Das Büro wird zum Familien-Yoga-Zimmer
Weil alle Sportkurse ausfallen, trifft sich die Familie unserer Autorin jedes Wochenende zum digitalen Yoga. Das ist manchmal nicht ganz so meditativ
Es ist ziemlich genau einen Monat her. Der Montag, an dem in Bayern zum ersten Mal alle Kindergärten und Schulen geschlossen blieben und sich alle fragten: Was kommt da noch auf uns zu? An diesem Montagabend vibriert mein Handy. Eine SMS von Debby, wie ich sie hier mal nennen möchte. Debby ist Yogalehrerin. Nicht meine, sondern die meiner Eltern. Meine Schwester und ich haben ihnen den Kurs geschenkt. Seither erreichen mich hin und wieder Nachrichten von Debby. So auch an jenem Tag. Debby teilt mit, dass sie bis auf Weiteres ihre Klassen absagen muss. Aber sie wirkt deshalb nicht verunsichert. Im Gegenteil.
In ihrer Nachricht schreibt sie: „Ich werde mich eine Zeit zurückziehen, um mehr mit mir, bei mir und im vertrauensvollen Austausch mit dem Universum zu sein.“Eine
Art Retreat für die Seele. Ihr Schüler sollten es ihr gleichtun. Dann sendet sie jedes Stern- und HerzEmoji, das die Tastatur hergibt.
Ziemlich esoterisch, denke ich. Und dennoch bringt sie mich auf eine Idee. Wenn die Yogakurse ausfallen, warum probieren wir es als Familie nicht mal gemeinsam aus – via Videotelefonie und mit Lehrerin aus dem Internet? Der Rest der Familie ist schnell für die Idee begeistert. Und gleichzeitig denken wir uns: Das kann ja was werden.
Zuletzt haben wir uns alle vor mehr als zehn Jahren auf
Skype getroffen. Damals war ich etwa 15000 Kilometer von daheim entfernt – ähnlich weit wie die damalige Technik von ihrem heutigen Stand. Skypen ging nur mit einer Webcam, die man sich extra auf den Computerbildschirm klemmen musste. Folge: Ich sah von meinen Eltern wahlweise die Nasenspitzen oder die Hände. Selten ihre Gesichter und wenn, dann nicht beide gemeinsam. Ob das nun besser würde?
Seit jener SMS ist unser Tele-Yoga schon zu einer kleinen Tradition geworden. Jedes Wochenende wird mein Büro deshalb für eine Stunde zum Familien-Yoga-Zimmer. Wir vier versammeln uns über Skype und turnen gemeinsam nach, was eine Internet-Yogalehrerin vormacht. Manchmal ist das vielleicht nicht ganz so meditativ. Etwa wenn jemand während einer Rückenübung begleitet von „Huuiiii, ups“-Rufen aus dem Bild kullert – und alle lachen müssen. Oder wenn plötzlich aus dem Off ein „Das andere rechts“ertönt.
Aber die Zeit ist immer schön. Wir hören und sehen (sogar die Gesichter) uns und plaudern meist noch etwas weiter. Das ist lustig und irgendwie näher als das sonstige sonntägliche Telefonat. Debby würde vielleicht etwas sagen: „Ihr nutzet die wundervollen Möglichkeiten des Universums zum vertrauensvollen Austausch.“In diesem Sinne (die Sternen-Emojis denken Sie sich bitte einfach dazu): Namaste.
An dieser Stelle berichten täglich Kolleginnen und Kollegen von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.
arbeitet in der Digital-Redaktion. Nun nutzt sie ihre digitalen Kompetenzen anderweitig.