„Ich spüre: Da ist jemand, der uns trägt“
Dr. Michael Ried Palliativarzt am Klinikum Ingolstadt
Bei uns auf der Palliativstation hängt ein Bilderrahmen und darin die Fotos aller Mitarbeiter, von den Ärzten über die Pflegenden bis zur Putzfrau. Ein Platz darin ist noch frei – ich erkläre auf Nachfrage immer, dass dies der Platz für die Vorsehung ist… Sie ist unsere wichtigste Mitarbeiterin. Ohne sie würden wir oft ganz schön alt aussehen. Vor allem wenn der Zustand eines Patienten uns komplex und belastend erscheint. Was gibt uns trotzdem die Zuversicht, die richtigen Dinge zu tun? Ich sage immer: die Vorsehung. Ganz oft fühle ich, dass jemand da ist, der uns trägt, hält und auffängt. Das ist kein bloßes
Gefühl, sondern eine gespürte Gewissheit.
Auf der Palliativstation kommt es darauf an, dass wir uns ganz auf die Patienten einlassen. Sie sind diejenigen, auf die alles Handeln gerichtet ist. Nicht wir agieren zuerst, sondern wir spüren nach: Was will der Patient? Was braucht er? Er soll es uns sagen. Wie es Jesus zum Kranken sagt: Was soll ich dir tun? Ich orientiere mich am heiligen Ignatius, der uns rät, Gott in allen Dingen zu suchen und zu finden. Auch in unseren Patienten spiegelt sich das Gesicht Gottes.
Auf der Palliativstation ist der Tod ein allgegenwärtiges Thema. Ohne den Glauben, dass mit dem
Tod nicht alles aus ist, würde ich mich schwertun, hier zu arbeiten. Wenn ich verstorbene Patienten anblicke, sehe ich überwiegend friedliche und gelöste Züge. Man sieht förmlich, dass sie in einer besseren Welt angekommen sind. Es gibt auch Patienten auf der Palliativstation, die am liebsten schnell tot sein möchten. Das ist eine völlig verständliche Gefühlsregung, wenn ihre Beschwerden sehr belastend sind. Ihnen sage ich dann manchmal: Lassen Sie sich auf einen Deal mit uns ein. Wir versuchen, Ihre größten Nöte in den Griff zu kriegen. Dann eröffnen sich für Sie vielleicht neben ihren Defiziten auch noch Ressourcen, womit Sie leben und alles das tun können, was in dieser Zeit noch wichtig für Sie ist.