„Die eigene Lebenskraft, Gott in mir“
Sabine Lutzenberger Sängerin, Augsburg
Als mir Anfang März infolge der Corona-Krise ein Konzert nach dem anderen abgesagt wurde, war ich geschockt. Mitte März hätte die Premiere des Programms „Orpheus – Sänger & Mythos“mit meinem Ensemble PER-SONAT in Augsburg stattgefunden. Die Musikerinnen und ich waren schon so gespannt auf die Musik und die Klangergebnisse. Just in diesem Moment kam die Krise, nun bleibt alles in den Startlöchern stecken, da weiß man gar nicht, wie einem geschieht.
Für das Konzert waren ein paar Musikerinnen bereits unterwegs, als die Absage kam, und wir beschlossen, das Programm dennoch zu erarbeiten. Dieses Musizieren war ganz besonders, denn wir wussten ja, dass das Programm nicht zur Aufführung kommen würde. Neugierig waren wir den Stücken gegenüber, die seit Jahrhunderten im Dornröschenschlaf lagen und nun zu klingen begannen. Auf spontane Einladung von Stadtpfarrer Helmut Haug haben wir sie stattdessen in der vorläufig letzten Sonntagsmesse in St. Moritz gesungen. Ein sehr besonderer Moment für uns alle.
Inzwischen ist der Mut zurückgekehrt und ich gehe meiner Arbeit nach. Mich stützt dabei die Wiederentdeckung der eigenen Kraft – aus christlicher Sicht: Gott in mir. Um diese Lebenskraft in sich spüren zu können, muss man in sich hineinhören und sich entspannen, wie konnte ich das vergessen? Auch die Beobachtung der erwachenden Natur mit all ihrer Schönheit und die Wahrnehmung des immer wiederkehrenden Kreislaufs von Kommen und Gehen beleben mich von Neuem.
Wenn ich dann an meine Arbeit gehe, und das ist nicht nur das Trainieren der Stimme, sondern das sind viele andere Arbeiten wie zum Beispiel musikalische Quellen studieren, Musik analysieren und neue Programme konzipieren und vorbereiten. In erster Linie bin ich neugierig und suche nach dem Gegenstand, den ich durchdringen und verstehen möchte. Das Mittelalter, mit dem ich mich schon so lange beschäftige, ist ein weites Feld, und es gibt noch vieles zu entdecken.
Wenn ich da auf etwas stoße, was mich bewegt, mich herausfordert und viele Fragen aufwirft, konzipiere ich ein Programm und lasse ein ebenfalls neugieriges Publikum daran teilhaben. Die Zuhörer spüren bei jeder Art von Musik die emotionale Kraft, auch wenn die Werke unbekannt sind und noch so alt sein mögen. In einer Zeit wie der unseren heute ist es wohl besonders wichtig, dass wir uns entspannen und alles so annehmen zu können, wie es gerade ist, um mit Neugierde und Offenheit unvoreingenommen neue Wege gehen zu können.