA das überleben. Sollte der Shutdown erheblich länger dauern, müsste man sich irgendwann Gedanken über Finanzierungsstrukturen machen.
Wie kann denn aus Ihrer Sicht die Saison zu Ende gespielt werden? Hofmann: Das hängt von der Gesamtsituation ab. Wenn sich bestimmte Maßnahmen im öffentlichen Leben bis dahin deregulieren lassen, dann wird es Spiele ohne Zuschauer geben können, wenn die Situation so bleibt wie jetzt, wird es auch keine Fußballspiele geben. Da bewegen wir uns Hand in Hand mit der Politik, dem Gesundheitswesen und der öffentlichen Meinung.
Es wird also keinen Sonderweg für den Fußball geben?
Hofmann: Den wird es nicht geben und der steht auch nicht zur Debatte. Die DFL, die sehr umsichtig agiert, hat so etwas nie ins Spiel gebracht. Die Lage muss sich so weit stabilisieren, dass wir vielleicht tatsächlich im Mai, selbst wenn es ohne Zuschauer ist, spielen können. Der Fußball in Deutschland hat eine gewisse Wertstellung für die Gesellschaft und kann hilfreich sein auf dem Weg zurück in eine gewisse Normalität.
Glauben Sie, dass es den Profifußball nach Ende der Corona-Krise weiter in seiner jetzigen Form geben wird? Hofmann: Es muss im Finanzgebaren einschneidende Änderungen geben. Wenn es Profivereine gibt, die Ende Mai nicht mehr liquide und daher im Grunde nur einen Monat durchfinanziert sind, dann ist das nicht mehr akzeptabel. Wenn man liest, dass der eine oder andere Klub schon seine künftigen Fernseheinnahmen abgetreten, also verpfändet hat, dann kann man schon ein Stück weit von Wettbewerbsverzerrung sprechen.
Und wie wirkt sich das aus? Hofmann: Das muss sich ändern und wird sich in der Bewertung der Lizenzierungs erfordernisse wiederfinden. Das wird dann auch dazu führen, dass die Transfererlöse und die Gehälter der Spieler niedriger werden. Deutschland wird für die nächsten ein, zwei, drei Jahre ein sehr attraktives Ziel für Profifußballer werden.
Warum?
Hofmann: Weil Spieler hier darauf vertrauen können, dass sie ihr Geld auch bekommen, wenn sie in Deutschland Verträge unterschreiben. Schauen Sie doch nach Italien und Spanien, wo Spielergehälter um teilweise 70 Prozent gekürzt werden, damit die Vereine überleben können. Da werden sich sicherlich viele Spieler die Finger danach abschlecken, wenn sie in der Bundesliga spielen dürfen.
„Da werden sich sicherlich viele Spieler die Finger danach abschlecken, wenn sie in der Bundesliga spielen dürfen.“
Klaus Hofmann glaubt, dass Deutschland ein
attraktives Ziel für Profifußballer wird
Gibt es noch weitere Auswirkungen? Hofmann: Ich glaube, dass es im Sommer keine großen Umbrüche in den Kadern geben wird, sondern nur punktuelle Anpassungen. Die Spieler, die einen Vertrag haben in der Bundesliga, wollen den behalten, sie werden keinen besseren bekommen. Das wird wahrscheinlich auch beim FC Augsburg so sein.
Glauben Sie, dass die 50+1-Regelung fallen wird?
Hofmann: Das wäre enttäuschend. Diese Regelung fallen zu lassen, nur weil manche Vereine nur auf VierWochen-Sicht finanziert sind, wäre, als ob man das Pferd von der falschen Seite aufzäumt. Das könnte ich nicht nachvollziehen.
Was würde mit dem Auf- und Abstieg passieren, sollte die Saison nicht zu Ende gespielt werden? Müsste man dann aufstocken?
Hofmann: Ich gehe fest davon aus, dass wir die Saison zu Ende spielen, in welchem Zeitrahmen auch immer. Wenn nicht, dann wäre es wohl unumgänglich, dass man die Ligen aufstockt. Aber mit diesem Szenario rechne ich derzeit nicht ernsthaft.
Der FCA wird auch in der kommenden Saison in der Bundesliga spielen ... Hofmann: Davon bin ich immer überzeugt. Aber wenn wir neunmal verlieren, werden wir wohl absteigen. Garantieren kann ich es nicht. Aber ich bin überzeugt, dass wir eine gute Mannschaft, einen guten Trainer und eine gute Ausgangslage haben.
Glauben Sie, dass Geisterspiele eine faire Angelegenheit sein werden? Hofmann: Die Spieler müssen sich extrem um- und darauf einstellen. Ich erinnere mich an ein Testspiel auf Malta im Januar im Stadion mit vier oder fünf Zuschauern. Es ist schon gruselig, wenn man jeden Schrei und jedes Wort hört. Man muss im Kopf vorbereitet sein, dann ist es Fußball, egal, ob mit oder ohne Zuschauer.
Ihr neuer Trainer Heiko Herrlich ist der richtige Mann für diese Aufgabe? Hofmann: Davon bin ich absolut überzeugt. Wenn man seine Lebensgeschichte verfolgt, dann sieht man, dass er schon schwierige Phasen, auch gesundheitlicher Natur, bestanden hat. Er hat große Empathie und wird das machen.
Was werden Sie machen, wenn alle Beschränkungen aufgehoben sind? Hofmann: Damit habe ich mich noch gar nicht beschäftigt, weil ich befürchte, dass es noch dauern wird. Aber ich wollte schon immer mal ein Glasgower Derby zwischen Celtic und den Rangers sehen. Das werde ich wohl nachholen.
● Klaus Hofmann wurde am 21. Oktober 1967 in Buchloe (Ostallgäu) geboren. Er ist Mitinhaber und Vorstandsvorsitzender des international tätigen Brandschutzunternehmens Minimax-Viking (rund
10 000 Mitarbeiter, Jahresumsatz 2018 1,7 Milliarden Euro). Hofmann löste im Dezember 2014 Walther Seinsch als Vorstandsvorsitzenden beim FCA ab. Mit seiner Hofmann Investoren GmbH besitzt er 99,5 Prozent der Anteile an der ausgegliederten Profi-Abteilung. (ötz)