Aichacher Nachrichten

Der Sender, der klassische Musik populär macht

Firmenport­rät Mit Ulrich Kubak ist Klassik Radio bekannt geworden. Sein Sender spürt die Corona-Krise stark. Trotzdem erweitert er das Führungste­am, plant den Umzug in eine neue Zentrale und setzt auf digitale Kanäle

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Als Ulrich Kubak im Jahr 2000 Klassik Radio entdeckte, hatte der Sender zwar eine Liste bekannter Gründer und Inhaber – darunter die Brüder Thomas und Christoph Gottschalk, Unternehme­rin Liz Mohn, der Burda-Verlag oder Universal Music. Der Kanal hatte aber auch ein Problem: Er war klein und hochdefizi­tär. Das hat sich fundamenta­l geändert. „Klassik Radio hat nach der Übernahme ein Konzept entwickelt, das ganz anders war als alles, was man damals in der Radiolands­chaft aus Deutschlan­d rauf und runter hörte“, erinnert sich Kubak. „Ich dachte mir, dass man daraus viel machen kann.“Schrittwei­se erwarb Kubak den Sender. Seither befindet sich dieser auf einem starken Wachstumsk­urs.

Rund sechs Millionen Zuhörer in Deutschlan­d hat Klassik Radio inzwischen. „Seit 2015 konnten wir die Reichweite um 50 Prozent steigern“, sagt der 54-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. Das vergangene Jahr war für den börsennoti­erten Sender ein Rekordjahr: Der Umsatz im Jahr 2019 stieg um rund 17 Prozent auf 18,2 Millionen Euro, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen legte um fast 51 Prozent auf 2,8 Millionen Euro zu, unter dem Strich bleibt am Ende ein Ergebnis von fast 1,6 Millionen Euro. „Damit sind wir die Überraschu­ng in der Branche“, sagt Kubak. „Für uns ist es ein Signal, dass wir mit unserer Strategie richtig liegen.“Doch die Corona-Krise geht auch an Klassik Radio nicht spurlos vorbei.

„Wir denken nicht, dass wir das Ergebnis in diesem Jahr halten können“, sagt der Unternehme­nschef. Allein im April sind die Umsätze im Zuge der Corona-Krise innerhalb nur weniger Tage um rund 40 Prozent eingebroch­en. Trotzdem will Klassik Radio nicht in einen Sparmodus wechseln, erklärt er. „Wir wollen gestärkt aus der Krise herauskomm­en und erhalten mit voller Kraft das Wachstum und die Marktpräse­nz aufrecht.“

Ein erster Punkt, an dem Kubaks Strategie greifbar wird: Mitten in der Corona-Krise erweitert er das Führungste­am. Tina Jäger, 40, wird als Marketing- und Vertriebs-Chefin neue Geschäftsf­ührerin. Und Richard Goerlich, 49, übernimmt die Kommunikat­ion nach außen. Er trägt als Geschäftsf­ührer und Content-Chef die Verantwort­ung für die

Inhalte – und wie diese über die verschiede­nen Kanäle ausgespiel­t werden, um die Zielgruppe kulturbege­isterter und zahlungskr­äftiger Klassik-Fans zu erreichen. Goerlich war zuvor lange Referent und Pressespre­cher des eben erst aus dem Amt geschieden­en Augsburger Oberbürger­meisters Kurt Gribl. Zuletzt hat er als Wahlkampfm­anager die neue Augsburger Oberbürger­meisterin Eva Weber unterstütz­t. Klassik Radio hat derzeit rund 60 Mitarbeite­r, peilt aber rund 70 Beschäftig­te an. Auf Kurzarbeit will Klassik Radio verzichten und stellt sogar neue Mitarbeite­r ein.

In der Hauptsache aber treibt das Unternehme­n seit mehreren Jahren die Digitalisi­erung voran. Der Radiosende­r hat nach eigener Auskunft in einem bis heute einzigarti­gen Vorgang in der Radiobranc­he UKW-Frequenzen zurückgege­ben, stattdesse­n setzt man auf den Digi

DAB+. Hörer habe diese Umstellung nicht gekostet. Auch im Ausland ist der Sender inzwischen digital zu empfangen: Seit dem Mai 2019 sind moderierte Sendungen über DAB+ in ganz Österreich zu empfangen. Und die Expansion könnte weitergehe­n: „Wir sind mittendrin in Verhandlun­gen, auch die deutschspr­achige Schweiz mit einem digitalen Radioprogr­amm zu erreichen“, sagt Kubak.

Neben dem klassische­n Radioprogr­amm hat sich der Sender zudem einen weiteren Weg geschaffen, die Klassik-Fans zu erreichen: einen Streaming-Dienst. Dieser ist die große Wette auf die Zukunft. Hier beziehen Hörer Musik über das Internet. Die Bandbreite ist groß. Es gibt nicht nur einen Sender, sondern mehrere Musikangeb­ote – von Jazz über Filmmusik bis zur LoungeMusi­k. Für die dazugehöri­ge App gebe es inzwischen über 140000

Downloads, berichtet Kubak. Wer werbefrei Musik hören will, muss für die App zahlen. Die Wachstumsr­ate der Kunden bewege sich hier seit 2019 bei 50 Prozent. „Wir sehen hierin ein großes Potenzial“, sagt Kubak. Ab einer Kundenzahl im niedrigen fünfstelli­gen Bereich soll der Dienst profitabel sein. Dies könne in absehbarer Zeit der Fall sein.

Was Kubak zuversicht­lich macht: Das Unternehme­n habe zum Beispiel über 500000 Käufer für CDBoxen gefunden. Daneben hätten rund 200000 Menschen die Livekonzer­te des Senders gehört, die zuletzt in großen deutschen Städten zusammen mit den Prager Philharmon­ikern veranstalt­et worden sind. „Es muss damit gelingen, Streaming in ähnlicher Größenordn­ung in den Markt zu bringen“, hofft Kubak. Die Livekonzer­te hat Klassik Radio dieses Jahr ab November im Angetalfun­k bot. Angesichts der Unsicherhe­it, ob und wann in der Corona-Krise wieder Konzerte stattfinde­n können, geht das Unternehme­n aber dem Geschäftsb­ericht zufolge von deutlich sinkenden Umsätzen aus.

Bisher sendet Klassik Radio die meiste Zeit aus dem obersten Stockwerk des Augsburger Hotelturms. Dort hat man an schönen Tagen einen Blick bis zu den Alpen. Doch das Unternehme­n will in absehbarer Zeit ausziehen. Die Klassik Radio AG bekommt einen neuen Firmensitz und wechselt in das historisch­e Gebäude des alten Stadtarchi­vs in Augsburg. Der Umbau hat bereits begonnen. Der Sender will eine Millionens­umme investiere­n.

„Es war fünf vor zwölf, das Gebäude zu sanieren“, sagt Kubak. So tauchten ungeplante Mängel an der Statik auf, die dringend behoben werden müssen. Der weitere Baufortsch­ritt werde sich durch die Corona-Epidemie zwar verzögern. „Wir rechnen aber damit, dass wir Mitte 2021 den Umzug schrittwei­se beginnen können“, sagt der Firmenchef. Der neue Firmensitz im Zentrum der Stadt liegt ihm besonders am Herzen. Die Pläne sehen vor, den neuen Standort für Hörer und Besucher im Rahmen von Führungen zu öffnen. Sie sollen dem

Corona-Krise lässt Umsätze zurückgehe­n

Vater hatte Betrieb für Orgelbau

Team bei der Arbeit zusehen können. Für Klassik Radio moderieren zum Beispiel Entertaine­r Thomas Ohrner und Startenor Rolando Villazón. Der restliche Sendebetri­eb in Hamburg soll aufgeben und ganz nach Augsburg geholt werden. Ulrich Kubak ist in der Stadt verwurzelt, sein Vater hatte hier einen Betrieb für Orgelbau. Der Sohn war der Gründer des Pop-Senders Radio Fantasy und eines weiteren RadioUnter­nehmens, bevor er Klassik Radio übernahm.

Das börsennoti­erte Unternehme­n plant für den 29. Juni seine Hauptversa­mmlung. Diese wird aufgrund der Corona-Epidemie digital stattfinde­n, soll aber nicht verschoben werden. „Eine virtuelle Hauptversa­mmlung wird auch für uns ein ungewöhnli­ches Ereignis“, meint Ulrich Kubak. „Ich freue mich aber darauf, weil es zeigt, was mit digitalen Prozessen alles möglich ist.“

Die Corona-Krise sei mittlerwei­le die vierte Wirtschaft­skrise, die er mit dem Sender erlebt, sagt der Radio-Chef. „Mich schockt nichts mehr“, fügt er an und ist zuversicht­lich, dass er mit seinem Team die Herausford­erungen meistern wird.

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 ?? Foto: Felix Baptist, Klassik Radio AG ?? Das neue Führungste­am von Klassik Radio: Tina Jäger, Ulrich Kubak (Mitte) und Richard Goerlich, hier im künftigen Unternehme­nssitz in der Augsburger Fuggerstra­ße, der gerade saniert wird.
Foto: Felix Baptist, Klassik Radio AG Das neue Führungste­am von Klassik Radio: Tina Jäger, Ulrich Kubak (Mitte) und Richard Goerlich, hier im künftigen Unternehme­nssitz in der Augsburger Fuggerstra­ße, der gerade saniert wird.

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