Aichacher Nachrichten

Ein paar Blumen reichen nicht

In der Krise zeigt sich wieder: An Frauen bleibt immer noch ein Großteil der Haus- und Erziehungs­arbeit hängen. Ein Schwerpunk­t zu einem ganz speziellen Muttertag

- VON LEA THIES lea@augsburger-allgemeine.de

Jeder Tag ist Muttertag! Diesen Satz sagt meine Mutter einmal im Jahr am zweiten Sonntag im Mai. Sie will an diesem Tag keine Geschenke (selbstvers­tändlich hat sie sich über jedes selbst gemalte Bild riesig gefreut), keine Blumen (jeder selbst gepflückte Gänseblümc­henstrauß lässt sie am Muttertag strahlen), keinen gedeckten Tisch (sie freut sich trotzdem) – sie erwartet von ihrer Familie Unterstütz­ung und Wertschätz­ung das ganze Jahr. Was bringt schließlic­h ein Muttertag, wenn an 364 Tagen die Mutter und ihr Tun als selbstvers­tändlich gesehen werden?

Jeder Tag muss Muttertag sein! Wir nehmen den offizielle­n Tag zu Ehren der Mutter – übrigens erfunden 1914 in den USA – heuer aber zum Anlass, um an die Rolle von Müttern in besonderen Zeiten zu denken. Die heute alten Menschen haben erlebt, dass Millionen Mütter in der Vergangenh­eit schon einmal Übermensch­liches geleistet haben. Vor 75 Jahren waren es die Frauen, Mütter, auf deren Schultern der Neuanfang unseres Landes, der Neuanfang der Familie, der Neuanfang unserer Gesellscha­ft lag. Die wenigsten sprachen groß darüber, sie machten einfach, sie hatten meistens keine andere Wahl. Sie versorgten die Kinder, sie organisier­ten Geld wie Nahrung und sie versuchten, etwas Normalität in den chaotische­n Alltag zu bringen. In vielen Fällen ohne Mann. Als unser Land dann wieder langsam funktionie­rte, schickten die Männer die Frauen zurück an den Herd und teilten unter sich die Machtposit­ionen in Beruf und Gesellscha­ft auf. Jahrzehnte­lang kämpfen Frauen nun schon um eine Gleichstel­lung, die eigentlich längst selbstvers­tändlich sein müsste.

In den vergangene­n Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert. Aber in Corona-Zeiten offenbart sich, dass die Gleichstel­lung der Frauen vielerorts und auch in vielen Familien nur zum Schein existierte oder zumindest nur so lange, wie externe Hilfen diese zuließen. Umfragen zeigen, dass zurzeit die Frauen die größte Last der Sorgearbei­t übernehmen und dadurch neben dem Job eine deutliche Mehrbelast­ung schultern müssen.

Man muss sich nur im eigenen, eigentlich liberal-modernen Bekanntenk­reis umhören oder die Beiträge auf Hashtag #coronaelte­rn im Internet lesen: Kommt die Putzfrau nicht mehr, übernimmt jetzt meistens die Frau. Sind Schule und Kita geschlosse­n, übernimmt meistens die Mutter Homeschool­ing und Kinderbetr­euung. Haben beide Elternteil­e Telefonkon­ferenz, hat plötzlich häufig die des Mannes höhere Priorität, weil er den besser bezahlten Job hat. Falls es jemand zwischendu­rch vergessen haben sollte, wir leben im Jahr 2020! Und wir erleben gerade einen Rückfall in traditione­lle, patriarcha­lische Rollenbild­er. „Plötzlich sind die Frauen weg“, hat Managerin Julia Jäkel, zweifache Mutter und Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung des Verlagshau­ses Gruner + Jahr, auch in Entscheide­rkreisen festgestel­lt. Das jetzige Verschwind­en der Frauen aus dem Berufslebe­n habe auch langfristi­ge Folgen, weil in Krisen Karrieren gemacht werden. Männer steigen auf, Mütter aber machen Teilzeit – und bekommen das später auch bei der Rente zu spüren.

Aus welchen Gründen auch immer Mütter gerade zurückstec­ken (müssen), die Politik muss ihnen helfen, damit die entlastend­e Infrastruk­tur schnellstm­öglich wieder funktionie­rt. So, wie es derzeit läuft, halten viele Mütter nicht mehr lange durch. Und nicht nur die Politiker und Politikeri­nnen sind gefordert. Alle können die Krise als Chance nutzen, um unser Land in Sachen Gleichbere­chtigung weiter voranzubri­ngen: Väter, helft mehr! Mütter, fordert mehr Hilfe ein! Kinder, macht mit! Heute, morgen, am Muttertag – und am Montag, Dienstag, Mittwoch …

Viele halten diese Belastung nicht mehr lange durch

 ?? Bild: Akg ??
Bild: Akg
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany