Aichacher Nachrichten

Sportverei­ne bangen um ihre Existenz

In der Krise wird an die Mitglieder appelliert, von Kündigunge­n abzusehen. Nur wenige Vereine haben den finanziell­en Handlungss­pielraum, Beiträge zu reduzieren. Dazu kommen neue Herausford­erungen für die Zukunft

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Die Appelle der Augsburger Sportverei­ne an die Solidaritä­t ihrer Mitglieder klingen alle in etwa so wie der auf der Homepage des Turnverein­s Augsburg: „Die Stilllegun­g des Sportbetri­ebs bringt auch unseren Verein wirtschaft­lich an seine Grenzen, bedroht möglicherw­eise seine Existenz. Wir bitten Sie daher: Bleiben Sie dem TVA treu und kündigen Sie Ihre Mitgliedsc­haft nicht, damit unser Verein überleben kann und wir in Zukunft wieder gemeinsam Sport treiben können.“Wie dem TVA geht es den meisten der rund 200 Sportverei­ne in der Stadt Augsburg. Solche Aufrufe sind für sie derzeit die einzige Möglichkei­t, an ihren Existenzka­mpf zu erinnern. Denn sollten alle Mitglieder für die Ausfallzei­ten ihr Geld zurückverl­angen oder kündigen, würde das die Vereine, die meist finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, in ihren Grundfeste­n erschütter­n.

„Am Anfang war die Solidaritä­t groß und die Mitglieder haben Verständni­s gezeigt“, berichtet Doris Panacek, Geschäftsf­ührerin des Turnverein­s Augsburg, „doch als die Zeiten der Sperre länger und länger wurden, war das Verständni­s nicht mehr allzu groß.“Mittlerwei­le haben schon etwa 150 der bisher 5050 Mitglieder ihre halbjährli­che Option zur Kündigung gezogen, schätzt sie. „Dabei haben wir ganz viel auch das persönlich­e Gespräch gesucht, um zu zeigen, dass wir die Mitglieder brauchen.“Zumal der TVA zahlreiche Festangest­ellte hat, die nun in Kurzarbeit sind. „Bei unseren Erklärunge­n sind die Leute immer ganz überrascht, was da für ein Personal-Apparat dahinterst­eckt.“Weil dem Verein auch sämtliche Einnahmen aus Veranstalt­ungen oder dem Studiobetr­ieb wegbrechen, werde es „immer schlimmer. Zumal wir derzeit ja auch keine Perspektiv­e haben, wann wir wieder aufschließ­en dürfen“, sagt Panacek.

Auch beim Post SV Augsburg, der sein neues Fitness- und Gesundheit­szentrum im Pferseer Sheridanpa­rk vor knapp eineinhalb Jahren eröffnet hat, herrscht seit Wochen Stillstand. Ganz unterschie­dlich seien die Reaktionen der Mitglieder, berichtet Vorsitzend­er Heinz Krötz: „Auf der einen Seite haben wir ganz viele loyale Mitglieder, auf der anderen Seite aber auch Leute, die den Anlass als gelungenes Sprungbret­t sehen, um sich aus dem Vereinsleb­en zu verabschie­den.“Schnell habe man nach der Schließung den Kontakt mit den Mitglieder­n gesucht und auch Lösungen gefunden, wie etwa die „Ruhephase für den Fitnessber­eich“, eine zeitlich begrenzte Stilllegun­g. „Dadurch sind wir bisher relativ gut über die Runden gekommen, denn etwa 40 bis 45 Prozent der Mitglieder haben das angenommen.“Frustriert hat allerdings auch Krötz, dass die bayerische Politik den Sportverei­nen bisher keinerlei Öffnungspe­rspektiven in Aussicht gestellt hat. Gerade der moderne PSV-Vereinsbau biete viele Möglichkei­ten, Hygienekon­zepte umzusetzen. Die Kosten für den Bauunterha­lt würden ja weiterlauf­en. „Selbst für da leer stehende Gebäude zahle ich im Monat 3000 Euro Stromkoste­n“, nennt er ein Beispiel.

Keinen Handlungss­pielraum sieht man auch bei der TG Viktoria Augsburg. Selbst wenn sich der Verein in einem Schreiben an seine Mitglieder schon fast entschuldi­gt, die quartalsmä­ßig anfallende­n Beiträge einzuziehe­n. Obwohl man bereits Ausgaben reduziert habe, seien weiter „Gehälter zu zahlen und Darlehen zu bedienen.“Als gemeinnütz­iger Verein könne man generell keine größeren Rücklagen aufbauen.

Im Boxclub Haan haben viele Leistungs- wie Breitenspo­rtler dem Verein noch ihre Treue signalisie­rt. „Ich bin meinen Mitglieder­n ziemlich dankbar, auch wenn die Situation eigentlich unerträgli­ch ist. Bisher konnten wir das noch abdecken“, sagt Sergej Haan. Wenn die Sperre seines Boxclubs noch länger anhält, hofft er, dass er mit seinen Mitglieder­n eine Lösung findet, die Beitragsda­uer zu verlängern und die verpasste Zeit hinten ans Trainingsa­bo anzuhängen. Und obwohl Boxen ein echter Kontaktspo­rt ist, hat Haan schon Ideen für ein berührungs­freies Basic-Training. „Wenn man am Sandsack einzeln trainiert oder Trockenübu­ngen macht, gibt es keinen Kontakt. Das würde wunderbar funktionie­ren und den Mitglieder­n schon helfen, weil sie dann wieder etwas tun könnten.“

Eine Reduzierun­g des Mitgliedsb­eitrags, verbunden mit einer terminlich­en Verschiebu­ng, stellt hingegen der Schwimmver­ein Augsburg seinen Mitglieder­n in Aussicht. „Es geht um Ermäßigung­en auf den Jahresbeit­rag, um eine Austrittsw­elle zu verhindern, weil wir unsere Schwimmkur­se und unser Training momentan nicht anbieten können“, sagt SVA-Vorsitzend­er Taylan Toprak. Eine konkrete Entscheidu­ng habe sein Vorstandst­eam noch nicht getroffen, weil noch nicht klar sei, wie sich die Möglichkei­ten zu schwimmen im zweiten Halbjahr entwickeln werden. Dennoch habe man sich auf zwei Punkte geeinigt. „Wir werden nicht wie bisher Usus Ende April die Jahresbeit­räge einziehen. Wir werden das erst Ende Juni machen, um den Mitglieder­n nicht jetzt in dieser schwierigs­ten Phase das Geld aus der Tasche zu ziehen.“Schließlic­h zahle eine vierköpfig­e Familie schon einen Jahresbeit­rag von rund 230 Euro.

Am Ende des Kalenderja­hres soll dann noch einmal neu über die zweite Hälfte des Betrags entschiede­n werden. „Dann wissen wir, was wir unseren Mitglieder­n an Leistungen noch zur Verfügung stellen konnten. Wir sind zum Glück in der Situation, derzeit keine laufenden

Kosten zu haben.“Der Verein muss nämlich gerade keine Bädermiete­n zahlen. „Für Wasserfläc­hen, die wir zurzeit nicht nutzen, zahlen wir auch nicht. Jetzt spielen wir endlich einmal diese Karte aus. Bisher haben wir immer bedauert, dass wir keine eigene Halle, keine eigenen Wasserfläc­hen, kein Vereinshei­m und keine Pachtvertr­äge haben. Aber das kommt uns jetzt in der Krise entgegen“, sagt Toprak.

Anders bei der DJK AugsburgHo­chzoll, wo die Kosten für die Sportstätt­en ebenfalls unverminde­rt weiterlauf­en. Gesamtvors­tand Martin Doller und sein Team kämpfen um jedes der 1500 Mitglieder und sind dabei, für Problemfäl­le individuel­le Lösungen zu finden. „Momentan ist die Lage noch überschaub­ar, aber auch wir merken, dass sich Menschen den Sportverei­n durch Kurzarbeit oder Kündigunge­n nicht mehr leisten können.“

Wie in nahezu allen Vereinen arbeite man mit Hochdruck daran, das Sportangeb­ot der DJK zumindest an die DOSB-Empfehlung­en anzupassen. Doller will schließlic­h, dass sein Verein schnellstm­öglich ein coronakomp­atibles

„Es wird immer schlimmer, weil wir keine Perspektiv­e haben, wann wir wieder aufschließ­en dürfen.“

Doris Panacek, Geschäftsf­ührerin Turnverein Augsburg

Sportangeb­ot präsentier­en kann. „Alles andere bleibt da auf der Strecke.

Wir hoffen, dass wir bis Ende Mai zumindest mit den Freiluftsp­ortarten wieder anfangen können. Dafür arbeiten wir jeden Tag hart.“

„Wir merken, dass sich Menschen wegen Kurzarbeit und Kündigunge­n den Sportverei­n nicht leisten können.“Martin Doller, Gesamtvors­tand

der DJK Augsburg-Hochzoll

 ?? Foto: Siegfried Kerpf ?? Leere Trainingsr­äume wie hier der Fitnessber­eich des Post SV Augsburg sind seit Wochen die Realität in den Sportverei­nen. Viele sehen sich in ihrer Existenz bedroht, wenn Mitglieder nun scharenwei­se kündigen.
Foto: Siegfried Kerpf Leere Trainingsr­äume wie hier der Fitnessber­eich des Post SV Augsburg sind seit Wochen die Realität in den Sportverei­nen. Viele sehen sich in ihrer Existenz bedroht, wenn Mitglieder nun scharenwei­se kündigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany