„Religion ist wie Homöopathie“
Gerhard Rampp Vorsitzender Bund für Geistesfreiheit, Augsburg
Der Tod meiner Frau vor einem Jahr war das erste Mal, dass ich an meine Grenzen gekommen bin. Meine Eltern waren beide schon alt, als sie starben, und ich konnte mir sagen: Das ist der natürliche Lauf der Dinge. Aber meine Frau war erst 65 Jahre, als sie an Weihnachten (25. Dezember) 2018 von mir ging. Die ersten Wochen waren noch erträglich, ich hatte viel zu erledigen. Sogar die Trauerrede habe ich selbst verfasst. Aber in den Monaten danach spürte ich schon sehr stark die Leere ohne sie und hatte starke Gefühlsschwankungen. Geholfen haben mir damals Freunde, die sensibel auf mich eingegangen sind und auch etwas mit mir unternommen haben. Geholfen hat mir außerdem eine Art Meditation – ein Nachdenken über den Menschen. Mir ist dabei bewusst geworden, wie schwach und hilflos der einzelne Mensch doch ist, unterworfen den biologischen Gegebenheiten.
Wir waren 42 Jahre zusammen, und unser Leben als Paar verlief sehr harmonisch. Wir waren beide Lehrer, ich am Gymnasium und sie an der Grundschule. Ihre Kollegen beschrieben meine Frau als die friedfertigste Person, die sie kannten. Sie zu verlieren, war für mich ein harter Schlag. Zu Hause merkten sogar unsere Zebrafinken, dass einer von uns fehlt. Diese Vögel gehen auf eine erstaunliche
Weise auf Individuen ein. An ihrer Empathie könnten sich manche Menschen ein Beispiel nehmen. Da ich selbst ein eher rationaler Mensch bin, habe ich im Umgang mit den Zebrafinken gelernt, dass in unserem Leben das Emotionale weit überwiegt. Das hat mir in der Trauer geholfen.
Ich kann jetzt besser als früher nachvollziehen, dass die Religion für manche Menschen sehr nützlich ist, um ihr Leben zu bewältigen. Mir persönlich gibt sie aber nichts. Vielleicht ist es wie bei der Homöopathie: Bei den einen wirkt eine Arznei, selbst wenn sie nur ein Placebo war. Ich hatte eine durchaus atheistische Phase in meinem Leben. Inzwischen bin ich ein zutiefst überzeugter Agnostiker.