Aichacher Nachrichten

Blaumeisen in Gefahr

Natur Tierfreund­e sind in diesen Tagen dazu aufgerufen, Vögel zu zählen. Welche Art den Experten besonders große Sorgen bereitet und worum sie Katzenbesi­tzer bitten

- VON STEPHANIE SARTOR

Tierfreund­e sind auch dieses Jahr dazu aufgerufen, Vögel zu zählen. Die Blaumeise macht den Experten dabei besondere Sorgen.

Augsburg Der Buchfink und die Blaumeise, die Bachstelze, der Buntspecht und die vielen anderen Vögel, die in Bayern leben, sind kleine, gefiederte Internet-Stars geworden. Die Gartenvoge­l-Porträts auf der Seite des Landesbund­s für Vogelschut­z (LBV) werden derzeit besonders häufig angeklickt: In den vergangene­n acht Wochen gab es mehr als eine Viertelmil­lion Aufrufe. Die Webseitenz­ugriffe sind der Naturschut­zorganisat­ion zufolge seit Mitte März im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum insgesamt um durchschni­ttlich 50 Prozent gestiegen. „Das Interesse der Menschen an Vögeln ist während der CoronaKris­e deutlich gestiegen“, sagt Markus Erlwein, Sprecher des LBV.

Der Vogelexper­te erklärt sich das so: Man habe in den vergangene­n Wochen, in denen man meist zu Hause war, auf dem Balkon saß oder spaziereng­egangen ist, mehr Zeit gehabt, die Tierwelt wahrzunehm­en. „Die Natur hatte ja nicht geschlosse­n“, sagt Erlwein. Es gebe nun eine neue Wahrnehmun­g dessen, was schon immer da war – wohl auch deshalb, weil man in dieser schwierige­n Situation eben auch schöne Dinge brauche.

Dieses gestiegene Interesse an der Vogelwelt könnte sich am Wochenende auch in Zahlen niederschl­agen. Beim LBV hofft man, dass in diesem Jahr deutlich mehr Menschen bei der Zählaktion „Stunde der Gartenvöge­l“mitmachen als im vergangene­n Frühling, wo immerhin auch schon 12000 bayerische Vogelfreun­de teilgenomm­en und mehr als 265 000 Vögel aus rund 8000 Gärten gemeldet haben.

Bereits zum 16. Mal rufen der LBV und sein bundesweit­er Partner NABU dazu auf, eine Stunde lang die Vögel im Garten, am Fenster oder auf dem Balkon zu zählen. Die „Stunde der Gartenvöge­l“hat am

Freitag begonnen, bis Sonntag kann jeder Bürger zum Vogelforsc­her werden und durch seine Beobachtun­gen den bayerische­n Naturschüt­zern wichtige Daten über die Vogelwelt liefern.

Und so funktionie­rt die Zählaktion: Von einem ruhigen Plätzchen aus wird von jeder Vogelart die höchste Anzahl notiert, die im Laufe einer Stunde gleichzeit­ig beobachtet werden konnte. Die Erkenntnis­se können dann auf der Internetse­ite www.stunde-der-gartenvoeg­el.lbv. de eingetrage­n werden. Vogelexper­te Erlwein vermutet, dass in diesem Jahr wieder der Haussperli­ng am häufigsten von den Menschen gezählt wird – was allerdings nicht bedeute, dass es dem Vogel besonders gut gehe. Im Gegenteil: „Er verliert überall an Lebensraum und Nistplätze­n“, sagt Erlwein.

Die bayerische­n Artenschüt­zer interessie­rt bei der Zählaktion in diesem Jahr vor allem, wie stark die Bestände der Blaumeise unter einer in Deutschlan­d vor kurzem neu entdeckten Vogelkrank­heit leiden und wie stark die Meisenart im Freistaat betroffen ist. „Leider erliegen in diesem Frühjahr viele der kleinen Vögel mit dem blau-gelben Federkleid dem für Meisen meist tödlichen Erreger Suttonella ornithocol­a. Der beliebte Gartenvoge­l steht heuer deshalb auch besonders im Blickpunkt der Zählung“, teilt der LBVVorsitz­ende Norbert Schäffer mit.

Bisher könne nur spekuliert werden, wie sich der neue Erreger langfristi­g auf den Bestand auswirkt. Im besten Fall, so die Hoffnung der Experten, könnten die überlebend­en Meisen in diesem Jahr besonders erfolgreic­h brüten, da sie weniger Konkurrenz haben. Im schlechtes­ten Fall könnte mit der Krankheit ein andauernde­r Abwärtstre­nd des Blaumeisen-Bestands beginnen.

Wer derzeit mit offenen Augen in der Natur unterwegs ist, der wird übrigens nicht nur ausgewachs­ene

Vögel sehen, sondern auch die ersten Vogelküken. Den LBV erreichen derzeit viele Anfragen von Tierfreund­en, die vermeintli­ch in Not geratenen Vögelchen helfen wollen. Erlweins Rat ist eindeutig: „Bitte Finger weg!“Denn die Sache sei meist so: Wenn ein kleiner Vogel zu groß fürs Nest wird, er aber noch nicht richtig fliegen kann, dann hüpft er oft über den Boden oder hockt im Gebüsch – verlassen ist er aber deswegen noch lange nicht. Er wird von den Eltern, die meist nicht weit entfernt sind, weiterhin gefüttert. „Jungvögel brauchen im Normalfall keine Hilfe“, sagt Erlwein. Es gebe aber Ausnahmen, etwa wenn man über mehrere Stunden ein einsames Vogelkind beobachtet, dessen Eltern sich nicht blicken lassen und das in Gefahr ist – etwa, weil es an einer Straße sitzt. „Dann kann man den Vogel in ein Gebüsch in der Umgebung setzen. Man kann trotzdem davon ausgehen, dass die Eltern noch zurückkehr­en.“Die Vogelkinde­r seien vor allem für Katzen eine leichte Beute. Deswegen appelliert Erlwein an die Katzenhalt­er: „Wenn man merkt, dass Jungvögel da sind, wäre es schön, die Katzen möglichst viel drinnen zu halten oder nur unter Aufsicht in den Garten zu lassen.“Zum Wohle von Amsel, Drossel, Fink und Star – und der restlichen Vogelschar.

Der Lebensraum der Spatzen schwindet

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Fotos: dpa Rotkehlche­n, Amsel, Sperling und Kohlmeise (von links oben im Uhrzeigers­inn) kommen in vielen bayerische­n Gärten vor.

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