„Ich hatte zwei Prozent Überlebenschance“
Susanne Breit-Keßler Regionalbischöfin a. D., München
Zwei Prozent Überlebenschance. Das war die Information, die ich einem medizinischen Standardwerk entnommen habe. In diesem Buch war meine Krankheit geschildert. Zwei Prozent. Wenig. Ich ging zu meinen Ärzten, die nach der Operation noch eine Chemotherapie planten. „Habe ich überhaupt eine Chance?“, fragte ich. Ich bekam Antworten, für die ich bis heute dankbar bin. Die beste lautete: „Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte.“
Meine eigene Geschichte. Ich kann sterben an dieser Krankheit – ich kann sie überleben. Überlebenswichtig war mir der Gedanke, dass Gott immer bei mir ist. Eines der Lieder von Paul Gerhardt hielt mich aufrecht: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“
Vier Fünftel meines Magens waren verloren und ein Teil meiner Speiseröhre. Ich hatte dennoch Sehnsucht, mit Gottes Hilfe meine Geschichte weiterzuschreiben. Und ich wollte leben, egal mit welchen Einschränkungen! Also begann ich die Chemotherapie. Erbrechen, Gewichtsverlust, keine Haare…
Zusätzlich musste ich fast ein Jahr bougieren, das heißt, mir täglich einen Gummischlauch in den Magen schieben, um die Speiseröhre aufzudehnen.
Ich quälte mich und habe dennoch nie die Hoffnung aufgegeben, dass nach dieser Passion, nach diesem langen Karfreitag irgendwann mein Ostern kommt. Das Jesuswort „Ich lebe und ihr sollt auch leben“(Johannes 14,19) schien mir wie für mich gemacht. Es wurde für mich zur Lebensmaxime. Und mein persönliches Ostern kam. Es hat angehalten bis heute. Und ich vertraue darauf: Wenn irgendwann mein letzter Karfreitag kommt, wird ihm mein ewiges Ostern auf den Fuß folgen. Bestimmt.