Der Sender, der klassische Musik populär macht
Firmenporträt Mit Ulrich Kubak ist Klassik Radio bekannt geworden. Sein Sender spürt die Corona-Krise stark. Trotzdem erweitert er das Führungsteam, plant den Umzug in eine neue Zentrale und setzt auf digitale Kanäle
Augsburg Als Ulrich Kubak im Jahr 2000 Klassik Radio entdeckte, hatte der Sender zwar eine Liste bekannter Gründer und Inhaber – darunter die Brüder Thomas und Christoph Gottschalk, Unternehmerin Liz Mohn, der Burda-Verlag oder Universal Music. Der Kanal hatte aber auch ein Problem: Er war klein und hochdefizitär. Das hat sich fundamental geändert. „Klassik Radio hat nach der Übernahme ein Konzept entwickelt, das ganz anders war als alles, was man damals in der Radiolandschaft aus Deutschland rauf und runter hörte“, erinnert sich Kubak. „Ich dachte mir, dass man daraus viel machen kann.“Schrittweise erwarb Kubak den Sender. Seither befindet sich dieser auf einem starken Wachstumskurs.
Rund sechs Millionen Zuhörer in Deutschland hat Klassik Radio inzwischen. „Seit 2015 konnten wir die Reichweite um 50 Prozent steigern“, sagt der 54-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. Das vergangene Jahr war für den börsennotierten Sender ein Rekordjahr: Der Umsatz im Jahr 2019 stieg um rund 17 Prozent auf 18,2 Millionen Euro, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen legte um fast 51 Prozent auf 2,8 Millionen Euro zu, unter dem Strich bleibt am Ende ein Ergebnis von fast 1,6 Millionen Euro. „Damit sind wir die Überraschung in der Branche“, sagt Kubak. „Für uns ist es ein Signal, dass wir mit unserer Strategie richtig liegen.“Doch die Corona-Krise geht auch an Klassik Radio nicht spurlos vorbei.
„Wir denken nicht, dass wir das Ergebnis in diesem Jahr halten können“, sagt der Unternehmenschef. Allein im April sind die Umsätze im Zuge der Corona-Krise innerhalb nur weniger Tage um rund 40 Prozent eingebrochen. Trotzdem will Klassik Radio nicht in einen Sparmodus wechseln, erklärt er. „Wir wollen gestärkt aus der Krise herauskommen und erhalten mit voller Kraft das Wachstum und die Marktpräsenz aufrecht.“
Ein erster Punkt, an dem Kubaks Strategie greifbar wird: Mitten in der Corona-Krise erweitert er das Führungsteam. Tina Jäger, 40, wird als Marketing- und Vertriebs-Chefin neue Geschäftsführerin. Und Richard Goerlich, 49, übernimmt die Kommunikation nach außen. Er trägt als Geschäftsführer und Content-Chef die Verantwortung für die
Inhalte – und wie diese über die verschiedenen Kanäle ausgespielt werden, um die Zielgruppe kulturbegeisterter und zahlungskräftiger Klassik-Fans zu erreichen. Goerlich war zuvor lange Referent und Pressesprecher des eben erst aus dem Amt geschiedenen Augsburger Oberbürgermeisters Kurt Gribl. Zuletzt hat er als Wahlkampfmanager die neue Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber unterstützt. Klassik Radio hat derzeit rund 60 Mitarbeiter, peilt aber rund 70 Beschäftigte an. Auf Kurzarbeit will Klassik Radio verzichten und stellt sogar neue Mitarbeiter ein.
In der Hauptsache aber treibt das Unternehmen seit mehreren Jahren die Digitalisierung voran. Der Radiosender hat nach eigener Auskunft in einem bis heute einzigartigen Vorgang in der Radiobranche UKW-Frequenzen zurückgegeben, stattdessen setzt man auf den Digi
DAB+. Hörer habe diese Umstellung nicht gekostet. Auch im Ausland ist der Sender inzwischen digital zu empfangen: Seit dem Mai 2019 sind moderierte Sendungen über DAB+ in ganz Österreich zu empfangen. Und die Expansion könnte weitergehen: „Wir sind mittendrin in Verhandlungen, auch die deutschsprachige Schweiz mit einem digitalen Radioprogramm zu erreichen“, sagt Kubak.
Neben dem klassischen Radioprogramm hat sich der Sender zudem einen weiteren Weg geschaffen, die Klassik-Fans zu erreichen: einen Streaming-Dienst. Dieser ist die große Wette auf die Zukunft. Hier beziehen Hörer Musik über das Internet. Die Bandbreite ist groß. Es gibt nicht nur einen Sender, sondern mehrere Musikangebote – von Jazz über Filmmusik bis zur LoungeMusik. Für die dazugehörige App gebe es inzwischen über 140000
Downloads, berichtet Kubak. Wer werbefrei Musik hören will, muss für die App zahlen. Die Wachstumsrate der Kunden bewege sich hier seit 2019 bei 50 Prozent. „Wir sehen hierin ein großes Potenzial“, sagt Kubak. Ab einer Kundenzahl im niedrigen fünfstelligen Bereich soll der Dienst profitabel sein. Dies könne in absehbarer Zeit der Fall sein.
Was Kubak zuversichtlich macht: Das Unternehmen habe zum Beispiel über 500000 Käufer für CDBoxen gefunden. Daneben hätten rund 200000 Menschen die Livekonzerte des Senders gehört, die zuletzt in großen deutschen Städten zusammen mit den Prager Philharmonikern veranstaltet worden sind. „Es muss damit gelingen, Streaming in ähnlicher Größenordnung in den Markt zu bringen“, hofft Kubak. Die Livekonzerte hat Klassik Radio dieses Jahr ab November im Angetalfunk bot. Angesichts der Unsicherheit, ob und wann in der Corona-Krise wieder Konzerte stattfinden können, geht das Unternehmen aber dem Geschäftsbericht zufolge von deutlich sinkenden Umsätzen aus.
Bisher sendet Klassik Radio die meiste Zeit aus dem obersten Stockwerk des Augsburger Hotelturms. Dort hat man an schönen Tagen einen Blick bis zu den Alpen. Doch das Unternehmen will in absehbarer Zeit ausziehen. Die Klassik Radio AG bekommt einen neuen Firmensitz und wechselt in das historische Gebäude des alten Stadtarchivs in Augsburg. Der Umbau hat bereits begonnen. Der Sender will eine Millionensumme investieren.
„Es war fünf vor zwölf, das Gebäude zu sanieren“, sagt Kubak. So tauchten ungeplante Mängel an der Statik auf, die dringend behoben werden müssen. Der weitere Baufortschritt werde sich durch die Corona-Epidemie zwar verzögern. „Wir rechnen aber damit, dass wir Mitte 2021 den Umzug schrittweise beginnen können“, sagt der Firmenchef. Der neue Firmensitz im Zentrum der Stadt liegt ihm besonders am Herzen. Die Pläne sehen vor, den neuen Standort für Hörer und Besucher im Rahmen von Führungen zu öffnen. Sie sollen dem
Corona-Krise lässt Umsätze zurückgehen
Vater hatte Betrieb für Orgelbau
Team bei der Arbeit zusehen können. Für Klassik Radio moderieren zum Beispiel Entertainer Thomas Ohrner und Startenor Rolando Villazón. Der restliche Sendebetrieb in Hamburg soll aufgeben und ganz nach Augsburg geholt werden. Ulrich Kubak ist in der Stadt verwurzelt, sein Vater hatte hier einen Betrieb für Orgelbau. Der Sohn war der Gründer des Pop-Senders Radio Fantasy und eines weiteren RadioUnternehmens, bevor er Klassik Radio übernahm.
Das börsennotierte Unternehmen plant für den 29. Juni seine Hauptversammlung. Diese wird aufgrund der Corona-Epidemie digital stattfinden, soll aber nicht verschoben werden. „Eine virtuelle Hauptversammlung wird auch für uns ein ungewöhnliches Ereignis“, meint Ulrich Kubak. „Ich freue mich aber darauf, weil es zeigt, was mit digitalen Prozessen alles möglich ist.“
Die Corona-Krise sei mittlerweile die vierte Wirtschaftskrise, die er mit dem Sender erlebt, sagt der Radio-Chef. „Mich schockt nichts mehr“, fügt er an und ist zuversichtlich, dass er mit seinem Team die Herausforderungen meistern wird.