Der Sprung ins neue Leben
Porträt Steffi Böhler war lange Zeit eine erfolgreiche Skilangläuferin. Bei Olympia holte sie zwei Medaillen. Nun hat sie die Seiten gewechselt. Warum ihr auch das Spaß macht
Augsburg Kreativ ist Steffi Böhler. Als Sportlerin waren ihr da natürlich Grenzen gesetzt. Da ging es in ihrer langen Karriere vornehmlich darum, schnell zu laufen. Auf Skiern. Zwei olympische Medaillen hat ihr das eingebracht, zudem einmal Bronze bei der WM 2007 in Sapporo. Alle Erfolge gelangen ihr in der Staffel. Neben der Karriere aber hat sich die 39-Jährige auch oft künstlerisch versucht. Sie hat begonnen zu malen, im Skimuseum Hinterzarten wurden zeitweise ihre Bilder ausgestellt, einige von ihnen hat sie auch verkauft. Und vor wenigen Wochen hat sie zusammen mit dem Musiker Stephan Keller, der als Keller Steff auftritt, ein Kinderbuch herausgebracht. Böhler hat dabei die Illustration übernommen, ein zweites ist in Planung. Malen und Zeichnen, das liegt ihr einfach. Kreativ sein.
Im März 2019 hatte Böhler ihre Karriere nach 18 Jahren Leistungssport beendet. Ihre letzte Saison will sie am liebsten schnell vergessen. Alles, was schiefgehen konnte, ging schief. Am Ende hatte sie in diesem Winter kein Weltcup-Rennen mehr bestritten. Noch heute fällt es ihr schwer, über diesen Abschluss zu sprechen. „Es war sicher nicht so, wie man es sich in einem Drehbuch vorstellen würde“, sagt sie. Vielleicht hätte sie schon ein Jahr zuvor aufhören sollen. Die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang aber hatten ihr auch auf die Stimmung gedrückt, sie wollte wohl noch einmal zeigen, dass sie es besser kann. Das misslang. Schwamm drüber. Böhler kann damit leben. Sie hat schon ganz andere Krisen überstehen müssen.
2012 der große Schock. Ihr Körper fühlt sich schon längere Zeit komisch an. Sie trainiert hart, ist aber oft schlapp. Sie rätselt über die Gründe. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Sie ist schon lange Profisportlerin, lebt für das Langlaufen. Und dann die Diagnose. Krebs. In der Schilddrüse. „Kein Training ist hart. Hart ist es, wenn man eine solche Diagnose bekommt“, sagt sie. Es beginnt ihr schwerster Kampf. Härter als alles, was sie jemals in der Loipe erlebt hat. Böhler ist stark, vor allem im Kopf. Sie hat immer an die Heilung geglaubt. Und sie gewinnt den Kampf. Sie gilt als geheilt, kehrt in die Loipe zurück. 2014 bei den Winterspielen in Sotschi gelingt das Unglaubliche: Bronze mit der Staffel. Noch heute glänzen ihre Augen, wenn sie an diesen Tag in Russland zurückdenkt.
Es sind die besonderen Momente ihrer Karriere. Das Langlaufen hat ihr eine Bühne geliefert, die sie ohne den Sport nie hätte betreten dürfen. Seit einem Jahr ist die gebürtige Schwarzwälderin, die mittlerweile in Ruhpolding lebt, runter von dieser Bühne. Jetzt berichtet sie über die, die noch immer oben stehen. Böhler macht eine dreijährige Ausbildung in der Pressestelle des Deutschen Skiverbandes (DSV). Sie hat die Seiten gewechselt. Aber auch das macht ihr viel Spaß.
Sie hatte zuvor schon ein Praktikum bei einer Firma für Outdoormode im Chiemgau gemacht. Marketing, Design, das interessiert sie. Als die Anfrage im Sommer 2019 vom DSV kam, musste sie nicht lange überlegen. Nun schreibt sie Pressemeldungen und beliefert die Social-Media-Kanäle, auch und vor allem mit Fotos. Sie besucht Lehrgänge der Akademie der Bayerischen Presse in München. Böhler liebt die Abwechslung an ihren neuen Aufgaben. 18 Jahre war sie bei der Bundeswehr als Berufssoldatin angestellt, nun ist sie ausgeschieden. Durch die Berufsförderungszeit aber hilft ihr die Bundeswehr in der Zeit danach, auch finanziell.
Als sie im Herbst des vergangenen Jahres ihre ersten Meldungen für den DSV schrieb, kamen sie mit viel Rot auf den Seiten zurück. Auch das Schreiben will erst gelernt sein. Ebenso das viele Sitzen den ganzen Tag über am Schreibtisch. „Sonst habe ich nie viel Zeit am Computer gesessen“, sagt Böhler. Sie war immer auf Achse, immer in Bewegung. Den Sport braucht sie auch heute noch. Ganz runterfahren geht nicht. Sie fährt weiter Ski, spielt Tennis oder Golf und geht laufen. Ihr Körper braucht das.
Sie soll sich beim DSV nicht nur auf den nordischen Bereich konzentrieren. Ihre Chefs Stefan Schwarzbach und Ralph Eder wollen sie vielfältig einsetzen. Ihr erster großer Termin war die Junioren-WM in Oberwiesenthal. Da musste sie die Pressekonferenzen abhalten. Also Fragen stellen, statt wie bisher sie zu beantworten. Es ist eine große Umstellung. Zwei Tage in der Woche soll sie beim DSV in Planegg arbeiten, den Rest kann sie von zu Hause erledigen. Oder eben direkt vor Ort bei den Wettkämpfen, wie im vergangenen Winter beim Biathlon in Ruhpolding oder bei der Vierschanzentournee der Skispringer im Garmisch-Partenkirchen.
Dass sie die Sportler kennt, hilft ihr bei der neuen Arbeit. „Sie lassen mich für Bilder schon mal näher ran“, sagt sie und lacht. Man kennt sich, das soll auch so bleiben.