Aichacher Nachrichten

Wann öffnet Seehofer die Grenzen?

Innenpolit­ik Auch in der Union wächst die Kritik am strikten Kurs des Innenminis­ters. Ein Gutachten stützt die Forderung nach Lockerunge­n. Andernfall­s droht eine Klagewelle

- VON STEFAN LANGE

Berlin Nach der Kritik am strengen Corona-Reglement im Innern gerät die Regierung nun auch wegen ihrer Grenzpolit­ik immer stärker unter Druck. Abgeordnet­e der CDU fordern Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) auf, die Schlagbäum­e wieder hochzufahr­en. Unterstütz­t werden sie dabei nicht nur von der Opposition, sondern auch von einem neuen Gutachten. Am Mittwoch könnte es zum offenen Schlagabta­usch kommen: Nach Informatio­nen unserer Redaktion wird sich Seehofer dann dem Innenaussc­huss des Bundestage­s stellen.

Seehofer hat die Mitte März beschlosse­nen Grenzkontr­ollen, die für viele Menschen de facto einer Grenzschli­eßung gleichkomm­en, gerade erst bis 15. Mai verlängert. „Die Grenzkontr­ollen haben etwas bewirkt und sind Teil unseres bisherigen Erfolgs bei der Eindämmung des Infektions­geschehens“, erklärte er. In der kommenden Woche werde über das weitere Vorgehen entschiede­n. Wenn es nach dem Konstanzer Rechtsprof­essor Daniel

geht, dann muss es bald eine Kursänderu­ng geben. In einem Gutachten kommt er zu dem Schluss, dass eine unveränder­te Fortsetzun­g der Ein- und Ausreiseve­rbote europarech­tlich unzulässig wäre. Dabei argumentie­rt Thym auch mit den jüngsten Lockerunge­n der strengen Regeln im Inland. Diese könnten nicht ohne Auswirkung­en auf den Grenzverke­hr bleiben. „Ohne sachlichen Grund dürfen externe Einschränk­ungen nicht deutlich strenger sein als interne Restriktio­nen“, heißt es in dem Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen die weitreiche­nden Einreisebe­schränkung­en in der Europäisch­en Union dagegen um weitere 30 Tage bis zum 15. Juni verlängert werden.

Aus der Sicht des Europarech­ts, betont Experte Thym dagegen, müsse „die interne Öffnung zwangsläuf­ig mit einer externen Flexibilis­ierung einhergehe­n, soweit die Situation in den Nachbarsta­aten der deutschen Lage prinzipiel­l entspricht“. Das tut sie zum Beispiel in Österreich. Dort erklärte Kanzler Sebastian Kurz, derzeit seien die Ansteckung­szahlen geringer als in Deutschlan­d. Auf die Frage, wann die Grenzen zwischen beiden Staaten geöffnet werden könnten, sagte er: „Sobald Deutschlan­d dazu bereit ist.“Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer, die Vize-Präsidenti­n des Europäisch­en Parlaments, Katarina Barley, und der Trierer Oberbürger­meister Wolfram Leibe (alle SPD) forderten in einer gemeinsame­n Erklärung, die Grenzen zu Luxemburg und Frankreich noch an diesem Samstag zu öffnen.

In der CDU argumentie­ren viele Abgeordnet­e ähnlich. „Schon jetzt müssen unverzügli­ch die Schlagbäum­e abgeräumt und alle Grenzüberg­änge wieder geöffnet werden“, erklärte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Union, Andreas Jung, der mit elf weiteren Europaund Bundestags­abgeordnet­en einen entspreche­nden Brandbrief verfasst hat. An die Stelle von Ein- und AusThym reisesperr­en müsse eine grenzübers­chreitende Strategie zur Bekämpfung der Pandemie treten.

Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann erklärte, der Staatsregi­erung sei es „ein dringendes Anliegen“, dass der grenzübers­chreitende Alltag mit Österreich und Tschechien baldmöglic­hst wieder stattfinde­n könne. „Wir hoffen, kurzfristi­g zumindest einige Erleichter­ungen zu erreichen“, sagte er laut Münchner Merkur. Der FDP-Innenexper­te Benjamin Strasser warf Seehofer Politik nach Gutsherren­art vor. „Geschlosse­ne Grenzen helfen schon länger nicht mehr bei der Eindämmung des Virus, während die Menschen in den betroffene­n Regionen täglich mehr unter den Maßnahmen leiden“, sagte er unserer Redaktion und kritisiert­e zugleich: „Binational­e Paare und Familien werden auseinande­rgerissen, die lokale Wirtschaft kann nicht mehr richtig arbeiten und Berufspend­ler fahren ewige Umwege und stehen im Stau.“

Lesen Sie dazu auch den Kommentar. Auf der Dritten Seite geht es um die Folgen von Corona für den Tourismus im Allgäu.

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